EU-Parlament fordert Grundrecht auf Nichterreichbarkeit

Telearbeit ist während der Corona-Pandemie zum Alltag zahlreicher Europäer geworden. Die Digitalisierung erweist sich in diesem Kontext als Fluch und Segen zugleich, weil sie Arbeitnehmer tendenziell in einen ständigen „Standby“-Modus drängt.
vom 16. Februar 2021
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EU-Parlament fordert Grundrecht auf Nichterreichbarkeit

Telearbeit ist während der Corona-Pandemie zum Alltag zahlreicher Europäer geworden. Die Digitalisierung erweist sich in diesem Kontext als Fluch und Segen zugleich, weil sie Arbeitnehmer tendenziell in einen ständigen „Standby“-Modus drängt. Das EU-Parlament verlangt deshalb ein Recht darauf, nicht rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen.
Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus’ hat dazu geführt, dass mithin fast 30 Prozent mehr Bürger von zuhause aus arbeiten. Zu dieser Einschätzung kommt die Europäische Stiftung Eurofound. Und der Anteil der Telearbeiter dürfte weiter hoch bleiben oder sogar noch steigen. Eine Vielzahl fühlt sich dabei verleitet, ungeachtet vereinbarter Arbeitszeiten dienstbar zu sein. Dabei gilt EU-weit eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden.
 
 

Gefahr der Selbstausbeutung im Homeoffice

Studien von Eurofound haben ergeben: Wer regelmäßig im Homeoffice sitzt, überschreitet diesen Grenzwert mit mehr als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit. Außerdem geben 30 Prozent der Telearbeiter an, mehrmals pro Woche oder sogar täglich auch in ihrer Freizeit zu arbeiten. Bei Arbeitnehmern, die im Büro arbeiten, liegt dieser Wert hingegen bei unter fünf Prozent. Die Nutzung digitaler Hilfsmittel gilt als Hauptgrund für die Selbstausbeutung.
 

Telearbeit mit Risiken und Nebenwirkungen

In einem legislativen Initiativbericht hatte der Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments zuvor zwar die Vorzüge mobilen Arbeitens aufgeführt – unter anderem erhöhte Flexibilität und sinkende Pendelzeiten sowie den wesentlichen Beitrag, in der Coronakrise Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten. Zugleich warnte der Bericht jedoch deutlich vor den Risiken der Telearbeit wie Angstzuständen, Depressionen und Burnout-Erkrankungen.
 

Gesetzgebungsinitiative des EU-Parlaments

Damit Telearbeiter das Recht haben, außerhalb ihrer Arbeitszeit nicht erreichbar zu sein, soll die EU-Kommission eine entsprechende Richtlinie vorschlagen. Das fordert das EU-Parlament in einer aktuellen Gesetzgebungsinitiative, die mit 472 zu 126 Stimmen bei 83 Enthaltungen angenommen wurde. Auch will es Mindestanforderungen für die Telearbeit festlegen und bei Arbeitsbedingungen sowie Arbeits- und Ruhezeiten Klarheit schaffen.
 

Abgeordnete sehen EU-Staaten in der

Die EU-Parlamentarier halten das Recht auf Nichterreichbarkeit für ein Grundrecht, das es Beschäftigten erlaubt, fernab ihrer Arbeitszeit keine arbeitsbezogenen Aufgaben erledigen zu müssen. Das gelte für Telefonate ebenso wie für alle Formen digitaler Kommunikation – auch an Feiertagen und im Urlaub. Die EU-Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass alle Arbeitnehmer dieses Recht tatsächlich in Anspruch nehmen können, so die Forderung.
 

Kommission ist der Forderung nicht abgeneigt

Entsprechendes könnten zum Beispiel die Sozialpartner in Tarifverträgen vereinbaren. Es müsse dabei sichergestellt werden, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht benachteiligen, sie schlechter stellen oder entlassen. Die EU-Kommission unterstützt die Forderung der Parlamentarier. Nicolas Schmit, Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration sieht im Recht abzuschalten, „etwas ganz Normales, denn wir sind keine Roboter“.Bildnachweise: © imago images / Westend61

Beitrag von Alexander Pradka

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