Clever mobil

Die Zeiten ändern sich – auch mit Blick auf die Mitarbeitermobilität. Statussymbole und Standardlösungen haben vielerorts ausgedient. Selbstbestimmte, flexible und nachhaltige Lösungen wie individuelle Mobilitätsbudgets und Dienst-E-Bikes liegen im Trend. Was Unternehmen und ihre Mitarbeitenden dabei beachten sollten.
vom 13. September 2023
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Wer bei der täglichen Anreise zur Arbeit auf das Auto verzichtet und stattdessen zu Fuß, mit dem Fahrrad, den öffentlichen Verkehrsmitteln oder als Fahrgemeinschaft zur Arbeit kommt, ist beim Ski- und Outdoorhändler Sport Conrad aus Garmisch-Partenkirchen nicht nur Klimaschützer, sondern frönt zugleich auch dem Glücksspiel: Das Unternehmen hat nämlich bereits vor fünf Jahren sein „Mobilitätslotto“ ins Leben gerufen. Der Verzicht auf das Auto wird mit der Teilnahme an einer Tombola belohnt, jeden Monat werden Sachpreise ausgelost. „Unser Mobilitätslotto ist nur ein kleines Incentive, hilft jedoch durch monatliche Anstupser, das eigene Verhalten zu überdenken“, sagt Stefanie Buchacher, Head of Corporate Sustainability bei Sport Conrad. Durch die spielerische Challenge werde zudem eine Verbindung zwischen den vier Standorten des Familienunternehmens hergestellt. Und auch die großen Konzerne hierzulande denken in Sachen Mitarbeitermobilität zunehmend um. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Softwarekonzerns SAP etwa können über ihren Arbeitgeber ein Jobticket beziehen, ein Dienstfahrrad leasen oder Autos per Carsharing nutzen. „Mobilität ist uns sehr wichtig. Deshalb möchten wir unseren Mitarbeitern viele unterschiedliche Mobilitätsalternativen anbieten, wie sie ihren Arbeitsplatz erreichen können“, sagt Marcus Wagner, Head of Environmental Sustainability bei SAP. Seit Anfang April dieses Jahres steht den Mitarbeitern des Softwarekonzerns ein individuelles Mobilitätsbudget unter Verwendung der hauseigenen Lösung der Reisekostenmanagement-Tochter SAP Concur zur Verfügung. Mit „Flexible Mobility“ können Mitarbeitende Mobilitätsdienste flexibel für private Fahrten nutzen. Die dafür entstehenden Kosten werden innerhalb eines vordefinierten Budgetrahmens von SAP übernommen. Denn die Zeiten ändern sich – und mit ihnen die Bedürfnisse von Mitarbeitenden. Statussymbole und One-fits-all-Lösungen haben vielerorts ausgedient. Stattdessen geht es Arbeitnehmern heute zunehmend darum, selbstbestimmt, flexibel und nachhaltig handeln zu können. Das stellt auch das Konzept des Dienstwagens auf den Prüfstand. „Nicht nur die schlechte Umweltbilanz macht den klassischen Dienstwagen als unternehmerisches Benefit in einer umweltbewussten Gesellschaft zunehmend unattraktiv“, sagt Dr. Stefan Carsten, Zukunftsforscher und Berater beim Zukunftsinstitut und Experte für Mobilitätsthemen. „Der Dienstwagen war lange nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern reflektierte die Werte einer individualistischen und erfolgsorientierten Gesellschaft: Er war der vielleicht wichtigste Bestandteil von Vergütungs- und Belohnungssystemen in Unternehmen, der Gang zum Flottenmanager war Sinnbild für Erfolg und Ansehen.“ Mittlerweile würden jedoch für immer mehr Arbeitnehmer andere Faktoren im Vordergrund stehen: Flexibilität und Unabhängigkeit seien zunehmend zentrale Anforderungen von Fachkräften an ihre Arbeitgeber, so Carsten – auch mit Blick auf die Gestaltung ihrer Mobilität.

Goetz-Reinhardt

„Täglich erleben Mitarbeitende, dass die Wahl
des Verkehrsmittels Einfluss auf ihren Tagesablauf, ihre wertvollen Zeitressourcen,
aber auch ihren eigenen CO2-Fußabdruck hat.“

Götz Reinhardt
Managing Director
MEE SAP Concur

Zeitgenössische Alternative zum Dienstwagen

 

