„In der Compliance liegen große Chancen für ein Unternehmen“

Seit rund acht Monaten ist Caroline Gilles jetzt General Counsel bei Miele. Mit großer Leidenschaft ist sie Unternehmensjuristin. Sie schätzt an ihrem Beruf, früh in Sachverhalte eingebunden zu werden und deshalb mitgestalten zu können, einen Fall vom Start bis zum Ende zu begleiten – und dabei nicht nur auf das Fachthema beschränkt, sondern immer auch im Sinne der Geschäftsstrategie zu beraten – und interdisziplinär tätig zu sein. Neben ihrer eigentlichen Tätigkeit engagiert sich die Mitgründerin der „Working Moms“ in Düsseldorf für mehr Gleichberechtigung im Berufsleben.
vom 11. Mai 2023
image

In-house Counsel: In Ihrem LinkedIn-Profil habe ich unter Ihrem Namen den Zusatz „Passion for Legal and Compliance“ gefunden? Woher rührt die Begeisterung für das Compliance-Thema?

Caroline Gilles: In diesem Bereich wird viel mit Drohkulissen gearbeitet. Ich sehe darin aber auch eine Chance für ein Unternehmen – wenn es gelingt, den Mitarbeitenden die Relevanz des Themas für ihr tägliches Wirken näherzubringen, es so zu transportieren, dass sie es verstehen und verinnerlichen, ihnen klarzumachen, welche wichtige Rolle jedem Einzelnen zukommt. Ich bin überzeugt, das gelingt umso besser, je mehr wir die Leidenschaft für den positiven Wert der Compliance vermitteln können, und je einfacher verständlich und spielerisch wir die teilweise doch recht komplizierten Materie vermitteln. Wir haben beispielsweise Mentimeter-Umfragen in Schulungen eingebaut oder arbeiten mit Comicdarstellungen. Da ist aber noch viel Luft nach oben!  

   

In-house Counsel: Da kommen wir beinahe schon in einen Legal-Design-Ansatz.

Caroline Gilles: In der Tat ist das ein fantastischer Ansatz, den ich schon seit längerem auf dem Schirm habe, weil das Einnehmen der „User Perspective“ uns Juristen nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden ist.. Gerade vor wenigen Wochen hat ein Mitarbeiter aus unserer Abteilung an einem mehrtägigen Legal Design Workshop teilgenommen und viele neue interessante Aspekte mitgebracht, die wir nun in unsere Arbeit einbringen wollen.

 

In-house Counsel: Wie empfinden Sie die Digitalisierungstendenzen am Rechtsmarkt?

Caroline Gilles: Ich stehe diesen offen und positiv gegenüber. Wenn ich sehe, welche Erleichterungen Legal Tech schon gebracht hat, ist das ein bemerkenswerter Fortschritt gegenüber dem Durchblättern von Akten vor 20 Jahren. Trotzdem benötigen wir den Menschen, um alles zusammenzubringen und zu hinterfragen – dieses Zusammenwirken bringt uns entscheidend voran. Auch und gerade die Rechtsabteilung ist gezwungen, effizient zu arbeiten und Legal Tech kann hier ungemein unterstützen. Allein deshalb müssen wir den Markt kennen und ständig beobachten. Hierin liegt eine Schwierigkeit: Es gibt sehr viele Produkte und wir müssen erstmal unseren eigenen Bedarf analysieren, um zu verstehen, was wir wirklich brauchen. In der Abteilung haben wir eine Gruppe gebildet, die sich damit auseinandersetzt. 

 

In-house Counsel: Zurück zur Compliance: Inwiefern stimmen Sie der These zu, dass sich diese im Wandel befindet beziehungsweise schon stark verändert hat?

Caroline Gilles: Compliance war aus meiner Sicht schon immer ein sehr weiter Begriff,  und die Rolle der Juristen innerhalb dieses Feldes muss immer wieder neu überprüft und austariert werden. Es geht mittlerweile nicht mehr nur um die klassischen Themen Geldwäsche, Korruption und Wettbewerbsrecht, sondern es gibt viele neue Schnittstellen zu anderen Bereichen wie etwa der IT. Die IT-Sicherheit spielt im Risikomanagement eines Unternehmens heute eine enorm wichtige Rolle, und diese hat wiederum starke Auswirkungen auf die.  Datenschutz-Compliance. Ähnliches gilt für den Einkauf und das LkSG. Eine große Bedeutung kommt daher  der interdisziplinären Zusammenarbeit zu: Hier müssen sich alle relevanten Abteilungen in einem Unternehmen zusammentun und die Zuständigkeiten, Prozesse und Übergabepunkte regeln. Insoweit ist die Compliance Abteilung mittlerweile mit vielen anderen Bereichen vernetzt und Teil von interdisziplinären Teams.     

