„Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet.“ Dieses Zitat des Dichters und Philosophen Friedrich Schiller ziert so manches Hochzeits-Gästebuch. Und auch wenn in der Juristerei meist wenig Platz ist für Sentimentalitäten: Im übertragenen Sinne trifft dieser Spruch nicht nur zu, wenn zwei Menschen sich zusammentun, um den Bund der Ehe eingehen – sondern auch, wenn sich zwei Unternehmen zusammenschließen. Denn auch dann ist eine genaue Prüfung unabdingbar, ob die beiden, die sich zusammentun wollen, sich auch wirklich gut ergänzen und zueinander passen – oder ob es Schattenseiten gibt, die man auf den ersten Blick gar nicht erkennt. „Due Diligence“ heißt dieses Verfahren in der Vorvertragsphase des M&A-Prozesses, bei dem der potenzielle Käufer eines Unternehmens einen tiefen Einblick in das Geschäftsgebaren und die Finanzkraft des Übernahmekandidaten gewinnen möchte. Klassischerweise bezieht sich die Due-Diligence-Prüfung auf Themen wie das Geschäftsmodell, die Finanz- und Ertragslage sowie steuerliche und rechtliche Risiken. Doch immer öfter umfasst die Prüfung noch einen weiteren Aspekt: die Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit – und damit jene Kriterien, die unter dem Kürzel ESG zusammengefasst sind, das bekanntlich für die ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Einflüsse des Geschäftsgebarens steht. „Die Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit kann heutzutage bei M&A-Aktivitäten nicht mehr ausgeblendet werden“, betont Prof. Dr. Johannes Hofinger, der einen Lehrstuhl für Finance & Accounting an der Munich Business School innehat und zudem Banken in den Bereichen Risikomanagement, Nachhaltigkeit und ESG-Offenlegung berät. „Was für das eigene Unternehmen richtig ist, muss auch für das M&A Geschäft und die Beteiligten gelten.“ Zumal es die Unternehmen teuer zu stehen kommen kann, wenn sie sich im Zuge einer M&A Transaktion Nachhaltigkeitsrisiken ins Haus holen. „ESG-Faktoren sind zu einem wichtigen Bestandteil des Risikomanagements und der Unternehmensbewertung geworden“, betont Dr. Frederic Mirza Khanian, Rechtsanwalt und Partner sowie Global Legal Business Solutions Leader bei der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. „Wenn ein Zielunternehmen beispielsweise Umweltverschmutzung oder Arbeitsrechtsverletzungen begeht, können sich hieraus konkrete rechtliche und finanzielle Konsequenzen ergeben.“ Darüber hinaus könne aber auch bereits ein Rufschaden für das Geschäft eines Unternehmens verheerende Folgen haben, so der Jurist. Umgekehrt könnten ESG-Faktoren auch Chancen für Wertsteigerungen und Wettbewerbsvorteile bieten. „Ein Unternehmen, das beispielsweise eine effiziente Nutzung von Ressourcen oder eine starke Unternehmenskultur aufweist, kann langfristig nachhaltiger und erfolgreicher sein“, so Mirza Khanian. „Durch die Identifizierung und Integration dieser positiven ESG-Aspekte in die Due Diligence können Käufer möglicherweise den Wert des Zielunternehmens steigern.“

„Die Nachhaltigkeit der Geschäftstätigkeit kann heutzutage bei
M&A-Aktivitäten nicht mehr ausgeblendet werden.“
Prof. Dr. Johannes Hofinger
Lehrstuhl für Finance & Accounting Munich Business School
Neue Prüfungspunkte
Den rechtlichen Rahmen für die Einbeziehung von ESG-Aspekten bei M&A-Transaktionen setzt unter anderem die Nachhaltigkeitsrichtlinie der Europäischen Union (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD), die vor der Umsetzung in deutsches Recht steht. Hintergrund ist der von der EU-Kommission ausgerufene „Green Deal“, der darauf abzielt, Umweltschutz, soziale Standards und gewissenhafte Unternehmensführung in der Wirtschaft zu verankern. Investoren sollen ihr Geld vorzugsweise in Firmen stecken, die sich um Umwelt, Gesellschaft und gute Unternehmensführung kümmern. Die Nachhaltigkeitsrichtlinie sieht unter anderem vor, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe ab dem kommenden Geschäftsjahr Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen müssen. Der Kreis der Unternehmen wird dabei von Jahr zu Jahr schrittweise erweitert. Die