Raus aus dem Risiko bei Transaktionen
Der Abschluss so genannter W&I-Versicherungen beim Unternehmensverkauf setzt sich auch in Deutschland immer mehr durch. Mit diesen können unbekannte Risiken aus der Verletzung von Gewährleistungen (Warranties) und Freistellungen (Indemnities) optimal abgesichert werden. Die Corona-Pandemie dürfte die Nachfrage beflügeln.
Die bis Ende April verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dürfte dazu führen, dass etliche Unternehmen im zweiten Halbjahr aufgrund ihrer angespannten finanziellen Situation neue Käufer suchen müssen oder aus der Insolvenz heraus erworben werden. Schwierigkeiten bereiten bei derartigen „Distressed M&A“-Transaktionen wiederholt die Haftungsfragen; die Verkäufer erzielten meist einen geringeren als den üblichen Kaufpreis.
W&I-Versicherung minimiert Haftung
Ihre Bereitschaft, Haftung für den Kaufgegenstand zu übernehmen, sinkt entsprechend. Hier können Versicherungslösungen helfen, die einerseits dem Bedürfnis des Käufers nach Absicherung gerecht werden und es andererseits ermöglichen, die Haftung der Verkäufer auf ein Minimum zu reduzieren. Gemeint sind die im angelsächsischen Markt entwickelten Warranty- und Indemnity-Versicherungen, kurz W&I-Versicherungen.
Ausgleich gegenläufiger Interessen
„Typischerweise haften Verkäufer bei Unternehmenstransaktionen nur im Rahmen der ausdrücklich vereinbarten Garantien“, berichtet Rechtsanwalt Dr. Kai Wallisch. Er ist bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland in Stuttgart auf M&A-Transaktionen spezialisierte.
Sind die Verkäufer allerdings nicht bereit, eine für den Käufer ausreichende Haftung unter dem Unternehmenskaufvertrag zu übernehmen, besteht ein Zielkonflikt mit dem Absicherungsbedürfnis des Käufers. W&I-Versicherungen können die gegenläufigen Interessen der Parteien zu einem praktischen Ausgleich zu bringen.
Viele Risiken so nicht versicherbar
Eine W&I-Versicherung kann als Käufer- (Vermögens-Eigenschadenversicherung) und als Verkäuferpolice (Vermögensschadenhaftpflichtversicherung) konzipiert werden. Meist aber findet sie sich auf Käuferseite. Typischerweise von ihr ausgenommen sind strafrechtliche Geldbußen und sonstige Strafzahlungen, Wissen und Arglist des Versicherungsnehmers, vom Verkäufer offenbarte Tatsachen sowie die Kaufpreisanpassung betreffende Themen.
Zunehmender Wettbewerb in Europa
Knapp 20 Prozent der Transaktionen in Europa sind nach Analyse der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland derzeit über eine W&I-Versicherung abgesichert. Je größer der Wert des Deals ist, desto wahrscheinlicher werden solche Policen genutzt. Ein vitaler Markt mit zunehmendem Wettbewerb führt aus Sicht von Praktikern zu in der Tendenz sinkenden Prämien und dazu, dass sich die Anbieter stärker auf den Deckungsumfang konzentrieren.
Deckung immer breiter und besser
Mit vermehrter Absicherung von Transaktionen hat auch die Zahl der Schadensmeldungen unter W&I-Policen stetig zugenommen. Meist erfolgen sie innerhalb der ersten zwei Jahre nach Abschluss der Police. Nicht immer und erst recht nicht regelmäßig in vollem Umfang leistet die Versicherung. Deren Deckung wird aber zunehmend breiter und besser, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Ereignis als Schadensfall eingestuft wird.
Corona kein Deckungsausschluss
Seit gut einem halben Jahr werden auch in Deutschland so genannte „Distressed M&A“- (DMA)-Policen angeboten. Der Versicherer wird in diesen Fällen zum Garantiegeber und sichert den Käufer ab, falls etwa die Bilanz nicht korrekt ist oder Rechtsstreitigkeiten bestehen. Grundsätzlich positiv: Einen allgemeinen Deckungsausschluss aufgrund der Corona-Pandemie gibt es weder bei DMA- noch bei W&I-Policen.
Mehr zum Markt der W&I-Versicherungen und den Erfahrungen von Syndizi mit diesen Policen lesen Sie in der Ausgabe 1/21 des unternehmensjurist ab Seite 25.