Und Geld stinkt doch

Deutschland zählt zu den Lieblingsländern für Geldwäscher. Das liegt an der wirtschaftlichen 
Stabilität, vergleichsweise laxen Vorschriften und komplexen behördlichen Zuständigkeiten. 
Doch Bundesregierung und EU rüsten auf: Schärfere gesetzliche Vorgaben und neue Technologien sollen den Kriminellen das Leben schwer machen.
vom 21. November 2023
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Am frühen Morgen des 3. Mai schlugen die Ermittler zu: In einer konzertierten Aktion stürmten schwer bewaffnete Polizeibeamte Wohnungen und Gastronomiebetriebe in fünf Bundesländern. Über 1000 Beamte waren im Einsatz, 108 Haftbefehle wurden vollstreckt. Im Fokus der Ermittler stand dabei die italienischen Mafiaorganisation „Ndrangheta“, die Deutschland seit Jahren als Rückzugsort nutzt – und mithilfe von Pizzerien und Eisdielen ein weitverzweigtes Geldwäschesystem aufgebaut hat, um aus illegalen Aktivitäten stammendes Geld in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Deutschland zählt zu den Lieblingsländern der organisierten Kriminalität – und wird auch aufgrund seiner Rechtssicherheit und wirtschaftlichen Stabilität gerne als sicherer Hafen genutzt. „Investitionen etwa in den Immobiliensektor haben sich in der Vergangenheit als werthaltig und ziemlich sicher erwiesen“, sagt Thomas Walkner, Managing Principal und Head of AFC/KYC Guild beim Beratungsunternehmen Capco. „Der hiesige Immobiliensektor genießt bei Geldwäschern besondere Beliebtheit, weil die örtlichen Behörden keine Detailprüfung vornehmen, sobald mehr als vier Personen wirtschaftlich berechtigt sind.“ Dabei steht gerade der Immobiliensektor aufgrund der hohen Investitionssummen, die hier in der Regel üblich sind, immer wieder im Fokus, wenn es um das Einschleusen illegaler Gelder geht. Ein besonderes Problem sehe man zudem im Zusammenhang mit Bargeldzahlungen und einer grundsätzlich nicht bestehenden Bargeldobergrenze, ergänzt Dr. Susanne Stauder, Rechtsanwältin und Partnerin am Düsseldorfer Standort der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Zum Vergleich: In Italien sind Bargeldzahlungen jenseits von 5000 Euro verboten, in Frank-reich liegt die Obergrenze sogar bei 1000 Euro. „Zwischenzeitlich wurden in besonders betroffenen Bereichen aus dem Nichtfinanzsektor, gerade im Immobiliensektor, bereits Verschärfungen umgesetzt“, so die Expertin für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. So besteht seit April dieses Jahres etwa das Verbot, Immobilien mit Bargeld zu bezahlen – das Ende 2022 in Kraft getretene Sanktionsdurchsetzungsgesetz II verbietet in diesem Bereich Bargeldtransaktionen jenseits der Summe von 10.000 Euro. Was Deutschland ebenfalls für die organisierte Kriminalität attraktiv macht, sind die bis dato sehr komplexen und unübersichtlichen Zuständigkeiten bei den Behörden, sagt Capco-Geldwäscheexperte Walkner. „Das System ist fragmentiert und damit anfälliger für neue Strategien von Kriminellen. Unterschiedliche Branchen sind mit unterschiedlichen Zuständigkeiten konfrontiert.“ Das Ganze soll nun aber auch in Deutschland zunehmend zentralisiert werden. So plant die Bundesregierung den Aufbau eines Bundesamtes für die Bekämpfung von Finanzkriminalität, das die Zuständigkeiten klar definieren und schärfen soll. Dieser Prozess wird aber eine Aufbauzeit bis 2027 erfordern. „Deutschland steht unter starkem internationalem Druck, im Bereich der Geldwäscheprävention und -bekämpfung mehr zu tun“, sagt Tommas Kaplan, Chief Compliance Officer und Head of HR bei Von Poll Immobilien.

