In-house Counsel: Frau Boßeler, was ist so eigentlich so faszinierend am Thema Geldwäsche?
Pia Boßeler: Ich nehme mir gerne Themen vor, die andere nicht machen, ich stelle mich gerne breit auf. Das Geldwäschegesetz brachte plötzlich Verpflichtungen für jede Kanzlei. Ernsthaft beschäftigt hatten sich damit aber nur Menschen, die sich im Bank- und Kapitalmarktrecht auskannten. Das hat mich neugierig gemacht und zusätzlich motiviert. Tatsächlich habe ich den Aufwand seinerzeit aber unterschätzt. Während der Beschäftigung kam die Faszination eher daher, dass es ein Gesetz geben kann, dass derart schlecht umgesetzt ist. Sehr viele haben Verpflichtungen, es drohen hohe Strafen, aber keiner weiß so recht, was zu tun ist. Wie kann etwas, das so viele angeht, so wenig bekannt sein – und so undurchsichtig, dass es wirklich sehr guter Beratung bedarf?
Was bedeutet für Sie Erfolg?
Pia Boßeler: Am Ende ist der erfolgreich, der mit der Situation, die er für sich schafft, glücklich und zufrieden ist und sich nicht an andere Stelle wünscht. Für mich persönlich heißt das, dass ich dazulernen, mich immer weiterentwickeln und Anerkennung für meine Arbeit haben möchte, und gerne das, was ich gelernt habe, an andere weitergebe. Außerdem ist es mir sehr wichtig, dass ich die Ziele, die ich mir konkret setze, auch erreiche. Das gilt im Beruf ebenso wie beispielsweise im Sport. Die Ziele müssen für mich ambitioniert, aber auch realistisch gesetzt sein, damit diese wirklich motivieren.
Nach Anfangsjahren in einer Rechtsanwaltsgesellschaft arbeiten Sie jetzt in einem Scale-up. Wo lag oder liegt da der besondere Reiz? Ein solcher Schritt ist immerhin nicht ohne Risiko.
Pia Boßeler: Ich hätte keine bessere Entscheidung treffen können! Was ich an meiner Arbeit liebe: Jeder Tag bringt etwas Neues, es gibt kein Alltagsrauschen. Alles, was ich anpacke, gestalte ich neu: Die Aufgabe, etwas vom Start weg aufzubauen, auch ein Team selbst zusammenzustellen, eröffnet die Chance, Vorstellungen zu verwirklichen und die Umgebung mit meinen Ideen zu prägen. Wir haben eine großartige Feedback-Kultur, der hohe Grad an Diversität sorgt dafür, dass wir uns schnell weiterentwickeln können. Ich erlebe mehr Entscheidungsfreude anstelle mitunter mühseliger Lösungsfindung mit viel Hin- und Herüberlegen. Last but not least genieße ich die flachen Hierarchien und die Offenheit untereinander. Inhaltlich begeistert mich der Innovationsgrad unseres Produkts. Zudem kann ich mich mit folgendem Ziel sehr gut identifizieren: Wir wollen es für Menschen attraktiver machen, Wasser zu trinken. Wir wollen den Menschen ein Geschmackserlebnis ermöglichen, dem Konsumenten aber die damit sonst zwangsläufig verbundene Aufnahme von Zucker und anderen, ungesunden Zusatzstoffen ersparen.
Wo liegen denn die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit?
Pia Boßeler: Die Aufgabenbereiche sind sehr vielfältig. Im Fokus stehen zum einen das Vertragsrecht und die Unterstützung der einzelnen Departments, die mit der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb unserer Produkte beschäftigt sind. Zum anderen spielt unter vielen Gesichtspunkten das Thema Internationalität eine große Rolle: Dabei geht es generell um das Zurechtfinden in einem internationalen Marktumfeld, auf der anderen Seite aber auch um zahlreiche Detailfragen: Wie löse ich es, dass Mitarbeitende überall arbeiten können? Was passiert mit dem Vertrieb in Schweden, wo wir kein Entity haben, für den wir aber schwedisches Personal einstellen wollen und eine Lohnbuchhaltung benötigen? Wie löse ich es, dass wir von Deutschland aus mit AGB agieren, die sich nach dem Europarecht richten, es aber in einzelnen Ländern Besonderheiten gibt? Wie gehe ich damit um, dass einige Vertragspartner partout keinen englischsprachigen Vertrag und/oder die Anwendbarkeit deutschen Rechts akzeptieren wollen? Ein wichtiger Bereich ist zudem Regulatory, da wir lebensmittelrechtlichen Bestimmungen unterliegen. Außerdem spielt in einem Unternehmen, das von Investoren unterstützt wird, das Gesellschaftsrecht in vielen Facetten eine Rolle. Zu nennen ist zudem Intellectual Property. Dafür haben wir in der Rechtsabteilung ein eigenes Department mit drei Experten.
