Damit Werbung nicht zum Eigentor wird

Viele Unternehmen engagieren bekannte Gesichter für Werbekampagnen, um Aufmerksamkeit zu 
erzeugen. Doch wenn ein Prominenter in einen Skandal verwickelt ist, kann das auch nach hinten 
losgehen. Wie Unternehmen Verträge mit Werbepartnern gestalten sollten, um sich abzusichern.
vom 21. November 2023
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Es war ein außergewöhnlicher Kurzfilm im Kinoformat, den der Online-Poker-Anbieter GGPoker im Frühjahr dieses Jahres für seine Werbekampagne nutzte – mit einer außergewöhnlichen Hauptfigur: Kein geringerer als Rammstein-Frontsänger Till Lindemann – selbst leidenschaftlicher Pokerspieler – konnte für die Produktion gewonnen werden. Innerhalb des vierminütigen Clips spielt er gleichzeitig mehrere, charakteristisch stark unterschiedliche Rollen: einen leicht größenwahnsinnigen Cowboy, der das Pokerspiel kaum erwarten kann. Einen überheblichen Punk. Außerdem einen unberechenbaren, äußerlich kühlen Pokerprofi mit blondiertem Haar in H.P.-Baxxter-Optik und schöner Frau in rotem Kleid an seiner Seite, die süffisant lächelt, wenn ihr Partner einen erfolgreichen Spielzug tätigt. Und einen streberhaften, verrückt gewordenen Nerd verkörpert er genauso wie einen manisch rechnenden Professor. Mit seiner typischen Lindemann-Stimme sagt er dabei R-rollend Verse auf, die das Pokerspiel und den darin vorherrschenden Wahnsinn umschreiben sollen. Das Fazit des Clips in Lindemanns Worten: „Kontrolliere meine Wut – es geht mir wieder gut“. Der äußerlich kühl wirkende Pokerprofi, der im Gegensatz zu Cowboy, Nerd oder Punk ruhig geblieben ist, gewinnt am Ende die Partie. „Gute Spieler sammeln Erfahrung und entwickeln ihre Fähigkeiten weiter, anstatt sich von Emotionen leiten zu lassen“, schrieb GGPoker auf YouTube zu dem Video. Marketing Director Sven Stiel ließ sich in einer Pressemitteilung mit blumigen Worten zitieren: „Poker ist ein Spiel, bei dem man enorm viel fürs Leben lernt. Wer pokert, stärkt seine Persönlichkeit und kann andere Menschen besser lesen und verstehen. Wir freuen uns, dass wir mit Till Lindemann einen so starken und faszinierenden Protagonisten gefunden haben, der seine ganz eigene Interpretation dieser Fähigkeiten mit einbringt.“ Mit dem Ergebnis sei man sehr glücklich. Weit weniger blumig klang Stiels Statement nur zwei Monate später: Man sei zutiefst erschüttert und schockiert, erklärte er. „Wir distanzieren uns ausdrücklich und vollumfänglich, da die im Raum stehenden Vorwürfe in keinster Weise mit den von uns vertretenen Werten und Moralvorstellungen vereinbar sind. Allen Betroffenen möchten wir unser aufrichtiges Mitgefühl ausdrücken.“ Die Zusammenarbeit werde sofort beendet. Mitten in die laufende Werbekampagne war nämlich der unappetitliche Sexskandal rund um Till Lindemann geplatzt: Junge Frauen warfen ihm vor, auf After-Show-Partys unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht worden zu sein, beinahe täglich sah sich der Künstler mit neuen Vorwürfen und Enthüllungen konfrontiert. GGPoker stoppte daraufhin die Werbekampagne. Dabei hatte man – zumindest aus Marketingsicht – mit dem Lindemann-Kurzfilm eigentlich alles richtig gemacht: „Unternehmen und Agenturen engagieren bekannte Gesichter für ihre Kampagnen, um vor allem Aufmerksamkeit zu erzeugen – bei den Fans des Promis, aber auch bei anderen Personen, die einfach nur einen Aha-Moment des Wiedererkennens erleben“, erklärt Prof. Dr. Lutz Frühbrodt, Leiter des Studiengangs Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt.

