Presserecht: Onlineberichterstattung verlangt schnelle Reaktion der Gerichte

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt in der aktuellen Abweisung zweier Verfassungsbeschwerden, dass Fachgerichte in presserechtlichen Fällen von einer mündlichen Verhandlung absehen können. Diese Sachverhalte seien typischerweise vom Erfordernis einer schnellen Reaktion geprägt. Eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör liegt nicht vor.
vom 27. September 2023
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Ein Online-Nachrichtenportal hatte im Rahmen seiner Berichterstattung schwere Vorwürfe gegen Vorstandsmitglieder eines Vereins erhoben, darunter Veruntreuung, Steuerhinterziehung, unklare Buchführung sowie Überweisungen in die Schweiz. Verein und zwei Vorstandsmitglieder mahnten das Portal daraufhin ab, was zu keinerlei Reaktion führte. Daher entschlossen sich vier Vereinsmitglieder, bei der Pressekammer des Landgerichts Berlin den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. In einem weiteren Verfahren beantragte eines der Vorstandsmitglieder wegen speziell gegen ihn erhobener Vorwürfe ebenfalls den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Gericht entschied in beiden Fällen zugunsten des Vereins und der Vorstandsmitglieder und untersagte die Berichterstattung. Hiergegen legte wiederum das Portal Widerspruch ein. Das Landgericht habe in beiden Fällen gegen den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit verletzt. Im erstgenannten Verfahren sei bereits die Antragsschrift nicht zugeleitet worden, im zweiten sei es zwar zu einer Stellungnahme gekommen, zur nachfolgenden Erwiderung des Vorstandsmitglieds sei das Nachrichtenportal aber nicht mehr angehört worden. Mit der gleichen Begründung legten das Portal und der Textverantwortliche Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht ein.

Unzulässigkeit nicht wegen Nichterschöpfung des Rechtswegs

Dieses verwarf beide als unzulässig – dies aber nicht etwa deshalb, weil der Rechtsweg nicht erschöpft war. Die Beschwerdeführenden hätten in nachvollziehbarer Weise vorgebracht, die von ihnen gerügten Verfahrensfehler seien Ausdruck eines bewussten und systematischen Übergehens ihrer prozessualen Rechte durch die Pressekammer des Landgerichts Berlin. Woran es laut Bundesverfassungsgericht indes mangelt: Sie haben die als Verletzung ihres Rechts auf prozessuale Waffengleichheit beanstandeten Verfahrensfehler nicht nachvollziehbar dargetan. Was die Nichtzuleitung der Antragsschrift angeht, geht aus den Akten ein anderer Sachverhalt hervor: Das Landgericht hatte die formlose Übersendung beglaubigter Abschriften an die Beschwerdeführer zur Stellungnahme binnen dreier Tage verfügt. Diese Verfügung ist auch ausgeführt worden. Was den Vorwurf angeht, zur Erwiderung des Vorstandsvorsitzenden nicht mehr gehört worden zu sein, führt das Bundesverfassungsgericht folgendes aus: Das Grundrecht auf rechtliches Gehör in Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) stellt sicher, dass grundsätzlich zu jeder von einem Gericht zur Entscheidung unterbreiteten Stellungnahme der Gegenseite Gelegenheit zur Äußerung zu gewähren ist. Im vorliegenden Fall hätten die Beschwerdeführer aber nicht dargelegt, welcher der in der Erwiderung des Vorstands vorgetragenen Gesichtspunkte nicht zuvor bereits Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, noch, welchen Gesichtspunkt das Landgericht in seiner angegriffenen Entscheidung verwertet habe, der ihnen zuvor nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.

Presseberichterstattung gebietet schnelle Reaktion

Was den Vorwurf der unterbliebenen mündlichen Verhandlung angeht, weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung begründet. Demgegenüber gestalte § 937 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Frage, ob mündlich zu verhandeln ist, einfachrechtlich aus. Es heißt: „Die Entscheidung kann in dringenden Fällen sowie dann, wenn der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen.“ Das Verfahren betrifft hier eine aktuelle und im Internet abrufbare Berichterstattung. Das begründet eine Dringlichkeit, nach der ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann.  

 

Copyright Bild:   Panthermedia

Beitrag von Alexander Pradka

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