Aus Italien stammt ein Fall, den nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) per Urteil entschieden hat: Die Firma Unilever verfügt dort über ein Netz von unabhängigen Vertriebshändlern, die wiederum lokalen Verkaufsstellen Speiseeis liefern, das außer Haus zu konsumieren ist. Im Rahmen dieses Vertriebs greifen Ausschließlichkeitsklauseln. Die italienische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato, kurz AGCM, sah darin eine Unilever zuzurechnende Praxis, mit der die Konkurrenz der Möglichkeit beraubt wurde, in den Wettbewerb zu treten. Sie verhängte gegen Unilever wegen des Verstoßes gegen Art. 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine Geldbuße in Höhe von gut 60,5 Millionen Euro. Dagegen wehrte sich Unilever unter anderem mit der Vorlage von wirtschaftlichen Analysen, die belegen sollten, dass die in Abrede stehende Vorgehensweise keine Verdrängungswirkung entfalten. Diese prüfte die AGCM ausdrücklich nicht. Unilevers Klage blieb in erster Instanz erfolglos.
Ausschließlichkeitsklausel und Missbrauch
Der nun mit dem Fall befasste Consiglio di Stato (italienischer Staatsrat) legte dem EuGH Fragen nach der Auslegung und Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union im Zusammenhang mit der Entscheidung der AGCM vor. Dieser hat zunächst entschieden, dass das Verhalten der Vertriebshändler Unilever zugerechnet werden kann. Da Unilever seinen Geschäftspartnern Standardverträge für die Geschäftsbeziehungen zu den lokalen Händlern zur Verfügung gestellt hat, handelt es sich um eine vom Hersteller beschlossene Politik, die die Vertriebshändler quasi als Instrumente zur territorialen Verbreitung lediglich umsetzen. Der EuGH führt sodann aus, dass Klauseln, mit denen sich Vertragspartner verpflichten, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben bei einem Unternehmen in beherrschender Stellung zu beziehen, „naturgemäß“ die Ausnutzung einer solchen Stellung darstellen.
Pflicht zur Beweisprüfung
Aber: Legt das marktbeherrschende Unternehmen Beweise vor, die belegen sollen, dass kein Missbrauch in Form von Verdrängung gegeben ist, dann muss die mit der Entscheidung betraute Wettbewerbsbehörde diese auch prüfen. Sie muss zwar wiederum nicht nachweisen, dass ein Verhalten tatsächlich wettbewerbswidrig war, sondern nur, dass es in der Lage war, den Leistungswettbewerb zu beschränken oder ganz auszuschließen. Dieser Nachweis muss laut EuGH grundsätzlich auf greifbare Beweise gestützt sein, die, indem sie über eine bloße Annahme hinausgehen, die tatsächliche Eignung der in Rede stehenden Praxis zeigen.
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