Wenn Sie einmal den Blick über den Tellerrand des Unternehmens richten: Was sind aus Ihrer Sicht zurzeit wichtige Trends am Rechtsmarkt?
Pia Boßeler: Ich denke, dass viele Rechtsabteilungen bei der Digitalisierung noch viel nachzuholen haben – ich habe diesbezüglich das Glück, in ein sehr affines Unternehmen gekommen zu sein. Nicht allein Systeme umzustellen, ist eine Herausforderung, sondern mit der Dynamik zurechtzukommen und gleichsam mitzuwachsen. Es existieren sehr viele Tools, viele Schnittstellen, Anforderungen von vielen Stakeholdern. Das alles unter einen Hut zu bekommen, bedeutet viel Arbeit und erfordert höchste Sorgfalt. Ein weiterer bestimmender Bereich ist die EU-Compliance. Die Union mag es gut meinen mit ihren Regelungen für alle. Meiner Meinung nach leidet darunter die Praxistauglichkeit. Die Politik bewegt sich an der Realität vorbei und zwingt Unternehmen in eine andere Realität.
Wie ließe sich das ändern?
Pia Boßeler: Wenn ich es in ein Stichwort fassen muss, meine ich hauptsächlich mehr Berechenbarkeit. Dahinter steckt die Notwendigkeit einer viel deutlicheren Praxisorientierung. Das Dilemma ist, dass Menschen, die weder Juristen noch Experten sind, Gesetze entwickeln, die dann zudem nicht einmal stringent ausgelegt werden.
EINBLICKE …
Persönliches
Wo trifft man Sie, wenn Sie gerade nicht bei der Arbeit sind? Was machen Sie privat gerne?
Ich mache gerne Sport oder bin in Gesellschaft von Freunden. Die wichtigsten sportlichen Aktivitäten sind Volleyball – ich spiele in Verein und Liga – und Bergsport in allen denkbaren Varianten: Wandern, Skitouren, Ski-Alpin und Langlauf, Snowboard, Freeride. Da bin ich auch sehr ambitioniert. Ich brauche Sport, bei dem ich gut abschalten kann – Volleyball erfordert höchste Konzentration, Bergsport ist pure Anstrengung und Adrenalin, beides genieße ich sehr.
Welche Musik hören Sie gerne?
Ich muss mich wohl als Musikbanause bezeichnen (lacht). Eine spezielle Ausrichtung habe ich nicht und nehme Musik eher als Alltagsbegleitung wahr. Während des Studiums habe ich gerne Elektromusik gehört.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Wenn ich meinen Laptop schließe, habe ich im Grunde genug gelesen. Schon eher greife ich zu einem Hörbuch. Da ist das Netflix-Buch „No rules rules“ die nächste Wahl, auch weil das zur Philosophie unseres Unternehmens passt.
Den perfekten Tag gibt es nicht. Was ist ein nahezu perfekter Tag für Sie?
Unter der Woche startet der früh mit einer sportlichen Aktivität, etwa im Freibad in der Morgensonne. Im Büro ist mir der Austausch wichtig. Schön ist es, wenn ich zentrale Angelegenheiten voranbringen kann. Wenn es am Abend dann noch zum Volleyballtraining geht, ist das erfüllend. In der Freizeit motiviert mich ein Wintertag mit viel Sonne und Neuschnee zu einer Skitour – am liebsten in einer Gegend, wo ich den ganzen Berg für mich habe, noch keine Spur zu sehen ist und wo ich die nach oben zurückgelegten 1.500 Höhenmeter im feinsten Pulverschnee wieder herunterfahren kann.
PIA BOSSELER
Pia Boßeler ist Head of Legal bei air up, dem weltweit ersten wiederbefüllbaren Trinksystem, das Wasser allein durch Duft aromatisiert. Seit der Markteinführung im Juli 2019 verzeichnet das Unternehmen einen kontinuierlichen Erfolgskurs: Neben Markteintritten in insgesamt neun Ländern beschäftigt air up heute 240 Mitarbeitende und plant den US-Launch im Sommer 2022. Pia Boßeler leitet seit rund eineinhalb Jahren die Rechtsabteilung. Ihre Abteilung hat sieben Mitarbeitende und ist weiterhin auf der Suche nach Zuwachs.
„Wir befinden uns in einem extrem dynamischen Umfeld und legen gleichzeitig Wert auf eine sauber aufgebaute, nachhaltig funktionierende Organisation“, sagt Pia Boßeler, „deshalb muss dieser Bereich entsprechend mit Personal abgedeckt sein.“ Vor ihrer Tätigkeit als Inhouse- Juristin war sie fünfeinhalb Jahre bei der Warth & Klein Grant Thornton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH beschäftigt und durchlief dort mehrere Karrierestufen. Ihr Studium absolvierte sie an der Universität zu Köln, ihre Referendarszeit in Karlsruhe.
Das Interview führte Alexander Pradka