Laut eigenen Angaben hat das Bundeskartellamt sämtliche in Deutschland im Bereich der Herstellung von Kraftstoffen in Raffinerien tätigen Unternehmen befragt. Anlass für die Untersuchungen gab die nachhaltige Entkopplung der Tankstellenpreise von der Entwicklung der Rohölpreise in der Zeit nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Gegenstand des Berichts sind die maßgeblichen produktions- und kostenrelevanten Rahmenbedingungen, Informationen zur Kapazitätsentwicklung und Auslastung der Raffinerien sowie zur Beschaffung von Rohöl. Untersucht wurden Logistik-, Vertriebs- und Kundenstrukturen sowie Preisbildungsmechanismen und Vertragsstrukturen. Jetzt will die Behörde die Ermittlungen auf die Wettbewerbsverhältnisse beim Absatz von Kraftstoffen auf der Großhandelsebene ausdehnen.
Anfangsverdacht auf kartellrechtswidriges Verhalten liegt nicht vor
Die Entkopplung lasse sich nicht allein auf Kostensteigerungen zurückführen, teilt das Bundeskartellamt mit. Dem widerspreche, dass die meisten Mineralölkonzerne nach Beginn des Krieges mit ihren Raffinerien sehr große Gewinne erwirtschaftet haben. „Wir sehen nach wie vor strukturelle Probleme im Markt, wie zum Beispiel die Tatsache, dass viele Gesellschaften vom Bohrloch bis zum Zapfhahn auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette aktiv sind und dass eine hohe Markttransparenz auch auf der Raffinerie- und Großhandelsebene existiert“, betont Kartellamtschef Andreas Mundt. „Nach geltender Rechtslage können wir aber nur einschreiten, wenn ein Anfangsverdacht auf ein kartellrechtswidriges Verhalten vorliegt.“ Das sei aber nach aktuellem Stand nicht der Fall.
Hohe Hürden für Feststellung missbräuchlich erhöhter Preise
Ein verbotener Missbrauch von Marktmacht komme nur in Betracht, wenn die Unternehmen tatsächlich marktbeherrschend sind, also keinem Wettbewerb ausgesetzt. Auf der Raffinerie- und Großhandelsebene gäbe es eine Vielzahl von unterschiedlichen Playern. Und: Selbst wenn das Bundeskartellamt eine kartellrechtlich relevante Marktbeherrschung feststellen würde, wären die gesetzlichen Hürden für die Feststellung missbräuchlich erhöhter Preise „außerordentlich hoch“, heißt es aus Bonn. Ein Preis sei nur dann missbräuchlich im Sinne des Kartellrechts, wenn er gegenüber einem Preis, der sich bei ernsthaftem Wettbewerb eingestellt hätte, „erheblich überhöht“ wäre. Das hieße, alle anderen den Preis beeinflussenden Faktoren, zu denen Kosten und krisenbedingte Knappheitseffekte gehören, müssten erfasst und berücksichtigt werden. Vor Gericht müsste außerdem eine belastbare Prognose eines niedrigeren Preises gestellt werden – und sei es auch nur hypothetisch.
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