Unternehmen können Tragen religiöser Symbole untersagen

Es liegt keine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn ein Unternehmen allgemein und unterschiedslos allen Arbeitnehmenden das sichtbare Tragen religiöser, weltanschaulicher oder spiritueller Zeichen untersagt, so der Europäische Gerichtshof. Mittelbar ist eine Ungleichbehandlung allerdings denkbar, wenn eine Verpflichtung „in besonderer Weise benachteiligt“.
vom 18. Oktober 2022
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Eine Muslimin bewarb sich initiativ und letztlich ohne Erfolg bei der Societe du Logement Grace-Hollogne Scrl in Belgien um einen Praktikumsplatz. Das Unternehmen vermietet Sozialwohnungen und bietet Immobilienservices an. In einem Gespräch teilte die Bewerberin mit, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit nicht abnehmen werde. In dem Betrieb gilt eine strenge Neutralitätsregel, die niemandem erlaubt, Zeichen religiöser, weltanschaulicher und spiritueller Zeichen zur Schau zu tragen. Sie schlug dann vor, dass sie eine andere Kopfbedeckung tragen könne. Darauf erhielt sie die Antwort, dass in den Geschäftsräumen von S.C.R.L keine Kopfbedeckung erlaubt sei, also auch keine Mütze oder Kappe. Die Bewerberin zeigte eine Diskriminierung bei der in Belgien dafür zuständigen Stelle an und erhob beim französischsprachigen Arbeitsgericht in Brüssel Unterlassungsklage.

Belgisches Arbeitsgericht wendet sich an den EuGH

Sie rügt, dass das Nichtzustandekommen des Praktikumsvertrages unmittelbar oder mittelbar auf ihrer religiösen Überzeugung beruht. Damit verstoße das Sozialwohnungsunternehmen gegen die Bestimmungen des allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes. Das Arbeitsgericht hat den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt und möchte zum einen wissen, ob die in der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verwendeten Begriffe „Religion“ und „Weltanschauung“ als verschiedene Merkmale oder lediglich als zwei Facetten desselben Merkmals anzusehen sind. Zum anderen steht die Frage im Raum, ob das in Frage stehende Verbot des Unternehmens eine unmittelbare Diskriminierung aus religiösen Gründen darstellt.

Wenn es für alle gilt: Keine unmittelbare Diskriminierung

Der EuGH legt Artikel 1 der Richtlinie 2000/78 dahingehend aus, dass es sich um einen Diskriminierungsgrund handelt, der religiöse, weltanschauliche und spirituelle Motive umfasst. Eine unmittelbare Diskriminierung sieht das Gericht in der internen Anordnung der Societe du Logement nicht, solange sie eben allgemein und unterschiedslos Anwendung findet. Dann liegt keine Ungleichbehandlung vor. Eine mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung will der EuGH aber nicht ausschließen: Die kann dann vorliegen, wenn sich erweist, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung tatsächlich dazu führt, dass Personen einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden. Das müsse das Arbeitsgericht ermitteln.

Eine mittelbare Ungleichbehandlung bleibt denkbar

Der EuGH weist in seinem Urteil auf die Prüfungsparameter hin: Es ist zu fragen, ob die interne Anordnung ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und ob sie zur Erreichung ein angemessenes und verhältnismäßiges Mittel darstellt. Der bloße Wille eines Arbeitgebers, Neutralitätspolitik zu betreiben, reicht dem EuGH dafür nicht. Eine sachliche Rechtfertigung setze voraus, dass ein „wirkliches Bedürfnis“ des Betriebes vorhanden ist. Dieses muss er dann auch darlegen und nachweisen. Im Rahmen der Prüfung ist es einem nationalen Gericht möglich, Religion und Weltanschauung eine höhere Bedeutung beizumessen als der unternehmerischen Freiheit. Dem stehe das Unionsrecht nicht entgegen.

Copyright: Imago /UIG

Beitrag von Alexander Pradka

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