Richtlinie zielt darauf ab, der Berichterstattung über Nachhaltigkeit die gleiche Priorität zu verleihen wie den klassischen Jahresbilanzen. Dies hat auch großen Einfluss auf die rechtliche Due Diligence im Rahmen von M&A Transaktionen. Dabei sind einige Teilaspekte ohnehin schon in geltendes Recht gegossen, werden aber heutzutage viel bewusster dem Feld ESG zugeordnet. „Hierzu gehören Themen wie Equal Pay, Arbeitszeiterfassung, wirtschaftliche Anteilsinhaberschaft, umweltbezogene Genehmigungen und Umweltlasten auf Betriebsgrundstücken“, zählt Dr. Christian Hensel, Partner im Bereich Legal Deal Advisory bei KPMG Law, auf. Darüber hinaus gebe es Prüfungspunkte, die aufgrund der neueren Regulierung, aber auch aufgrund operativer Notwendigkeiten und nicht zuletzt der Öffentlichkeitswahrnehmung neu hinzugetreten sind. „Dazu kommen Aspekte aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, der Code of Conduct, nichtfinanzielle Erklärungen, Whistleblowing Hotline, Green Finance, Green Lease, ESG-bezogene Unterlassungs- und Musterfeststellungsklagen“, sagt Hensel. „ESG-Themen nehmen stetig an Bedeutung zu und können je nach Unternehmen unterschiedlich zu gewichten sein.“

„Wer beim Erwerb eines Unternehmens ESG-Aspekte nicht mit der gebotenen Sorgfalt in den Blick nimmt, läuft Gefahr, erhebliche wirtschaftliche Schäden oder Imageschäden zu erleiden.“
Dr. Christian Hensel
Partner
KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft
Potenzielle Risiken frühzeitig erkennen
Durch die Einbeziehung von ESG-Aspekten in die Due Diligence könnten potenzielle Risiken frühzeitig erkannt und bewertet werden, sagt PwC-Jurist Mirza Khanian. Auf diese Weise könne die Transaktionsstruktur angepasst oder gegebenenfalls auch von der Transaktion abgesehen werden. In puncto ESG stehe dabei gerade der Mittelstand vor einer großen Herausforderung, da – anders als bei „Mega-Deals“ – häufig viel weniger Spezialisten eingeschaltet seien, die die vielfältigen ESG-Themen im Detail bearbeiten könnten. „Gerade in Bieterprozessen ist die richtige Vorbereitung des Verkäufers auf die Due Diligence zentral, um den Veräußerungsprozess später nicht zu verlangsamen oder gar Kaufpreiseinbußen oder nachteilige vertragliche Regelungen hinnehmen zu müssen“, erläutert Mirza Khanian. „Aus Käufersicht ist die Aufklärung von ESG-Aspekten sowohl aus operativer Sicht, aber auch aus Compliance-, Versicherungs- und Finanzierungssicht wichtig.“ Denn schließlich möchte sich kein Käufer ein Bußgeldverfahren einkaufen, eine angestrebte Versicherungslösung verpassen oder erhöhte Finanzierungszinsen zahlen, weil er wichtige Themen nicht rechtzeitig aufklären konnte. Wirtschaftsprofessor Hofinger von der Munich Business School pflichtet ihm bei: „Es ist ratsam, sich im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung einen detaillierten Eindruck über die ESG-Konformität eines zu übernehmenden Unternehmens zu verschaffen“, so der Experte. „Fahrlässig unentdeckte Umwelt- und Klimarisiken mögen dies in der Nachbetrachtung als weise Vorgehensweise zur Vermeidung von ESG Haftungs- und Schadenersatzklagen erscheinen lassen.“ Die Risiken in dieser Hinsicht seien vielfältig, warnt Christian Hensel von KPMG Law. „Wir sehen bereits heute Klagen von Verbraucherverbänden gegen Automobilhersteller auf Unterlassung des Inverkehrbringens von Verbrennungsmotoren, Klagen gegen Städte auf Einhaltung von Feinstaubgrenzwerten und Massen-Schadensersatzklagen aufgrund von Complianceverstößen.“ Darüber hinaus seien diverse andere Rechtsfolgen von ESG-Verstößen denkbar – etwa der Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren, die Verschlechterung von Finanzierungskonditionen oder die außerordentliche Kündigung von Lieferverträgen. „Wer bei dem Erwerb eines Unternehmens ESG-Aspekte nicht mit der gebotenen Sorgfalt in den Blick nimmt, läuft Gefahr, erhebliche wirtschaftliche Schäden oder Imageschäden zu erleiden“, so Hensel. Es sei daher geboten, den Legal Due Diligence Scope von vornherein so zuzuschneiden, dass die wesentlichen Risikofelder identifiziert und geprüft werden.