Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf, wie hoch der Spezialisierungsgrad der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch der Leiterinnen und Leiter der Abteilung sein soll. Denkbar ist grundsätzlich beides – der Einsatz so genannter Allrounder und Generalisten ebenso wie der von Spezialisten für einzelne Rechtsgebiete. Marcel Ritter, seit über zehn Jahren als General Counsel bei Telefónica Germany tätig, leitet eine Antwort schon aus dem Begriff ab. Die Berufsbezeichnung lautet „General“ und nicht „Special Counsel“. Er bezieht sich darauf, dass er sich in seiner strategischen Funktion mit einer großen Zahl sehr unterschiedlicher Themen konfrontiert sieht. Diese kommen einerseits aus der eigenen Organisation und betreffen aktuell beispielsweise das Thema „New Work“. Ebenfalls interner Natur ist die Notwendigkeit, im Rahmen der Anpassungsprozesse an veränderte Rahmenbedingungen den Transformationsprozess innerhalb der Organisation zu begleiten und an den erforderlichen Stellen zu steuern. Vor allem größere Konzerne haben zudem oft mit der Etablierung neuer Geschäftsmodelle eine Menge Arbeit, die bestenfalls in einem interdisziplinären Lösungsansatz Umsetzung finden und die Rechtsabteilung in einem frühen Stadium in die Ausgestaltung integrieren. Andererseits bestimmen äußere Faktoren und der Umgang damit das Aufgabenportfolio eines General Counsel. Dabei ist die Fülle an geopolitischen Veränderungen mit all ihren Konsequenzen auf Wirtschaft und Recht zwar aktuell unvergleichbar hoch, was den Umgang an sich mit diesen Entwicklungen angeht, müssen Leiterinnen und Leiter der Rechtsabteilung darauf aber immer gefasst sein und Antworten parat haben. Ein zentrales Thema bleibt das eigentliche Kerngebiet „Recht“. Sowohl die EU als auch der deutsche Gesetzgeber sehen, wohl auch angesichts des gesellschaftlichen und politischen Drucks im Hinblick auf Klima- und Umweltziele innerhalb der Europäischen Union, eine Reihe von Anlässen zur Neuregulierung beziehungsweise Nachbesserung bestehender Regularien. Ein weiterer wesentlicher Punkt sind die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und mit Legal Tech. Sie können unterstützende und assistierende Wirkung entfalten, dafür müssen aber zunächst Bedürfnisse und Einsatzszenarien entwickelt werden. Marcel Ritter ordnet die vielfältigen Herausforderungen in das so genannte „VUCA-Modell“ ein. Die Abkürzung steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity oder zu deutsch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Zuerst verwendet hat die Buchstabenkombination das amerikanische Militär, das damit neuartige Zustände in Kriegsgebieten beschreibt, die unbekannte Bedingungen hervorrufen.
Übertragen auf die Wirtschaft heißt das, dass sich Märkte und die Umgebung, in dem sich ein Unternehmen bewegt, permanent verändern, manchmal auch radikal und mit hoher Geschwindigkeit. Vorhersagen sind schwierig, müssen aber getroffen werden. „Wenn Annahmen nicht zutreffen, ändert sich möglicherweise auch die Beurteilung eines Sachverhaltes und die Einschätzung der generellen rechtlichen Lage und der eigenen Position“, sagt Ritter. Interdisziplinäres Arbeiten mit den anderen Fachabteilungen und die Vorbereitung wichtiger geschäftlicher Entscheidungen seitens der Unternehmensführung setzen besondere Fähigkeiten im täglichen Wirken in einer wichtigen Schnittstellenfunktion voraus. Ein oder eine General Counsel muss deshalb wesentlich mehr mitbringen als rechtliche Kenntnisse, seien diese auch noch so tiefgreifend.
■ Alexander Pradka