Laut einer aktuellen Studie von SAP Concur erhalten bereits 40 Prozent der Arbeitnehmer hierzulande ein individuelles Mobilitätsbudget von ihrem Arbeitgeber. „Mitarbeitende wählen heute zwischen Jobprofilen und Arbeitgebern, zwischen Homeoffice und Büro, zwischen Stadt, Vorstadt oder Landleben. Mehr Flexibilität und Auswahlmöglichkeiten werden zunehmend auch im Hinblick auf die eigene Mobilität gewünscht“, meint SAP-Nachhaltigkeitsmanager Wagner. „Mit dem Mobilitätsbudget können Mitarbeitende den eigenen Pkw stehen lassen und Alternativen wie Zug, Straßenbahn oder E-Scooter nutzen.“ Das biete nicht zuletzt auch neuen Spielraum, um Verantwortung für die post-fossile Gesellschaft zu übernehmen. Mit einem Mobilitätsbudget können Arbeitnehmer stets das Verkehrsmittel wählen, das am besten zu ihren privaten Lebensumständen und -bedürfnissen passt – und zwar über den Arbeitsweg hinaus, also auch bei privaten Fahrten. „Täglich erleben Mitarbeitende, dass die Wahl des Verkehrsmittels Einfluss auf ihren Tagesablauf, ihre wertvollen Zeitressourcen, aber auch ihren eigenen CO2-Fußabdruck hat“, erläutert Götz Reinhardt, Managing Director MEE bei SAP Concur. „Mit einem Mobilitätsbudget können Arbeitnehmende flexibel aus einer Vielzahl an Verkehrsmitteln wählen und dabei ihre individuellen Bedürfnisse und den Faktor Nachhaltigkeit berücksichtigen.“ Das Mobilitätsbudget sei eine zeitgenössische und nachhaltige Alternative zum Pendeln mit dem Auto und dem Dienstwagen, sagt Zukunftsforscher Carsten. „Dabei wird vom Arbeitgeber ein Betrag zur Verfügung gestellt, den Mitarbeitende frei für die Gestaltung ihres Arbeitswegs verwenden können.“ Das Mobilitätsbudget könne dabei monetär, aber auch als CO₂- oder Kilometerbudget bereitgestellt werden. „Innerhalb eines festgelegten Angebots wählen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Verkehrsmittel aus, das zu ihren aktuellen Bedürfnissen passt – je nachdem, was lokal vorhanden ist, was im Mobilitätsangebot enthalten ist und wie die persönlichen Präferenzen sind“, so der Experte. Neben Jobtickets könnten somit auch Budgets für Sharing-Angebote oder der monatliche Anteil einer BahnCard inkludiert sein. „Dadurch können Mitarbeitende verschiedene Verkehrsangebote wie Taxis, Roller oder den ÖPNV flexibel miteinander kombinieren“, so Carsten. Neben SAP hat beispielsweise auch die Deutsche Telekom ein Mobilitätsbudget für ihre Mitarbeiter eingeführt. Hier erleichtert eine Mobility-as-a-Service-Plattform durch die Bündelung verschiedener Verkehrsmittel den Umstieg auf öffentliche und geteilte Mobilitätsformen. „Statt eines Dienstwagens werden den Angestellten in Form eines Benefit-Budgets vielfältige Alternativen geboten“, erläutert Zukunftsforscher Carsten. „Sie können selbst entscheiden, ob sie einen E-Firmenwagen oder die BahnCard nutzen oder das Geld in ihr Arbeitszeitkonto einzahlen, um beispielsweise ein Sabbatical zu nehmen.“ Zudem betreibt die Telekom bereits eine eigene Carsharing-Flotte sowie diverse Mikromobilitätsangebote.

Steffi

„Unser Mobilitätslotto ist nur ein kleines Incentive, hilft jedoch durch monatliche Anstupser, das eigene Verhalten zu überdenken.“

Stefanie Buchacher
Head of Corporate Sustainability
Sport Conrad

Prozess muss unkompliziert und transparent ablaufen

 

