EuGH: Arbeitgeber können Tragen religiöser Zeichen verbieten

Mit Spannung wurde das Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs erwartet, in dem es um die Frage ging, ob ein Arbeitgeber seinen Angestellten das Tragen sichtbarer Zeichen eigener Überzeugungen verbieten kann.
vom 16. Juli 2021
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EuGH: Arbeitgeber können Tragen religiöser Zeichen verbieten

Mit Spannung wurde das Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs erwartet, in dem es um die Frage ging, ob ein Arbeitgeber seinen Angestellten das Tragen sichtbarer Zeichen eigener Überzeugungen verbieten kann. Zwar nennt der EuGH klare Voraussetzungen. Er lässt aber auch viel Interpretationsspielraum zu.
Gemeint sind damit grundsätzlich Ausdrucksformen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen. In der Praxis spielen insbesondere die sichtbaren Zeichen letztgenannter Anschauungen eine Rolle. So auch in den beiden Fällen, in denen sich deutsche Gerichte wieder einmal mit arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen zum Tragen eines islamischen Kopftuches am Arbeitsplatz zu beschäftigen hatten. Beide Gerichte baten den Europäischen Gerichtshof um Klärung der Frage, ob ein Arbeitgeber mittels interner Regelung Arbeitnehmern untersagen kann, solche Ausdrucksformen sichtbar am Arbeitsplatz zur Schau zu stellen.
 

Unmittelbare und mittelbare Diskriminierung

Die Antwort lautet: Ja, er kann. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, die der EuGH teils näher erläutert, teils etwas schwammig und interpretierungsbedürftig hält. Die erste Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber generell alle sichtbaren Ausdrucksformen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art verbietet und sich nicht auf einzelne beschränkt. Nur im ersten Fall würden nämlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht unmittelbar diskriminiert. Beschränkt der Betrieb das Verbot – etwa auf auffällige, großflächige Zeichen, also beispielsweise das -, lässt sich das nicht rechtfertigen.
 

Wirkliches Bedürfnis des Arbeitgebers

Nach Ansicht des EuGH sprechen wir beim generellen Verbot von einer so genannten „mittelbaren“ Ungleichbehandlung, die sich seitens des Arbeitgebers rechtswirksam begründen lässt. Der bloße Wille, im Verhältnis zu den Kunden oder Geschäftspartnern eine Politik der politischen, weltanschaulichen oder religiösen Neutralität zum Ausdruck zu bringen, reicht dabei allerdings nicht aus. Da wären dem EuGH wohl doch zu viele Türen in Räume der Willkür geöffnet geblieben. Sachlich rechtfertigen lässt sich danach die Ungleichbehandlung nur dann, wenn objektiv ein wirkliches Bedürfnis des Arbeitgebers vorliegt.
 

Vieles bleibt offen

LDer Gerichtshof führt dazu aus, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass ohne eine solche Politik der Neutralität „seine unternehmerische Freiheit“ beeinträchtigt wäre, weil er „angesichts der Art seiner Tätigkeit oder des Umfelds, in dem diese ausgeübt wird, nachteilige Konsequenzen zu tragen hätte.“ Auch wenn der EuGH Beispiele nennt, etwa dahingehend, dass Rechte und berechtigte Erwartungen der jeweiligen Zielgruppe einer Tätigkeit oder auch die Vermeidung sozialer Konflikte eine solche Maßnahme rechtfertigen, verpasst er doch die Gelegenheit, klarere Definitionen in das Urteil zu schreiben. Oder er vermeidet das bewusst – und überlässt dementsprechend die Abwägung der Interessen den nationalen Gerichten. Dabei verweist der EuGH ausdrücklich darauf, dass nationale Vorschriften, die zum Beispiel die Religionsfreiheit schützen, als „günstigere“ Vorschriften, berücksichtigt werden dürfen. Einerseits ist es also gut, dass Grundlagen für die Rechtfertigung von Maßnahmen seitens der Arbeitgeber geschaffen sind. Andererseits bleibt doch wieder Raum für neue Verfahren, in denen sich die Beteiligten um die Rechtsauslegung streiten.Bildnachweise: © imago images / Becker&Bredel

Beitrag von Alexander Pradka

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