Tommas-Kaplan

„Deutschland steht unter starkem internationalem Druck, im
Bereich der Geldwäscheprävention und -bekämpfung mehr zu tun.“

Tommas Kaplan
Chief Compliance Officer und Head of HR,
Von Poll Immobilien

Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften

 

Die Financial Action Task Force, der internationale Standardsetzer für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, habe im Rahmen ihrer Überprüfung Deutschlands festgestellt, dass die Gesetzgebung hierzulande gut aufgestellt ist – die Umsetzung der gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben sei jedoch unzureichend, so der Unternehmensjurist. „Leider verbessert der Gesetzgeber bisher nicht die Umsetzung durch die Aufsichts-, Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie Verpflichtete, sondern erweitert die Regelungen und gesetzlichen Vorgaben – also den Bereich, der bereits gut bewertet wird.“ Das Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften, das zum 1. April dieses Jahres in Kraft getreten ist, hat zur Folge, dass Immobilientransaktionen ab einem Wert von 10.000 Euro ausschließlich per Banküberweisung oder über ein Notaranderkonto abgewickelt werden dürfen. Die Regelung erstreckt sich auch auf den Erwerb von Gesellschaftsanteilen, wenn Immobilien zum Gesellschaftsvermögen gehören. „Die Kaufvertragsparteien haben gegenüber dem Notar nachzuweisen, dass der Kaufpreis in voller Höhe bargeldlos geleistet wurde“, erläutert Kaplan. „Als Nachweis kommen Zahlungsbestätigungen der an der Transaktion beteiligten Kreditinstitute des Verkäufers und Käufers in Betracht, also Kontoauszüge oder Zahlungseingangsbestätigungen der kontoführenden Bank des Verkäufers.“ Der Notar muss die von den Kaufvertragsparteien vorgelegten Unterlagen prüfen. Erst nach positiver Schlüssigkeitsprüfung erfolgt die Eintragung ins Grundbuch. Liegt dem Notar innerhalb einer angemessenen Frist kein schlüssiger Nachweis vor und hat der Notar erfolglos zur Vorlage des Nachweises aufgefordert, muss er eine Verdachtsmeldung abgeben und die Transaktion für fünf Tage stoppen, bis die Financial Intelligence Unit (FIU) über das weitere Vorgehen entscheidet.

Finanzsektor kommt zentrale Bedeutung zu

 

Vergleichsweise weit fortgeschritten sind die Anti-Geldwäsche-Bemühungen im Bankensektor. „Der Bankensektor ist führend im Vergleich zu anderen Branchen“, sagt Geldwäsche-Experte Walkner. „Das Thema ist seit Jahren im Fokus. Geldhäuser gehen oft mit eigenen Teams gegen Kriminelle vor.“ Der Finanzsektor sei sich der zentralen Bedeutung beim Kampf gegen die Geldwäsche absolut bewusst. Erwartet wird momentan die 6. Europäische Geldwäscherichtlinie, die hier weitere Leitplanken setzen soll. Die letzten Jahre hätten jedoch gezeigt, dass auch der Bankensektor mit neuen Herausforderungen konfrontiert ist – etwa im Bereich der Zahlungsströme mit dem Ausland. „Diese steigen rasant an und machen die Überwachung komplexer denn je“, sagt Walkner. Trends wie Stablecoins oder Kryptowährungen dürften perspektivisch weitere Komplexitätsverschärfungen mit sich bringen. „Die Überprüfung und Überwachung der digitalen Ströme ist derzeit eine zentrale Herausforderung für die Banken“, so der Experte. Die BaFin habe die Institute genau im Blick, Nachlässigkeiten oder eine unzureichende Umsetzung von Anti-Money-Laundering (AML)-Pflichten würden nicht mehr geduldet, sagt Heuking-Juristin Stauder. „Allerdings besteht immer die Gefahr, bei der Umsetzung neuer oder verbesserter Vorgaben hinterherzuhinken.“ Dies liege gewissermaßen in der Natur der Sache: Wer illegal erlangtes Geld in den Wirtschaftskreislauf zurückführen wolle, finde im Rahmen der bestehenden Strukturen zumeist entsprechende Möglichkeiten. „Gesetzliche Vorgaben, die daran angepasst werden, um diese Optionen bestenfalls zu verhindern, folgen stets nachgelagert“, erklärt Stauder. „Probleme bei der praktischen Umsetzung sind diesem System damit gewissermaßen immanent.“ Die Europäische Union ist bestrebt, über ein neues Maßnahmenpaket die Geldwäschebekämpfung regulatorisch stärker EU-weit zu vereinheitlichen und zugleich eine straffere Aufsicht für den Finanzsektor zu schaffen. „Auch die Bundesregierung wie auch die Landesregierungen sehen die Gefahr, die vom Einbringen inkriminierter Gelder in den Wirtschaftskreislauf ausgehen und unternehmen Anstrengungen, dies zu verhindern“, sagt Arndt Rodatz, Partner und Leiter Steuerstrafrecht bei KPMG Law. „Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist eine multidisziplinäre Aufgabe unter Beteiligung vieler staatlicher Akteure auf unterschiedlichen Ebenen.“

