Zubringerflüge – Bundeskartellamt äußert Bedenken gegenüber Lufthansa

Dass Fluggesellschaften so genannte Special Prorate Agreements (SPA) abschließen, ist in der Branche üblich. Beide Seiten profitieren: Die eine kann etwa auf Zubringerdienste der anderen zurückgreifen und letztere finanziert damit ihr Kurzstreckennetz. So geschehen zwischen Lufthansa und Condor. Dann aber hat die Lufthansa den Vertrag gekündigt. Die Beschwerde von Condor rief das Bundeskartellamt auf die Bühne.
vom 14. Februar 2022
image

Zubringerflüge – Bundeskartellamt äußert Bedenken gegenüber LufthansaDass Fluggesellschaften so genannte Special Prorate Agreements (SPA) abschließen, ist in der Branche üblich. Beide Seiten profitieren: Die eine kann etwa auf Zubringerdienste der anderen zurückgreifen und letztere finanziert damit ihr Kurzstreckennetz. So geschehen zwischen Lufthansa und Condor. Dann aber hat die Lufthansa den Vertrag gekündigt. Die Beschwerde von Condor rief das Bundeskartellamt auf die Bühne.
Ein Missbrauchsverfahren (§ 19 GWB, Art. 102 AEUV), ein Verfahren wegen des Verdachts verbotenen Verhaltens (§§ 20 Abs. 1 i. V. m. 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB) und ein Verfahren zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen (§ 32a Abs. 1 GWB) waren die Folge. Diese Intervention führte dazu, dass die Lufthansa die Kündigung zeitlich befristet bis zum 10. Mai 2022 ausgesetzt. Das Bundeskartellamt ist der Ansicht, dass Condor ein kartellrechtlicher Anspruch gegen die laut Statista nach Umsatz größte Fluggesellschaft Europas zusteht. Auch eine Kündigung, die nach dem 10. Mai greifen würde, würde Condor unbillig behindern.
 

Wichtige Zubringerdienste

Die Vereinbarung sah vor, dass Condor Zubringerflüge der Kranich-Airline und ihrer Töchter wie beispielsweise der Austrian Airlines buchen kann, um Passagiere zu den Knotenpunkten ihres eigenen Langstreckennetzes zu befördern. Condor ist darauf angewiesen, weil es selbst kein solches Kurzstreckennetz unterhält. Nur auf diese Weise kann die Fluggesellschaft die garantierte Beförderung vom Abflug- zum Zielflughafen mit durchgehend aufgegebenem Gepäck, der Aushändigung des Boardingpasses beim ersten Start sowie vollständigen Reiseschutz im Falle von Verspätungen und Flugausfällen anbieten.
 

Keine Alternativen erkennbar

Es ließe sich einwenden, dass Condor selbst für die Zubringerflüge Sorge tragen soll. Das verhindern allerdings einige Besonderheiten der Branche: Wie das Bundeskartellamt mitteilt, sind an zentralen Drehkreuzen wie Frankfurt am Main gar keine Slots verfügbar, um ein solches fortan selbst einzurichten. Auch der Verweis auf Eisenbahn und Fernbus schlägt fehl: Passagiere der Condor wohnen durchschnittlich mindestens 300 Kilometer vom jeweiligen Abflughafen entfernt. Condor stünde mit Wegfall der Vereinbarung vor dem riesigen Problem, keine auch nur annähernd gleichwertige Transportmöglichkeit für die eigenen Zubringerpassagiere zu haben. Schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für das Unternehmen und den Wettbewerb wären die Folge.
 

Alleinstellung für die Lufthansa

Und: Auf circa 90 Umsteigeverbindungen zu touristischen Zielen – so das Bundeskartellamt – könnte die Lufthansa als aktuelle oder als potenzielle Wettbewerberin erhebliche Wettbewerbsvorteile – mitunter sogar eine Alleinstellung erlangen. „Nach unserem vorläufigen Prüfergebnis ist die Lufthansa-Gruppe auf dem Zubringermarkt, der überwiegend deutsche Flughäfen mit dem Langstreckennetz der Condor verbindet, marktbeherrschend“, sagt Bundeskartellamts-Chef Andreas Mundt. „Keine andere Fluggesellschaft kann über Einzelflüge hinaus eine Zubringung zu den bedeutenden deutschen Drehkreuzen Frankfurt, München und Düsseldorf anbieten.“
 

Nun Stellungnahmen erwartet

Das Bundeskartellamt sieht darüber hinaus weitere unzulässige Beschränkungen – so etwa eine Verknappung von Buchungsklassen, einen nicht-diskriminierungsfreien Zugang zu den Platzkapazitäten auf den Zubringerflügen und eine Einschränkung der Preissetzungsmöglichkeiten für Condor. Nach der Bekanntgabe des vorläufigen Prüfungsergebnisses haben beide Airlines nun Gelegenheit zur Stellungnahme.Bildnachweise: © IMAGO / Rüdiger Wölk

Beitrag von Alexander Pradka

Dies könnte Sie auch interessieren

240423_News_Scraping_OLG OD_US_markus-spiske-Skf7HxARcoc-unsplash
Scraping: Schadenersatz nicht allein wegen Datenleck
Nicht allen Nutzern und Nutzerinnen von Facebook steht ein Schadensersatzanspruch zu, wenn diese von einem Datenleck betroffen sind. Der mit dem Thema...
240418_News_Wettbewerbsrecht_Verjährung_US_omar-al-ghosson-Wkut4zCLCgs-unsplash
EU
Ab wann die Verjährungsfrist im europäischen Wettbewerbsrecht läuft
Die Verjährungsfrist für Schadensersatzklagen wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union beginnt erst dann, wenn der...
June 24, 2021: En la comuna 13 se populariza cafe con la imagen de Pablo Escobar
„Pablo Escobar“ kann in der EU nicht als Marke eingetragen werden
Das Europäische Gericht (EuG) hat eine Entscheidung des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) bestätigt, nachdem der Name „Pablo...