Verbotene Liebe?

Sich im Job zu verlieben, kann schön sein – es birgt aber auch handfeste Konflikte. Gerade wenn die Partner auf unterschiedlichen Hierarchieebenen beschäftigt sind, kann es auch in juristischer Hinsicht kompliziert werden. Was Arbeitgeber und ihre Mitarbeitenden beachten müssen.
vom 13. März 2024
image

„Was ist eigentlich passiert? Zwei Menschen haben sich ineinander verliebt. Und weil diese beiden Menschen dienstlich miteinander zu tun haben, haben sie sich überlegt, das auch öffentlich zu erklären.“ Mit diesen Worten nahm Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) Stellung zu einem Thema, das über die Berliner Landesgrenzen hinaus für Aufregung gesorgt hat: Die Liaison des Bürgermeisters mit seiner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (ebenfalls CDU). „Nach reiflicher Überlegung haben wir uns gesagt: das geht in Berlin im Jahr 2024“, so Wegner. Doch ganz so einfach ist es nicht: In Berlin kamen schnell Fragen nach möglichen Interessenskonflikten auf. Nun ist der Kabinettstisch im Roten Rathaus von Berlin nicht der einzige Ort, an dem sich Menschen, die beruflich miteinander zu tun haben, ineinander verlieben. Je nachdem in welcher beruflichen Beziehung das Liebespaar zueinander steht, kann das allerdings für Probleme sorgen. Das fängt an mit vom Geturtel genervten Kollegen und kann bis zu handfesten arbeitsrechtlichen Konflikten reichen. Gerade wenn es um eine Liebesbeziehung innerhalb eines Teams oder einer Abteilung gehe, „kann das für einen selbst und auch die Kollegen und Vorgesetzten zu einer echten Belastung werden“, sagt der Kölner Psychologe und Buchautor Rolf Schmiel. Denn in einer ersten Phase dreht sich zunächst alles um die neue Liebe. „Für die Kollegen drumherum kann solch ein Turteltäubchen-Verhalten tierisch nervend sein“, so Schmiel. Auch die Effektivität und Qualität im Job können leiden: „Die Hormone spielen verrückt – dann wird es schwer mit guten Arbeitsergebnissen.“ Im Gegensatz zu Phase zwei, der Stabilitätsphase: Denn gutes Teamplay und gegenseitige Unterstützung kann schließlich förderlich am Arbeitsplatz sein und sich auch auf den Workflow positiv auswirken. Leider kommt danach meist die Phase drei – und damit der aus Schmiels Sicht entscheidende Einwand gegen die Kombination von Job und Beziehung: Streitigkeiten und Konflikte blockieren dann nämlich nicht nur die beiden Beteiligten, sondern verschlechtern auch die Laune und Arbeitsabläufe der Kollegen. Doch auch wenn aus arbeits- und organisationspsychologischer Sicht vielleicht manches gegen Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz spricht: In rechtlicher Hinsicht hat der Arbeitgeber hier zunächst einmal wenig zu melden. „Das Verlieben kann nicht verboten werden“, betont Jens Völksen, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Counsel in der Kanzlei Görg in Köln. „Romantische Beziehungen unter Arbeitskollegen werden nach deutschem Arbeitsrecht grundsätzlich dem selbstbestimmten Bereich privater Lebensgestaltung zugeordnet. Sie sind damit im Ausgangspunkt Privatsache, unterliegen keiner Reglementierung des Arbeitgebers und sind von der Grundrechtsordnung geschützt.“ So erklärte schon das Landesarbeitsgericht Düsseldorf den Ethikkodex von Wal-Mart wegen Verstoßes gegen das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG für unwirksam, mit dem der US-Einzelhandelskonzern auch seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den deutschen Standorten untersagen wollte, miteinander auszugehen und eine Liebesbeziehung einzugehen.

Prof._Dr._André_Niedostadek

„Man sollte dafür sensibilisiert sein, dass Probleme auftreten können.“ 

Prof. Dr. André Niedostadek
Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht,
Hochschule Harz