 

In-house Counsel: Einmal abgesehen von der Compliance: Womit beschäftigen Sie als Leiterin der Rechtsabteilung sich hauptsächlich?

Caroline Gilles: Zunächst habe ich mich natürlich erst einmal um mein neues Team gekümmert, das ich ja erst einmal kennenlernen durfte. Wir haben nun als Team unsere Strategie neu aufgestellt, und daraus folgen jetzt einige spannende interne Projekte, die wir neben unserem täglichen Geschäft vorantreiben wollen, zum Beispiel den Einsatz von Legal Tech. Zudem fallen in meine Zuständigkeit die M&A-Projekte unseres Unternehmens, das in den zurückliegenden Jahren stark gewachsen ist und dabei auch neue Geschäftsfelder erschlossen hat. Auch die Herausforderungen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, für das wir eine eigene Taskforce gegründet haben, nehmen mich sehr in Beschlag. Nicht zuletzt kümmere ich mich noch um die Frage, wie wir unser Team gut für die Zukunft aufstellen, um unsere Unternehmensstrategie effektiv begleiten zu können. Dabei geht es natürlich auch um das Zusammenspiel mit den externen  Rechtsberaterinnen und -beratern: Welche Expertise benötigen wir Inhouse, und wo setzen wir auf externe Beratung, etwa mit Blick auf Themen wie „Circularity“..   

 

In-house Counsel: Sie engagieren sich im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeit, aber auch darüber hinaus, sehr für das Fortkommen der Frau. Was möchten Sie erreichen?

Caroline Gilles: Ich ermuntere Frauen in meinem Umfeld und in meinem Team, das noch immer vorherrschende Teilzeitmodell kritisch zu hinterfragen. Möchte eine berufstätige Frau, nachdem sie Kinder bekommen hat, wirklich selbst ihre Stunden massiv reduzieren, oder macht sie das aufgrund von Erwartungshaltung anderer? Sind die Hindernisse, die hierbei auch eine Rolle spielen können, wirklich nicht anders zu überwinden? Ich stelle häufig fest, dass das immer noch eine scheinbar selbstverständliche Entwicklung ist, dass die Frau zurücksteckt. Ist sie dann erst mal in der „Teilzeitfalle“, kommt sie so schnell nicht wieder heraus und ist prompt im Nachteil, wenn etwa darüber diskutiert wird, wer zu Hause bleibt, wenn das Kind krank ist oder wenn das Thema Ortswechsel auf den Tisch kommt, weil der Mann ein neues Jobangebot wahrnehmen will. Das soll aber nicht falsch rüberkommen: Ich kann auch verstehen, wenn Frauen gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und daher den Job zurückfahren. Ich sehe nur, wie häufig sich Frauen mit einem 50/50Modell aufreiben und dann das Gefühl haben, weder dem einen noch dem anderen wirklich gerecht werden zu können.

 

In-house Counsel: Wie lässt sich das Problem lösen?

Caroline Gilles: Zum einen liegt der Lösungsansatz bei den Männern. Wenn der Mann auch Elternzeit nimmt oder beide in Teilzeit arbeiten, lässt sich die Frage der Kinderbetreuung gut lösen. Zum anderen liegt der Schlüssel aber auch in dringend notwendigen Verbesserungen der Betreuungssituation in Deutschland. Solange das nicht läuft, ist es ohne private Betreuung wirklich schwierig. Aber nach meiner Erfahrung lohnt sich die „Investition“ in private Betreuung in jeder Hinsicht, über den Verlauf eines Erwerbslebens schließlich auch finanziell.

 

In-house Counsel: Zum Abschluss noch die Frage: Was ist für Sie Erfolg?

Caroline Gilles: Vielleicht lässt sich Erfolg am ehesten am steigenden Wirkungsgrad messen. Er stellt sich für mich dann ein, wenn ich einerseits Spaß an der Tätigkeit habe, andererseits aber auch die Möglichkeit, meine Vorstellungen umzusetzen. Das setzt wiederum einen Gestaltungsspielraum voraus. Dieser ist mir unheimlich wichtig und wirkt sich auf meine Zufriedenheit aus.  Darüber hinaus verbuche ich es natürlich als Erfolg, wenn mir Kolleginnen und Kollegen sagen, dass sie gerne mit mir zusammenarbeiten.  

