Offene Videoüberwachung: Kein Verwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Ergebnisse aus einer offenen Videoüberwachung auf einem Werksgelände nicht per se dem Verwertungsverbot unterliegen. Das soll selbst dann der Fall sein, wenn die Maßnahme nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzes stehen.
vom 20. Juli 2023
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Eine Gießerei hatte nach vermehrten anonymen Hinweisen auf Arbeitszeitbetrug eine Überwachungskamera an einem Ein- und Ausgangstor des Betriebsgeländes angebracht, die nicht zu übersehen war. Außerdem wies ein Piktogramm auf die Kamera hin. Aufzeichnungen dieses Gerätes hatten ergeben, dass ein in der Gießerei beschäftigter Teamsprecher an einem Tag das Werksgelände zwar betreten, aber vor Schichtbeginn auch wieder verlassen hatte, um nicht wieder zurückzukehren. Die Gießerei kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage, behauptete, am streitgegenständlichen Tag gearbeitet zu haben und berief sich im Hinblick auf die Aufzeichnungen der Überwachungskamera auf ein Beweisverwertungsverbot. Die Vorinstanzen hatten seiner Klage stattgegeben, die Revision seitens der Arbeitgeberin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte hingegen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen muss nun neu entscheiden.

Vorsätzlich vertragswidriges Verhalten

Wie das BAG ausführt, hätte dieses nicht nur das Vorbringen der Gießerei berücksichtigen müssen, sondern gegebenenfalls die betreffende Bildsequenz aus der Überwachung in Augenschein nehmen müssen. Dies folge aus den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts sowie des nationalen Verfahrens- und Verfassungsrechts. Wichtig ist der Hinweis: Ob die Überwachung tatsächlich in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes beziehungsweise der Datenschutz-Grundverordnung entspricht, spielt in so einem Fall keine Rolle. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, wäre die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Gerichte für Arbeitssachen nicht von vorneherein ausgeschlossen. Das gelte jedenfalls dann, wenn die Überwachung und Datenerhebung offen erfolgt und ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten von Arbeitnehmern in Frage steht. Die Frage, ob ausnahmsweise aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliche Pflichtverstöße in Betracht kommt, wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt, ließ das BAG offen. Eine solche sei hier nicht anzunehmen.  

 

 Copyright Bild:  Unsplash, Tobias Tullius

Beitrag von Alexander Pradka

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