Sensibilität ist gefragt

„Wer die oder der Ausgewählte sein soll, hat Arbeitgeber oder Vorgesetzte nicht zu interessieren“, sagt auch Prof. Dr. André Niedostadek, Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz in Halberstadt. Zwar stehe dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht zu, das erstrecke sich aber nur auf das Arbeitsverhältnis und nicht auf die private Lebensführung. „Es gibt daher auch keine Meldepflicht oder Ähnliches“, betont Niedostadek. So hat Dr. Kirstin Gramß-Siegismund, Leiterin Compliance und Arbeitsrecht bei BwConsulting, der Inhouse-Beratung der Bundeswehr, ihren Arbeitgeber zwar darüber informiert, dass sie mit Dr. Christian Siegismund, dem Chefjustiziar von BwConsulting, verheiratet ist. Eine offizielle Mitteilung gab es aber nicht. „Im Unternehmen gehen wir offen damit um, spätestens bei der namentlichen Vorstellung kennen alle unseren Status“, sagt sie. Die Zuständigkeitsbereiche seien jedoch schon immer getrennt voneinander gewesen, so dass es keine Verflechtungen gebe. Problematisch werden kann es allerdings, wenn solche Verflechtungen existieren, also Beruf und Privates vermischt werden oder der Anschein droht. „Man sollte also dafür sensibilisiert sein, dass Probleme auftreten können“, sagt Niedostadek. „Man sollte sich stets klar machen, dass nicht die Liebesbeziehung als solche die Probleme aufwirft, sondern sich die Probleme als Folge eines bestimmten Verhaltens ergeben.“ Vor allem bei Beziehungen, die unterschiedliche Hierarchieebenen betreffen, sollte man daher sensibel sein, rät der Experte. Denn gerade wenn Beziehungen eine Berichtslinie betreffen, eröffnen sie so manche Gefahr: „Da besteht die Versuchung, vielleicht doch mal ein Auge zuzudrücken und oder einen Vorteil zu gewähren, für den es gar keinen sachlichen Grund gibt“, gibt Niedostadek zu bedenken. Zudem könnten sich Interessenskonflikte ergeben, wenn man einerseits Arbeitgeberinteressen vertreten müsse, einem aber andererseits auch Interessen der Partnerin oder des Partners nicht egal seien. „Besonders gravierend ist auch die Gefahr von Machtmissbrauch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen“, warnt Niedostadek. Denn eine Hierarchie sei immer mit Befugnissen verbunden – vom Weisungsrecht bis hin zur Gewährung von Urlaub, sagt Görg-Jurist Völksen. „Hier besteht in der Regel immer die Besorgnis, dass Interessen des Arbeitgebers nachteilig betroffen sein können oder eine Ungleichbehandlung von Kollegen erfolgt. Demzufolge halte ich hier eine Information des Arbeitgebers aus Transparenzgründen für geboten.“ Grundsätzlich sei eine Informationsverpflichtung der Betroffenen unter dem Aspekt der vertraglichen Nebenpflicht immer dann vertretbar, wenn durch die Beziehung betriebliche Interessen tangiert sein können. Und dann kann es durchaus auch geboten sein, dass der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, um Interessenskonflikten vorzubeugen. „Dies kann beinhalten, dass der Vorgesetzte nicht direkt über den Partner entscheidet oder dass klare Grenzen in Bezug auf berufliche Interaktionen festgelegt werden“, erläutert Dr. Michael R. Fausel, Rechtsanwalt und Gründungspartner der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Bluedex Labour Law in Frankfurt. „In einigen Fällen kann es auch angebracht sein, einen der Partner in eine andere Abteilung zu versetzen, insbesondere wenn die Hierarchieunterschiede erheblich sind.“

Flirts erlaubt, Belästigungen verboten

Wenn ein Vorgesetzter seine Machtposition zur Begründung einer sexuellen Beziehung ausnutzt, „können neben arbeitsrechtlichen auch strafrechtliche Konsequenzen drohen“, warnt Fausel. „Je nach Schwere des Fehlverhaltens kann der Vorgesetzte disziplinarischen Maßnahmen unterzogen werden. Diese können von einer Abmahnung bis hin zu einer Versetzung oder sogar Beendigungskündigung reichen.“ Missbräuchliches Verhalten könne überdies zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, insbesondere wenn es um Diskriminierung, Belästigung oder andere strafwürdige Handlungen gehe, so Fausel. Unternehmen treffe die Pflicht, Belästigungen und sexuelle Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 4 und 5 AGG zu verhindern, sagt auch Compliance-Expertin Gramß-Siegismund von BwConsulting. „Flirts sind gekennzeichnet von Freiwilligkeit und müssen von den beteiligten Personen als wertschätzend und positiv wahrgenommen werden. Einseitige Belästigungen sind das Gegenteil davon und daher – auch ohne eine extra abgeschlossene betriebliche Regelung – verboten.“ Unternehmen seien gut beraten, eine klare Haltung zu sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz zu zeigen – dazu verpflichtet auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, betont die Unternehmensjuristin. Umgekehrt ist es natürlich auch nicht im Sinne des Unternehmens, wenn jemand versucht, sich durch private Beziehungen berufliche Vorteile zu verschaffen. „Unternehmen leiden immer Schaden, wenn sich Personen, die bei ihnen beschäftigt sind, nicht durch Arbeitsleistung qualifizieren“, betont Gramß-Siegismund. Im Sinne einer guten Unternehmensführung sollten Personalentscheidungen auf Basis fachlicher Inhalte getroffen werden, idealerweise werde dies mit mehreren Personen entschieden und auch zureichend dokumentiert. „Gut aufgesetzte und vor allem eingehaltene transparente Unternehmensprozesse fördern Verlässlichkeit und Vertrauen aller Beteiligter“, so die Unternehmensjuristin. „Sie sind geeignet, Fehlleistungen einzelner zu verhindern.“ Ansonsten könnten Reputationsschäden und unternehmerische Fehlentscheidungen die Folge sein. „Sollte sich herausstellen, dass eine bestehende Entscheidungsbefugnis zu Lasten des Unternehmens ausgenutzt wurde, können Unternehmen gegen die Maßnahme mit den üblichen arbeitsrechtlichen Sanktionsmaßnahmen vorgehen“, sagt Gramß-Siegismund. Ob eine negative Sanktion gegenüber einer Person am Ende auch durchgeführt werden könne, hänge aber auch davon ab, ob Fehlverhalten festgestellt werden könne – „das Unterhalten einer privaten Beziehung genügt jedenfalls nicht per se“.