Mit einem Mobilitätsbudget als neuem Benefit könnten Unternehmen aber nur punkten, wenn der gesamte Prozess unkompliziert und transparent ablaufe, sagt SAP Concur-Director Reinhardt. Ebenso wie bei Reisekosten könne der Abrechnungs- und Rückerstattungsprozess für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne moderne Tools mit viel Arbeit verbunden sein. SAP bildet die Umsetzung des Mobilitätsbudgets daher mit den digitalen Lösungen Concur Expense, Expenselt und Budget ab. Neben der digitalen Belegerfassung sowie korrekten und automatisierten Abrechnung der Kosten, bieten die Lösungen auch einen transparenten Einblick in das verfügbare Budget. Insgesamt würden sich eine Reihe von Apps und Anbietern wie Bonvoyo, Free Now for Business, Mobiko oder Moovster darum bemühen, die Verwaltung und Nutzung von Mobilitätsbudgets für Arbeitgeber und Arbeitnehmer komfortabel handhabbar zu machen, sagt Zukunftsforscher Carsten. Oftmals gebe es dazu auch ein CO2-Reporting für die Unternehmen, das dann auch den Mitarbeitenden zugänglich gemacht wird, so dass sie ihre persönliche CO2-Bilanz sehen können. Grundsätzlich belegt hierzulande unter den Verkehrsmitteln für den Arbeitsweg weiterhin das Auto den Spitzenplatz unter den Verkehrsmitteln, zeigt eine Studie von SAP Concur. So fährt die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch mit dem privaten Pkw zum Arbeitsplatz (60 Prozent). Weiteren sechs Prozent der Mitarbeiter wird dafür ein Dienstwagen bereitgestellt. Ein Fünftel (20 Prozent) nutzt zum Pendeln hingegen den öffentlichen Nahverkehr. Allerdings werden die Kosten dafür nur bei sieben Prozent in Form eines Jobtickets vom Arbeitgeber übernommen. Ein ähnliches Bild zeichnet sich, wenn es um das Zweirad geht: Zwar fahren insgesamt neun Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit dem Fahrrad oder E-Bike zur Arbeit, in gerade einmal 0,4 Prozent der Fälle wurde das Rad jedoch im Rahmen eines Job-Bike-Angebots ihres Arbeitgebers gekauft. Unternehmen kommen damit den Wünschen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vielerorts noch nicht nach. So betont über ein Drittel der Befragten (35 Prozent), keinen eigenen Dienstwagen zu benötigen und stattdessen ein flexibles Carsharing-Angebot ihres Arbeitgebers zu begrüßen. Ebenfalls 35 Prozent hätten gerne ein E-Bike, mit dem sie bequem zum Büro und zu Kundenterminen in der Nähe fahren und sich gleichzeitig fit halten können.

Den emotionalen Faktor nicht unterschätzen
 
Dienstfahrräder und E-Bikes können über spezialisierte Leasinganbieter wie etwa JobRad über den Arbeitgeber angemietet werden. Dieser wiederum überlässt es dem Mitarbeiter zur individuellen Nutzung. Am Ende des Leasingvertrages besteht dann für die Mitarbeitenden die Möglichkeit, das Fahrrad zu einem kalkulierten Restwert zu übernehmen. So lassen sich zwischen 20 und 40 Prozent im Vergleich zum Preis bei einem Barkauf des Rades sparen. Doch auch wenn Dienstfahrrad, Carsharing oder auch ein Jobticket sinnvolle Sachen sind, um die Arbeitnehmer zu unterstützen und nachhaltige Mobilität zu fördern: ein Recht darauf haben die Mitarbeiter zunächst einmal nicht. „Ein solcher Anspruch kann sich nur aus dem Arbeitsvertrag selbst ergeben“, sagt Dr. Michael Fausel, Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Bluedex Labour Law in Frankfurt. „Regeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer hierzu nichts, hat der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen grundsätzlich keinen Anspruch auf ein Firmenfahrzeug.“ Wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Dienstfahrzeuge anbietet – egal ob es sich nun um Autos oder Fahrräder handelt – werden diese meist geleast und den Arbeitnehmern anschließend auf Basis entsprechender Vereinbarungen zur Nutzung überlassen. „Die Nutzungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber kann als sogenannter Überlassungsvertrag oder als Zusatz zum Arbeitsvertrag abgeschlossen werden“, sagt Michaela Rassat, Juristin bei der Ergo Rechtsschutz Leistungs-GmbH. Klar geregelt werden sollte dabei, ob die Privatnutzung gestattet ist und diese Genehmigung auch für Familienmitglieder gilt und wer für Wartung und Reparaturen zuständig ist. Etwas einfacher gestalte sich die vertragliche Regelung eines Jobtickets, ergänzt Arbeitsrechtler Fausel. „Aus steuerlichen Gründen sollte allerdings klar geregelt werden, ob das Jobticket einen Sachbezug darstellt oder ob es zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Lohn gewährt wird.“ Ob es nun um Dienstfahrzeuge oder ein individuelles Mobilitätsbudget geht – solche Social Benefits kommen in Zeiten des Fachkräftemangels auch den Arbeitgebern zugute, betont Unternehmensjuristin Rassat. „Sie erhöhen die Mitarbeiterbindung und können bei Bewerbern entscheidende Vorteile bringen.“ So könne der Arbeitgeber durch die Gewährung solcher Benefits – je nach Gestaltung – ein höheres Nettogehalt auszahlen, ohne das Bruttogehalt zu erhöhen, erläutert Bluedex-Anwalt Fausel. „Denn viele dieser Benefits wie zum Beispiel ein Dienstfahrrad oder die Dienstwagennutzung unterliegen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vergünstigungen.“ Zudem würden sie einen Komfort bieten, auf den Mitarbeiter nicht mehr bereit sind zu verzichten, so der Arbeitsrechtler. „Der emotionale Faktor darf nicht unterschätzt werden.“
 
Harald Czycholl
Beitrag von Alexander Pradka

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