Über ein Compliance-System verfügte das Unternehmen Siemens Energy schon vor dem Inkrafttreten des LkSG. Das beinhaltete das Thema Menschenrechte und ein einen Prozess zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit in der Lieferkette. In der Vorbereitung auf das Gesetz hat Siemens Energy die Prozesse erweitert und angepasst. „Die Beschäftigung mit dem LkSG hat dazu geführt, dass wir unsere eigenen Prozesse noch besser strukturiert, dokumentiert und insgesamt noch mehr Transparenz zu Menschenrechts- und Umweltthemen in der eigenen Lieferkette und im eigenen Geschäftsbereich geschaffen haben“, berichtet Ilkin Karakaya, International General Counsel bei Siemens Energy. 2021 hat das Unternehmen begonnen, sich auf die Umsetzung des neuen Gesetzes vorzubereiten. Eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe, die heute als „Human Rights Office“ fungiert, hat die Anforderungen des LkSG analysiert. „Die Governance für das Thema hat der Vorstand der Compliance-Funktion zugewiesen“, so Karakaya. „Der Group Compliance Officer agiert zugleich als Menschenrechtsbeauftragter.“ Die nächsten Schritte waren die Anpassung der bestehenden Beschwerdemechanismen samt Verfahrensordnung sowie die Durchführung der Risikoanalyse und die Verabschiedung des Human Rights Policy Statements. Die Umsetzung begleiten Schulungen und Awareness-Maßnahmen. Stand zu Beginn die Implementierung der Prozesse im Vordergrund, liege die Konzentration auf den Inhalten, also etwa der Durchführung der eigentlichen Risikoanalyse und der Auswertung ihrer Ergebnisse. Auch beim Kunststoffverarbeiter Röchling war vom Start weg ein unternehmensbereichs- und themenübergreifendes Team mit der Umsetzung beschäftigt. „Viel Zeit in Anspruch nahm die Konzeption der Risikoanalyse, sowohl für den eigenen Geschäftsbereich als auch für die Lieferantenkette“, betont Holger Funk, Chief Compliance und Human Rights Officer bei der Unternehmensgruppe. Im Zuge der LkSG-Einführung hat Röchling das Hinweisgebersystem erneuert und professionalisiert. Aktuell beschäftigt die Verantwortlichen die Auswertung der Rückmeldungen. „Es gilt, die Daten zu analysieren, die sich aus den Fragebögen zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken ergeben, die wir an unsere weltweiten Standorte verschickt haben“, so Funk. Die Ergebnisse sind Basis für zu etablierende Maßnahmen, die dann auch kommuniziert werden müssen. „Als letzten Schritt werden wir, soweit möglich, die Berichterstattung an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vorbereiten.“ Funk rechnet diesbezüglich nochmals mit einem großen Zeitaufwand. Er fragt sich, ob es wirklich sinnvoll ist, wenn bei entsprechender Mitarbeiterzahl mehrere deutsche Tochtergesellschaften eines Konzerns jeweils einen gesonderten Bericht an das BAFA senden müssen. „Es könnte ein gangbarer Weg sein, für die Töchter einen gesonderten Teilbericht in den Konzernbericht zu integrieren.“
„In einer standardisierten Wirtschaftswelt fordert das LkSG risikobasierte und damit individualisierte Präventions- und Abhilfemaßnahmen. Für Unternehmen
mit Tausenden von Lieferanten ist das eine große Herausforderung.“
Dr. Kai-Oliver Giesa
Rechtsanwalt und Partner
KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft
„Safe Harbour Environment“
Die Einordnung der sich aus dem Gesetz ergebenden Sorgfaltspflichten als Bemühenspflichten begrüßen sowohl Karakaya als auch Funk grundsätzlich. Damit verdeutlicht der Gesetzgeber, dass Unternehmen nicht alleine die Verhältnisse entlang der Lieferkette verändern können, sondern nur gemeinsam mit den Lieferanten und Akteuren vor Ort. „Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Prozessen wird honoriert“, lobt Funk. Eine Vielzahl von Beteiligten argumentiere zudem, dass eine gemeinsame, fortlaufende Verbesserung von Umwelt- und Menschenrechtsbedingungen bei einem Lieferanten werthaltiger ist, als der Austausch eines Lieferanten – sofern das überhaupt möglich ist. Karakaya gibt aber zu bedenken, dass außer Acht bleibt, dass „im Falle des erfolglosen Bemühens durchaus ein Rückzug aus bestimmten Lieferbeziehungen als ‚ultima ratio‘ erwartet wird.“ Das sei ein Schritt, der nicht immer ohne Auswirkungen auf die Kosten im Einkauf bleibt. „Hier wünschen wir uns für die betroffenen Unternehmen klare Signale und Unterstützung aus der Politik. Ganz konkret denke ich an die Schaffung eines ‚Safe Harbour Environments‘.“ Der General Counsel von Siemens Energy spielt dabei auf Konstellationen an, in dem ein in der EU ansässiges Unternehmen von Zulieferern abhängt, die in einem menschenrechtskritischen Umfeld tätig sind. Ein Beispiel dafür ist China. Das Problem kennt auch Freya Elisabeth Humbert, Associate bei der Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten: „Das LkSG kann zu einem Dilemma für Unternehmen führen, die einerseits zur Einhaltung des Gesetzes verpflichtet sind, jedoch andererseits Produktionsstätten in Ländern betreiben, die die Einhaltung von Menschenrechten nicht konsequent betreiben, beziehungsweise sogar sanktionieren. Deren Herausforderungen sind dann mehr politischen und wirtschaftlichen Ursprungs als rechtlicher Natur.“ Das unterstreicht, dass die Zielsetzungen des LkSG sicher notwendig sind und in der Theorie gut klingen, sich im Spannungsverhältnis zwischen einer ambitionierten nationalen Regelung und sehr restriktiven nationalen Gesetzen große praktische Herausforderungen ergeben. Um beim Beispiel China zu bleiben: Dort gibt es mit dem Anti-Spionage-Gesetz eine neue Regelung, die „unabhängige Informationsbeschaffungen, Audits oder unternehmensbezogene Ermittlungen weiter einschränkt und Sanktionsmöglichkeiten für Unternehmen und Privatpersonen drastisch verschärft“, wie Dr. Thomas Uhlig, Rechtsanwalt und Partner bei KPMG Law, zu berichten weiß. „Faktisch können fast alle Informationsbeschaffungen, die den nationalen Sicherheitsinteressen Chinas entgegenlaufen, als Spionage sanktioniert werden.“ Immerhin stehen die vom LkSG geforderten Maßnahmen unter dem Vorbehalt der Angemessenheit. „Es kann nicht angemessen und zumutbar sein, bei der Erfüllung der Anforderungen des LkSG Straftaten nach lokalem Recht zu begehen. Hier besteht ein Zielkonflikt, der zu einer Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten führt, ohne dass dies per se ein Verstoß gegen das LkSG sein muss.“
„Weil der Gesetzgeber seine Möglichkeiten unzureichend genutzt und
den Rechtsanwendern, Behörden und letztlich Gerichten einen zu großen Interpretationsspielraum hinterlassen hat, wird das LkSG vielerorts übererfüllt.”
Dr. Simon Spangler
Partner und Rechtsanwalt
Oppenhoff & Partner