In dem Rechtsstreit geht es um Googles Praktiken im Zusammenhang mit den Google Automotive Services (GAS). Dazu gehören der Kartendienst Google Maps, eine Version des App-Stores Google Play und der Sprachassistent Google Assistant. Die Dienste bietet Google Fahrzeugherstellern als Dienste an. Das aber nur als gesamtes Bündel, zudem macht der Digitalkonzern den Nutzern nach Auffassung des Bundeskartellamts weitere Vorgaben für die Präsentation in ihrem Infotainmentsystem. Ziel: Diese sollen bevorzugt zur Anwendung kommen. Im Rahmen einer Überprüfung kam das Bundeskartellamt zu der Einschätzung, dass Google mit diesem Vorgehen mehrere Tatbestände des § 19a Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) erfüllt. Ist das der Fall, können Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung gemäß § 19a Abs. 1 GWB verpflichtet werden, diese Praktiken zu beenden, sofern sie nicht sachlich gerechtfertigt sind. Im Juni des vergangenen Jahres teilte das Bundeskartellamt Google Germany und dem Mutterkonzern Alphabet Incorporated diese vorläufige Einschätzung mit. Die Bundesbehörde möchte diese Einschätzung gegenüber dem Kartenspezialisten TomTom und dem Sprachassistent-Dienstleister Cerence offenlegen, wobei Teile der Dokumente geschwärzt werden sollen. Sie sollen Gelegenheit bekommen, sich zu den wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu äußern.
Geschäftsgeheimnis und Sachaufklärungsinteresse
Gegen die Offenlegung im Einzelnen bezeichneter Textpassagen hatte Google beim Bundeskartellamt Beschwerde eingelegt. Diese wies die Bundesbehörde zurück und legte den Sachverhalt dem BGH zur Entscheidung vor. Bereits vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof hatten sich das Bundeskartellamt und Google hinsichtlich einiger Textpassagen geeinigt, weitere Zugeständnisse kamen während der mündlichen Verhandlung hinzu. Google vertritt die Ansicht, dass es sich bei den weiterzugebenden Informationen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handelt und die vorgeschlagenen Schwärzungen unzureichend sind. Der Argumentation folgte der BGH nicht; das Gericht verneinte bis auf eine Ausnahme die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis beziehungsweise betonte das besondere Sachaufklärungsinteresse des Bundeskartellamts.
Voraussetzungen für Offenlegung
Wie der BGH in der Begründung zu seinem Beschluss ausführt, kommt eine Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber am Verfahren beteiligten Wettbewerbern zu Ermittlungszwecken sowie zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte in Betracht, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird. Dabei müsse die Offenlegung gegenüber den Wettbewerbern zur Sachaufklärung geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Sie ist dann angemessen, wenn das Sachaufklärungsinteresse der Bundesbehörde das Interesse an der Wahrung der grundrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse überwiegt. Es sei zu ermitteln, welches Gewicht den konkreten Nachteilen, die durch die Offenlegung drohen, und dem Sachaufklärungsinteresse jeweils zukommt. Nicht zuletzt müsse auch das Interesse des Bundeskartellamts und der am Verfahren beteiligten Wettbewerber an der Wahrung rechtlichen Gehörs Berücksichtigung finden. § 19a GWB gewährt dem Bundeskartellamt Befugnisse im Rahmen der sogenannten erweiterten Missbrauchsaufsicht über große Digitalkonzerne. In einem zweistufigen Verfahren kann es Unternehmen mit einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen. Diese Bedeutung hatte das Bundeskartellamt bereits Ende 2021 für Google bejaht und in der Folge diverse Verfahren gegen den Digitalkonzern angestrengt.
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