Lutz-Fruehbrodt

„Wer mit Medienpromis wirbt, lebt natürlich auch immer mit dem Risiko, dass der Star plötzlich Image-Probleme verschiedenster Art bekommt, die auf das Produkt des Unternehmens abstrahlen.“

Prof. Dr. Lutz Frühbrodt
Leiter des Studiengangs Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation,
Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Beendigung von Werbeverträgen

„Idealerweise begegnen die Medienkonsumenten dem Promi mit Sympathie und Vertrauen, was auf das beworbene Produkt übertragen werden soll.“ Doch der Schuss kann – wie im Fall Lindemann geschehen – auch nach hinten losgehen: „Wer mit Medienpromis wirbt, lebt natürlich auch immer mit dem Risiko, dass der Star plötzlich Image-Probleme verschiedenster Art bekommt, die auf das Produkt des Unternehmens abstrahlen“, so Medienexperte Frühbrodt. „Das kann von einer unbedachten Äußerung, die die Öffentlichkeit als sexistisch oder rassistisch interpretiert, bis zu handfesten rechtlichen Problemen reichen.“ Nicht nur GGPoker, auch andere Unternehmen zogen nach Bekanntwerden des Skandals um Till Lindemann die Reißleine. Die Drogeriemarktkette Rossmann etwa nahm spezielle Rammstein-Parfums aus dem Sortiment – zumal die Namen der Düfte mit „Kokain“, „Sex“ und „Pussy“ im Zusammenhang mit dem Sexskandal wie ein schlechter Scherz wirkten. „Die Entwicklungen waren Anlass für uns, den Online-Verkauf des Rammstein-Parfüms einzustellen und sämtliche Schritte einzuleiten, um die Bewerbung der Produkte zu stoppen“, erklärte eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage des „In-house Counsel“. Vertreter der Rechtsabteilung waren zu keiner Stellungnahme bereit. In welcher Form Werbeverträge beendet werden können, hängt grundsätzlich von der Vertragsgestaltung ab. Im Fall von GGPoker war es ganz einfach: Der Vertrag mit Till Lindemann lief ohnehin nur bis Juni – eine Verlängerung der Zusammenarbeit war zwar angedacht, wurde dann aber angesichts der Entwicklungen nicht realisiert. Bei einer längeren Vertragslaufzeit enthalten solche Verträge zur Risikoabsicherung in aller Regel Ausstiegsklauseln, die sich vor allem auf rechtliche Probleme des Prominenten beziehen, teilweise aber auch auf imageschädigende Handlungen etwa durch politische Äußerungen. „Den Werbepartnern werden üblicherweise verschiedene Verpflichtungen auferlegt, die je nach Vertrag variieren können“, erklärt Dr. Constantin Rehaag, Partner und Europe Co-Head of Intellectual Property, Data and Technology Group bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Dentons. „Dazu gehören etwa die Erbringung der vereinbarten Werbeleistung in der vorgesehenen Qualität und Frist und auch die Unterlassung von negativen oder schädigenden Äußerungen oder Handlungen, die das Ansehen oder die Interessen des Werbeauftraggebers beeinträchtigen könnten.“

Absicherung mit Kündigungsklauseln

Die Zusammenarbeit lässt sich vor allem dann schnell und geräuschlos beenden, wenn der Vertrag entsprechende Kündigungsklauseln enthält. „Diese sollten es dem Werbeauftraggeber erlauben, den Vertrag aus wichtigem Grund oder bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu beenden, ohne dass dem Werbepartner ein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz zusteht“, erläutert Rehaag. „Solche Bestimmungen können etwa bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen, bei Skandalen oder bei einem erheblichen Ansehensverlust des Werbepartners greifen.“ Entsprechende Klauseln seien grundsätzlich notwendig, so Dentons-Experte Rehaag – sie bergen für den Prominenten jedoch auch Risiken: „Öffentliche Anschuldigungen und Vorverurteilungen in den Medien führen dann sehr schnell zum Ende einer Vertragsbeziehung und der entsprechenden Einnahmen, selbst dann, wenn sich solche Vorwürfe juristisch im Nachhinein nicht begründen lassen.“ Bei der vorzeitigen Beendigung von Werbekampagnen können unter Umständen auch Schadensersatzansprüche gegenüber dem prominenten Werbepartner bestehen, sagt Rehaag. Dies gelte dann, „wenn dieser den Vertrag schuldhaft verletzt hat oder für den Grund der Beendigung verantwortlich ist“. Der Schadensersatzanspruch könne sich auf die Kosten für die Werbemittelproduktion, die Werbeschaltung, die Vertragsanbahnung oder die Vertragsbeendigung beziehen, aber auch auf den entgangenen Gewinn oder den Reputationsverlust des Werbeauftraggebers, so der Dentons-Anwalt. „Hier hängt jedoch sehr viel von der konkreten Gestaltung des einzelnen Vertragswerks ab.“ Grundsätzlich würden Werbeverträge mit Prominenten oder auch Influencern „je nach Art und Umfang der Werbeleistung, der Vergütung, der Laufzeit, der Exklusivität und der rechtlichen Rahmenbedingungen gestaltet“, erläutert Rehaag. Besonders wichtig seien hierbei die klare Definition der Werbeleistung und der Werbeziele, die Festlegung der Vergütung und der Zahlungsmodalitäten, die Regelung der Exklusivität und der Wettbewerbsverbote, die Vereinbarung von Nutzungsrechten und -pflichten, die Bestimmung von Haftungs- und Gewährleistungsfragen, die Vorsorge für mögliche Vertragsverletzungen oder -beendigungen und die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, etwa mit Blick auf das Urheber-, Persönlichkeits-, Marken- und Wettbewerbsrecht.

