Bestehende Strukturen nutzen

Deutschland hat den traurigen Ruf, ein Geldwäscheparadies zu sein. Rund 100 bis 150 Milliarden Euro werden diversen Studien zufolge in der Bundesrepublik jedes Jahr „gewaschen“. Bundesfinanzminister Christian Lindner holt zum großen Schlag aus und will Kompetenzen in einer neu zu errichtenden Bundesbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität bündeln.
vom 15. September 2023
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Der Plan ist Bestandteil des Referentenentwurfes für ein Gesetz zur Bekämpfung der Finanzkriminalität. Das neue „Bundesfinanzkriminalamt“ soll auf drei Säulen stehen: Geplant ist ein Ermittlungszentrum Geldwäsche (EZG), das erst eingerichtet werden muss. Außerdem sollen künftig die Financial Intelligence Unit (FIU) und die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (ZfS) unter dem Dach der neuen Bundesbehörde agieren. 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für die geplanten Standorte in Köln und Dresden vorgesehen, rund 700 Millionen Euro soll das Vorhaben kosten. Der Startschuss für den Aufbau der Behörde soll am 1. Januar 2024 fallen, 2025 soll die Integration der FIU und der ZfS folgen. Das neue EZG soll gezielt komplexe Fälle von Finanzkriminalität aufklären. Es folgt dabei dem „Follow-the-money“-Ansatz und konzentriert sich auf illegale Finanzströme.

In Planung sind außerdem eine „administrative Vermögensermittlung“ sowie ein „Immobilientransaktionsregister“. Das BMF will außerdem die Ausbildung „hochqualifizierter“ Finanzermittlerinnen und Finanzermittler vorantreiben. Dass in der Bundesrepublik im Hinblick auf die Bekämpfung der Geldwäsche etwas geschehen muss, ist unbestritten. Vor einem Jahr hatte die Financial Action Task Force (FATF) nach zweijähriger Prüfung Deutschland ein mittelmäßiges Zeugnis ausgestellt. Sie sah Verbesserungspotenzial unter anderem bei der Effizienz der Ermittlungstätigkeit und bei Koordinierung und Aufsicht auf dem Nichtfinanzsektor. Dazu kommt: In Deutschland bleiben viel zu viele Verdachtsmeldungen unbearbeitet. So sind bei der FIU zwischen Januar 2020 und September 2022 rund 100.000 von ihnen liegen geblieben. Grund dafür waren in erster Linie Gesetzesänderungen beim Geldwäschetatbestand, die eine Meldung jedes noch so kleinen Verdachts bewirkten.

Die Bündelung von Kompetenzen an einer zentralen Stelle und die damit einhergehende effizientere Steuerung der Ermittlungstätigkeit ist grundsätzlich eine angemessene Reaktion auf den Status quo. Auch der „Follow-the-Money“-Ansatz ist zu begrüßen. Dieser richtet den Fokus viel stärker auf die Geldwäsche selbst und die „Hintermänner“. Bisher konzentrieren sich die Ermittlungen hauptsächlich auf die Vortaten, also beispielsweise Drogendelikte, Betrug oder Menschenhandel. Es gibt aber auch eine Reihe von Kritikpunkten an dem Vorhaben. Die Kosten sind hoch, und der Aufbau der Behörde wird sehr viel Zeit beanspruchen. Zeit, die angesichts „paradiesischer“ Zustände für die Geldwäsche nicht zur Verfügung steht. Es ist außerdem noch nicht klar, wie sich in Zukunft die Zuständigkeiten aufteilen ließen, diejenigen des Bundes­kriminalamtes, des Zollfahndungsdienstes und der Staatsanwaltschaften der Länder sollen nämlich bestehen bleiben. Fast schon aussichtslos wird das Unterfangen, wenn die Rede auf das für eine neue Behörde erforderliche Personal kommt. Der Fachkräftemangel ist heute schon eklatant. Hochqualifizierte Spezialisten dürften sich in der Mehrzahl angesichts höherer Gehaltsmöglichkeiten eher für die Privatwirtschaft entscheiden. Wie vorgeschlagen selbst auszubilden, bringt neben der Frage, aus welchem Pool rekrutiert werden soll, umgehend wieder den Zeitfaktor auf den Plan.

Insofern wäre es besser, auf vorhandene Strukturen zu setzen und daraus das neue „Bundesfinanzkriminalamt“ zu entwickeln – zum Beispiel aus dem Zollkriminalamt. Aus der FIU ließe sich ebenfalls eine selbstständige und dann wieder funktionstüchtige Behörde machen. Diese sollte keinesfalls wie ebenfalls im Gesetzesentwurf vorgeschlagen „risikobasiert“ tätig sein. Da wäre zur Entlastung eher die Einführung einer Bagatellgrenze sinnvoll. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist der zügige Ausbau von Technik und IT. Digitalisierung, Vernetzung, einheitliche Datenstrukturen und der Einsatz von KI legen die Basis für die organisationsübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit – und geben auch eine raschere Antwort auf den Fachkräftemangel. Diesbezüglich hat die Bundesrepublik großen Nachholbedarf.

Ihr Alexander Pradka

Leitender Redakteur In-house Counsel

alexander.pradka@diruj.de

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