Dr-Susanne-Stauder

„Die BaFin hat die Institute genau im Blick, Nachlässigkeiten oder
eine unzureichende Umsetzung von Anti-Money-Laundering-Pflichten
werden nicht mehr geduldet.“

Dr. Susanne Stauder
Rechtsanwältin und Partnerin,
Heuking Kühn Lüer Wojtek

Technologische Entwicklungen helfen den Ermittlern

 

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Nationalen Risikoanalyse habe die FIU ein Eckpunktepapier zu Risiko-schwerpunkten im Verdachtsmeldewesen erstellt, das dazu beitrage, eingehende Verdachtsmeldungen in der Bewertungs- und Analysearbeit zu priorisieren, erklärt Rodatz. „Die identifizierten Risikoschwerpunkte werden fortlaufend auf ihre Gültigkeit, Fortentwicklung und Anpassung hin evaluiert, unter Einbeziehung von Strafverfolgungsbehörden und unter Beteiligung der Verpflichteten.“ Konkrete Maßnahmen in den letzten Jahren waren eine strengere Regulierung des Handels mit Kunst und Edelmetallen sowie von Auktionshäusern. Im Immobiliensektor wurde zudem über eine spezielle Verordnung die Schwelle für Verdachtsmeldungen relevanter Marktteilnehmer erheblich abgesenkt und über eine Verknüpfung der Grundbücher mit dem immer umfassenderen Transparenzregister eine stärkere Transparenz über Eigentumsverhältnisse geschaffen. Die Maßnahmen von EU und Bundesregierung würden in die richtige Richtung weisen, meint KPMG Law-Experte Rodatz. „Insbesondere die auf EU-Ebene angekündigte Harmonisierung von Compliance-Regelungen dürfte den Compliance-Aufwand für den Rechtsanwender in der Praxis wieder etwas reduzieren.“ An vielen Stellen werde jedoch auch ein bürokratischer Mehraufwand geschaffen, der in keinem Verhältnis zu erzielten Erfolgen stehe. „Marktteilnehmern fehlt regelmäßig ein Feedback insbesondere der FIU aber auch der Aufsicht, um eigene Compliance-Maßnahmen fortzuentwickeln“, kritisiert Rodatz. „Hier wäre ein engerer Austausch sehr wünschenswert.“ Technologische Entwicklungen etwa im Bereich generativer KI hätten dabei das Potenzial, den Kampf gegen die organisierte Kriminalität unterstützen, ergänzt Christian Judis, Senior Manager bei KPMG Law. So baue das Bundeskriminalamt (BKA) seine Kenntnisse im Bereich digitale Finanzermittlungen sowie zum Umgang mit Big Data im Rahmen von Ermittlungsverfahren – etwa bei der Analyse und Auswertung der Panama Papers oder anderer Leaks – kontinuierlich aus. „Für die Evaluierung möglicher künftiger Anwendungsfelder digitaler Technologien hat die BaFin kürzlich eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe ‚Digitalisierung der Geldwäscheprävention‘ gegründet“, so Judis. „Digitalisierung und innovative Technologien bieten aber auch für den Finanzsektor selbst Chancen für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, beispielsweise beim Erkennen bestimmter Muster und beim Monitoring, perspektivisch auch durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz.“ Für Heuking-Anwältin Stauder liegt es nahe zu hoffen, dass durch den Einsatz generativer KI nicht nur die Anzahl, sondern zugleich auch die Qualität der Meldungen verbessert werden könnte. „Eine Effektivitätssteigerung wird man dadurch sicherlich erreichen, drängt sich doch aktuell der Eindruck auf, dass mit Blick auf die AML-Pflichten Daten ohne Sinn und Verstand und völlig unstrukturiert erhoben werden, diese aber mangels Qualität und Quantität entsprechenden Personals weder ausgewertet noch sinnvoll weiterverwendet werden können“, so die Wirtschaftsstrafrechts-Expertin. „Ob am Ende des Einsatzes solcher Technologien künftig die Erkenntnis stehen wird, dass Deutschland seinen informellen Status als Geldwäsche-Paradies verliert, bleibt aber abzuwarten.“

Harald Czycholl

Beitrag von Alexander Pradka

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