Deckt die Pressefreiheit Weitergabe von Insiderinformationen seitens eines Journalisten?Ein Journalist veröffentlicht auf der Webseite der Daily Mail zwei Artikel. Sie drehen sich um Gerüchte über die Abgabe öffentlicher Kaufangebote für Aktien von Hermès sowie Maurel & Prom. Das Problem: Die in den Beiträgen genannten Preise lagen deutlich über den Kursen der Aktien auf Euronext. Und der Journalist hatte die Artikel an in Großbritannien ansässige Personen verschickt – vor Veröffentlichung.
Was dann passierte, ist leicht vorstellbar: Die Personen, die über die Informationen verfügten, gaben kurz vor Veröffentlichung der journalistischen Beiträge Kaufangebote ab und verkauften die Papiere unmittelbar nach Erscheinen der Artikel wieder. Das flog allerdings auf und die französische Finanzmarktaufsichtsbehörde verhängte gegen den Journalisten eine Geldbuße in Höhe von 40.000 Euro. Der Vorwurf ist klar: Er habe einem bestimmten Personenkreis gegenüber „Insiderinformationen“ offengelegt.
Insiderinformation – ja oder nein?
Den Europäischen Gerichtshof ereilt nun der Ruf des Pariser Berufungsgerichts, das über die Nichtigkeitsklage entscheiden soll. Er soll eine Vorabentscheidung darüber treffen, ob die Information über die bevorstehende Veröffentlichung der Presseartikel, in dem der Autor Marktgerüchte thematisiert, tatsächlich als – verbotene – Insiderinformation anzusehen ist und ob es im besonderen journalistischen Kontext Ausnahmen von diesem Verbot geben kann. Der EuGH sagt nun, dass es sich um eine „präzise“ beziehungsweise Insiderinformation handelt, wenn diese den Preis, den der Markt für die Wertpapiere zahlen soll, den Namen des Journalisten und das Presseorgan nennt. Das wäre hier der Fall.
Rechtfertigung der Weitergabe?
Dann stellt sich die Folgefrage, ob die Weitergabe von Insiderinformationen für journalistische Zwecke im Rahmen der Pressefreiheit und der freien Meinungsäußerung gerechtfertigt sein kann. Das Gericht konstatiert, dass Journalisten Untersuchungstätigkeiten vornehmen, um den Wahrheitsgehalt von Gerüchten zu überprüfen. Allerdings sei die Offenlegung von Insiderinformationen seitens eines Journalisten nur dann rechtmäßig, wenn sie zur Ausübung des Berufes erforderlich ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.
Was muss das Berufungsgericht entscheiden?
Das Pariser Gericht muss nun feststellen, ob es wirklich notwendig war, dass der Journalist zur Prüfung des Wahrheitsgehalts von Marktgerüchten Artikel gegenüber Dritten vorab offenlegt. Außerdem muss es laut EuGH darauf eingehen, ob die Einschränkung der Pressefreiheit – zu der das Verbot der Offenlegung führen würde – außer Verhältnis zu dem Schaden steht, den die Vorabveröffentlichung nicht nur privaten Anlegern, sondern der Integrität der Finanzmärkte entstehen könnte.
(EuGH, C-302/20)Bildnachweise: © Unsplash / Kristina Flour