Dr._Kirstin_Gramß-Siegismund

„Es ist allen Beteiligten zu empfehlen, eine offene Kultur zu fördern.“   

Dr. Kirstin Gramß-Siegismund
Leiterin Compliance und Arbeitsrecht,
BwConsulting

Sachlicher Umgang mit Interessenskonflikten

Problematisch kann es unter Umständen bei Beziehungen zwischen Geschäftspartnern werden – also wenn die Einkäuferin eine Liebesbeziehung mit einem Lieferanten pflegt und diesem deshalb vielleicht bessere Konditionen gewährt. „Hier besteht das Potenzial, dass die Integrität von Geschäftsprozessen beeinträchtigt und der Ruf des Unternehmens geschädigt wird“, warnt Arbeitsrechts-Experte Fausel. „Für solche Situationen sollten die jeweiligen Unternehmensrichtlinien ein klar geregeltes Verfahren vorsehen.“ So sollten Mitarbeiter, die in privaten Beziehungen mit Geschäftspartnern stehen, dies ihrem Vorgesetzten oder der Compliance-Abteilung mitteilen, rät Fausel. Diese könnten die Beziehung dann bewerten, „um sicherzustellen, dass sie die Integrität der Geschäftsprozesse nicht beeinträchtigt“. Zumal im Umfeld der geschäftlichen Tätigkeiten natürlich auch Strafgesetze gelten. So regelt beispielsweise das öffentliche Vergaberecht die Mitwirkung einzelner Personen, wenn eine Befangenheit besteht. „Ob im Einzelfall ein einschlägiger Interessenskonflikt vorliegt, ist abhängig von objektiven und subjektiven Tatbeständen der Beteiligten. Im Zweifelsfall sollte der Auftraggeber die Problematik mit der betroffenen Person klären“, sagt Compliance-Expertin Gramß-Siegismund. „Es ist allen Beteiligten zu empfehlen, eine offene Kultur zu fördern und frühzeitig das Gespräch zu suchen“, Es sei wichtig, einen sachlichen Umgang mit aufkommenden oder bestehenden Interessenskonflikten zu etablieren. So haben es letztlich auch Berlins Bürgermeister Kai Wegner und Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch gemacht, indem sie den Weg an die Öffentlichkeit gegangen sind. Wegner hat auch eine Regelung vorgeschlagen, wie Interessenskonflikte am Berliner Kabinettstisch vermieden werden sollen: In Konfliktfällen, die das Bildungsressort betreffen, wird nicht mehr er als Regierender Bürgermeister, sondern sein Stellvertreter, Finanzsenator Stefan Evers (CDU), die Vermittlerrolle übernehmen. Bei Konflikten zwischen Bildungs- und Finanzressort würde Wegners zweite Stellvertreterin, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), vermittelnd einschreiten. Zudem haben Wegner und Günther-Wünsch versprochen, in der Regierungsarbeit Privates von Politischem zu trennen.

 

Harald Czycholl

Beitrag von Alexander Pradka

Dies könnte Sie auch interessieren

Twitter Illustrations The X app, formerly Twitter is seen on the Apple App Store is seen in this photo illustration on 1
Schlichter statt Richter
Gerichtsprozesse sind mitunter teuer und langwierig. Außergerichtliche Streitbeilegungen in Form von Schieds- oder Schlichtungsverfahren sind eine Alternative,...
Düsseldorf 15.05
Vorerst noch in der Assistentenrolle
Künstliche Intelligenz war eines der Megathemen des Jahres 2023. Auch in den Rechtsbereich hat 
es Einzug gehalten. Die erste Phase der theoretischen Annäherung...
KlagenohneKostenrisiko
Klagen ohne Kostenrisiko
Viele Unternehmen scheuen Kosten und Risiken, die mit Rechtsstreitigkeiten verbunden sind. 
Prozessfinanzierer können ihnen dazu verhelfen, ihre Ansprüche...