Die Bundesregierung macht mit dem Vorhaben auch ihr im Vorjahr gegebenes Versprechen wahr, sich für eine Stärkung des Gerichtsstandortes Deutschland einzusetzen. Dieses gab sie seinerzeit als Antwort auf einen – konkret den zweiten – entsprechenden Vorstoß des Bundesrates, der bereits 2021 den Entwurf zu einem „Gesetz zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten“ vorgelegt hatte. Was will die Bundesregierung erreichen? Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann beantwortet die Frage so: „Deutschland ist mit seiner starken Exportkraft ein international führender Wirtschaftsstandort. Mit der Möglichkeit zur Einführung der Commercial Courts wollen wir auch den Justizstandort Deutschland international stärken. Denn in Zeiten von globalen Lieferketten und internationalem Warenverkehr kommt es immer häufiger auch zu grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, die auf eine schnelle und professionelle Klärung angewiesen sind.“
Ganz unabhängig davon, ob die die deutsche Justiz tatsächlich so schnell wie gewünscht in den Wettbewerb mit anerkannten ausländischen Handelsgerichten und der Schiedsgerichtsbarkeit treten kann – der insbesondere aus dem Verwaltungsrecht bekannte juristische Grundsatz „bekannt und bewährt“ dürfte auch in diesem Bereich noch eine Weile Gültigkeit haben–, ist die Einführung so genannter „Commercial Courts“ in Deutschland eine gute und wichtige Entscheidung. Bundesländer könnten künftig bestimmte Handelsstreitigkeiten an ausgewählten Landgerichten umfassend in englischer Sprache durchführen lassen. Das betrifft das gesamte Verfahren ab Klageeinreichung. Die Voraussetzungen sind nicht allzu hochgesteckt: Die Parteien müssen sich darüber einig sein und es muss einen sachlichen Grund für die Wahl der englischen Sprache geben, was bei Verfahren mit internationalem Bezug wohl regelmäßig der Fall sein dürfte. Bei Englisch bleibt es dann sinnvollerweise auch im gesamten Instanzenzug, etwa in der Berufung oder bei Beschwerden gegen landgerichtliche Entscheidungen. Für größere und große Handelssachen ab einem Streitwert von einer Million Euro soll es künftig sogar Commercial Courts an den Oberlandesgerichten geben, die erstinstanzlich angerufen werden können. Auf diese Weise lassen sich Wirtschaftsstreitigkeiten mit internationalem Bezug beschleunigen, auch dies wird Unternehmen erleichtern. Für die Verfahren vor den Oberlandesgerichten soll außerdem die Erstellung eines Wortprotokolls möglich sein, das die Parteien bereits in der Verhandlung mitlesen können. Damit hat Regierung ein Plus der Schiedsgerichtsbarkeit in das Verfahren integriert. Positiv zu bewerten ist, dass die Bundesregierung weitere Elemente mit ihrem Vorhaben verknüpft: Ebenfalls der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens dient die Flexibilisierung des Zivilprozesses mittels Videoverhandlungen und -beweisaufnahmen. Damit greift die Justiz weltweit längst gängige Methoden im Bereich der Verhandlungen zwischen mehreren Parteien auf. Last but not least wird auch die Ausweitung des Schutzes der Geschäftsgeheimnisse auf den gesamten Zivilprozess und damit auf den Zeitpunkt der Klageerhebung die Wahl der deutschen Gerichtsbarkeit attraktiver machen.
Der größte Vorteil eines Commercial Court liegt in dessen Kompetenz. Wenn gewährleistet ist, dass hier hochspezialisierte Richterinnen und Richter, die über das notwendige wirtschaftliche Fachwissen und exzellente englische Sprachkenntnisse verfügen, am Werke sind, kann dies einer auf den internationalen Handel angewiesenen und auf den Export komplexer Produkte konzentrierten Wirtschaftsnation nur zum Vorteil gereichen. Hier liegt allerdings auch die größte Herausforderung für die erfolgreiche Umsetzung der Courts in die Praxis: Wir leben in einer Zeit des Fachkräftemangels, der längst auch in der juristischen Berufswelt angekommen ist. Um für die personelle Ausstattung der neuen Commercial Courts die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, muss auch das Angebot entsprechend attraktiv gestaltet sein.
Alexander Pradka