Vergütung unterhalb des Median-Entgelts begründet Diskriminierung
Zahlt ein Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin weniger Gehalt als vergleichbaren männlichen Kollegen, begründet bereits das die Vermutung, es sei eine Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Fall entschieden (Az.: 8 AZR 488/19). Die Last des Gegenbeweises liege beim Unternehmen.
In einer Versicherung lag das Durchschnittsgehalt der männlichen Abteilungsleiter um acht Prozent höher als das ihrer weiblichen Pendants. Dies ergab im August 2018 die von einer Abteilungsleiterin des Konzerns erbetene Aufklärung nach §§ 10 ff. Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Danach steht Beschäftigten in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Mitarbeitern ein Anspruch auf Auskunft zu Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und des Vergleichsentgelts zu.
Anspruch auf Lohnanpassung nur über den Klageweg
Voraussetzung dafür ist, dass mindestens sechs Arbeitnehmer des anderen Geschlechts die Vergleichstätigkeit ausüben. Das war bei der Versicherung der Fall. Da allerdings aus dem Auskunftsanspruch kein Anspruch auf Lohnanpassung folgt, zog die Abteilungsleiterin vor Gericht. Sie klagte nach § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor dem Arbeitsgericht Göttingen und verlangte von ihrem Arbeitgeber die Zahlung der Differenz für die Monate August 2018 bis Januar 2019.
Bundesarbeitsgericht muss im Rechtsstreit entscheiden
Nachdem die Erstinstanz der Klage stattgab, ging die Versicherung in Berufung und hatte damit vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen Erfolg. Es wies die Klage der Frau ab. Es lägen keine ausreichenden Indizien i.S.v. § 22 AGG vor, die die Vermutung stützten, sie sei wegen ihres Geschlechts schlechter bezahlt worden. Nun ging die Abteilungsleiterin in Revision; das BAG in Erfurt machte sich letztlich ihre Sichtweise zu eigen.
BAG: Klägerin hat unmittelbare Benachteiligung
In einer Pressemitteilung zum Urteil des Achten Senats des BAG heißt es: „Die Klägerin hat gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt war geringer als das der Vergleichsperson gezahlte.“ Entgegen der Annahme der Vorinstanz begründe bereits dieser Umstand die Vermutung der Diskriminierung.
Fall zur erneuten Entscheidung an LAG zurückverwiesen
„Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen konnte der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, diese Vermutung den Vorgaben von § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend widerlegt hat“, führt das BAG weiter aus. Es verwies die Sache daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück nach Niedersachsen. Bildnachweise: © imago images / Christian Ohde