Dr-Constantin-Rehaag

„Kündigungsklauseln sollten es dem Werbeauftraggeber erlauben, den Vertrag aus wichtigem Grund oder bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu beenden, ohne dass dem Werbepartner ein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz zusteht.“

Dr. Constantin Rehaag
Partner und Europe Co-Head of Intellectual Property,
Data and Technology Group, Dentons

Influencer müssen Werbung angemessen kennzeichnen

 

Das Thema Wettbewerbsrecht spielt vor allem bei der Zusammenarbeit mit Influencern in den sozialen Medien eine wichtige Rolle. „Nicht ganz zu Unrecht wird Influencern nachgesagt, dass sie sich sehr viel künstlerische Freiheit nehmen, selbst wenn es sich um Auftragsproduktionen handelt“, sagt Medienexperte Frühbrodt. Dies gelte ganz allgemein, aber zuweilen eben auch für die Werbekennzeichnung. Diese ist von den Landesmedienanstalten vorgeschrieben, so dass die Follower der Social-Media-Stars nicht durch bezahlte Postings hinters Licht geführt werden können. „Influencer müssen sich an die Kennzeichnungsvorschriften der Landesmedienanstalten halten“, sagt Frühbrodt. Diese würden ihre Matrix immer wieder aktualisieren und hätten beispielsweise inzwischen auch Podcasts mit aufgenommen. „Darüber hinaus gelten die aktuellen Urteile der Gerichte“, so der Medienexperte. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass Influencer jegliche Beiträge, die der Verkaufsförderung eines Unternehmens dienen, als „Werbung“ kennzeichnen müssen – auch wenn sie dafür kein Geld, sondern lediglich die beworbene Ware geschenkt bekommen haben (BGH, Urteil vom 13.01.2022 – Aktenzeichen I ZR 35/21).

 

Die Werbekennzeichnung müsse in der Regel durch entsprechende Hinweise wie „Werbung“, „Anzeige“ oder „gesponsert“ erfolgen, die unmittelbar vor oder bei der Werbung platziert werden müssen. „Der Verbraucher sollte stets in der Lage sein, werbliche Inhalte auf den ersten Blick zu erkennen“, erklärt Dentons-Jurist Rehaag. Die Verantwortung für die Werbekennzeichnung liegt dabei zwar grundsätzlich bei dem Influencer, der die Werbung veröffentlicht. „Allerdings kann auch der Werbeauftraggeber haftbar gemacht werden, wenn er die Werbung in Auftrag gegeben, beeinflusst oder gebilligt hat oder wenn er von der fehlenden oder unzureichenden Werbekennzeichnung Kenntnis hatte oder haben musste“, erläutert Rehaag. Dies ergebe sich aus § 8 Absatz 2 UWG. „Um sich als Unternehmen entsprechend abzusichern, sollte daher mit dem Influencer vertraglich vereinbart werden, dass er die Werbekennzeichnung gemäß den rechtlichen Vorgaben vornimmt, dass er den Werbeauftraggeber von etwaigen Ansprüchen oder Sanktionen freistellt, die aufgrund einer fehlenden oder unzureichenden Werbekennzeichnung entstehen könnten, und dass er den Werbeauftraggeber über die Werbung informiert und gegebenenfalls eine Freigabe einholt“, rät Rehaag. Denn wenn eine Werbekampagne, die das Image eines Produkts oder einer Marke fördern sollte, plötzlich im Zentrum eines Medienskandal steht, kann sie schnell zum Eigentor geraten. 

 

Harald Czycholl

Beitrag von Alexander Pradka

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