EINBLICKE …

Persönliches

 

In-house Counsel: War Ihr Berufswunsch schon immer Juristin?

Caroline Gilles: Ich hatte früher einmal den Wunsch, Kriminalkommissarin zu werden. Auch als Journalistin hätte ich gerne gearbeitet.

 

In-house Counsel: Wenn man Sie nicht bei der Arbeit trifft, wo dann? Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?

Caroline Gilles: Das Hauptaugenmerk liegt auf Entspannung und die finde ich in der Natur, sei es auf Spaziergängen oder auch im eigenen Garten. Die nötige Ruhe finde ich außerdem beim Yoga. Mit Golf werde ich noch nicht so ganz warm – da passt mein Ehrgeiz nicht zu meiner nur sehr begrenzten Bereitschaft, ständig auf der Driving Range zu stehen.  

 

 

In-house Counsel: Welche Musik hören Sie gerne?

 

Caroline Gilles: Tatsächlich nutze ich gerne vorhandene “Mood“ Playlists bei Spotify – etwa als Begleitung zum Kochen mit der Familie oder zum gemeinsamen Frühstück. Wenn ich tanzen und feiern möchte, gefällt mir die Musik aus den 80ern und 90ern, die interessanterweise sogar von meinen Töchtern sehr gemocht wird. 

 

 

In-house Counsel: Was ist Ihre bevorzugte Literatur?

 

Caroline Gilles: Auch da steht das Abschalten im Vordergrund, deshalb brauche ich Geschichten, in die ich eintauchen kann, die mich in den Bann ziehen und bei denen ich nicht nach zwei Seiten einschlafe. Insofern lese ich auch gerne mal einen guten Krimi, passend  zum Berufswunsch Kriminalkommissarin, siehe oben. 

 

 

In-house Counsel: Wie wir wissen, gibt es den perfekten Tag nicht. Wie sieht ein nahezu perfekter Tag für Sie aus?

Caroline Gilles: Der findet – zumindest im Privatleben – wie bereits angedeutet draußen in der Natur statt, am liebsten gemeinsam mit meiner Familie und mit körperlicher Aktivität. Im beruflichen Umfeld beinhaltet mein perfekter Tag viele Begegnungen mit Kollegen und Kolleginnen – wir arbeiten bei Miele zwar sehr flexibel mit Mobile Work und Homeoffice Modellen, aber ich schätze seit Corona umso mehr die persönlichen Begegnungen und Diskussionen, wo am Bildschirm einfach auch einiges auf der Strecke bleibt.  

Caroline Gilles

Bevor Caroline Gilles sich für eine Karriere als Unternehmensjuristin entschied, arbeitete sie zehn Jahre als Rechtsanwältin für Clifford Chance in Düsseldorf. Seit 2010 ist sie auf Unternehmensseite zu finden, zunächst als Syndikusanwältin bei Lanxess, später dann bei Grohe / LIXIL. Gut sechseinhalb Jahre war sie dort in unterschiedlichen Funktionen tätig, seit 2018 als Leiterin der Rechtsabteilung der Grohe AG, mit wachsenden Verantwortungsbereichen und zuletzt als General Counsel LIXIL EMEA. Seit September 2022 fungiert sie bei Miele als Senior Vice President Legal & Compliance. In der Rechtsabteilung sind 21 Mitarbeitende beschäftigt..      

 

Das Gespräch führte Alexander Pradka

Beitrag von Alexander Pradka

Dies könnte Sie auch interessieren

Nartowska
„Wir spüren einen Hang zu mehr Bürokratie – und die Dokumentationspflichten beschäftigen Unternehmensjuristen über Gebühr.“
Seit knapp zwei Jahren ist Dr. Urszula Nartowska Senior Vice President Legal bei der OBI Group. Lange Jahre hat sie zuvor in Sozietäten gearbeitet und...
Giancristofano_Isabel
„Eine bedachtere, dafür aber besser umsetzbare Regulierung seitens der Gesetzgeber würde der Wirtschaft sehr helfen.“
Seit gut drei Jahren leitet Isabel Giancristofano jetzt die Rechtsabteilung 
bei Condor, und wie sie sagt, ist sie immer „noch beeindruckt davon, was 
das...
Manuel_Sternisa
„Wir bilden das Verantwortungsbewusstsein und die Zukunftsorientierung der Firmengruppe auch im Rechtsbereich ab.“ 
Gut fünf Monate ist Manuel Sternisa aus seiner eineinhalb Jahre währenden Auszeit nach der Tätigkeit für den FC Ingolstadt 04 wieder zurück im Beruf....