Es gilt der Wahlspruch „je früher desto besser“. Das klingt banal, sollte aber beherzigt werden, nicht selten verstreicht zwischen der Bestimmung der Nachfolge und der Übergabe viel Zeit. Die Leistungskraft der alten Führungsfigur lässt unter Umständen nach und auf Übernehmerseite entsteht möglichweise Frust. Das „Loslassenkönnen“ ist ein Kernthema. „Wenn der Seniorchef oder die Seniorchefin das nicht kann, drohen zwei Alternativen auf der Nachfolgerseite: entweder es wird das Weite gesucht oder er oder sie reift nicht zum Unternehmer“, betont Dr. Detlev Heinsius, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht sowie Partner bei Ebner Stolz. „Dann wird es sehr schwierig für den Übernehmer, sich vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Kunden Respekt zu verschaffen und das kann sich negativ auf den weiteren unternehmerischen Erfolg auswirken.“ Nach der Nachfolgeentscheidung ist folglich umgehend mit der Umsetzung zu beginnen. Zu unterscheiden ist dann, ob der Übergeber sich mit einem klaren Schnitt zurückziehen möchte oder – und das ist die Regel – in irgendeiner Form beteiligt bleiben möchte, häufig in beratender Funktion. Im Falle der sukzessiven Übergabe ist die Festlegung eines früheren Startzeitpunktes umso wichtiger und es sollte auch für die Zusammenarbeit in dieser Form möglichst ein klarer Schlusspunkt gesetzt werden. „Der bisherige Unternehmenslenker sollte dann zwar beraten dürfen, sich aber bei der Führung zurückhalten“, sagt Dr. Katharina Hemmen, Rechtsanwältin und Steuerberaterin sowie Partnerin bei Poellath. „Beraten und führen ist ein ganz deutlicher Unterschied. Es ist oft nicht einfach, diese feine Unterscheidung zu treffen für jemanden, der jahrzehntelang selbst geführt hat.“ Im nächsten Schritt sollte der Unternehmer oder die Unternehmerin – eventuell gemeinsam mit Beratern und engen Vertrauten – die Schwerpunkte identifizieren, die im Rahmen der Übergabe abgearbeitet werden müssen. Es muss klar sein, wo die Prioritäten liegen, zum Beispiel in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht eine zukunftsfähige Struktur zu schaffen oder die Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer zu minimieren. „Möglicherweise soll ein Unternehmen so umstrukturiert werden, dass zum Übergabezeitpunkt möglichst wenig steuerschädliches Vermögen vorhanden ist, damit die Steuerlast möglichst niedrig ausfällt“, konkretisiert Katharina Hemmen. Es kann auch sein, dass die Wahrung des Familienfriedens die höchste Bedeutung hat, dann müssen andere Entscheidungen getroffen werden. Sind diese Ziele vorab geklärt, kann mit der Planung der Übergabe im engeren Sinne begonnen werden. Die Komplexität dieses Projekts ist nicht zu unterschätzen, deshalb sollten klare Verantwortlichkeiten festgelegt sein. Die Personen, die im Übergabeprozess eine wesentliche Rolle einnehmen, sollten bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Planung den ihnen zustehenden Platz zugewiesen bekommen und der Zeitpunkt des Eintritts in das Projekt festgelegt sein.
„Es muss Handlungsleitlinien für die Art und den Zeitpunkt der Unternehmensübergabe geben, jeweils in Abhängigkeit der persönlichen Situation, um das Unternehmen aus steuerlicher Sicht zum optimalen Zeitpunkt zu übertragen.“
Nadja Kuner Rechtsanwältin und Steuerberaterin sowie Partnerin, Ebner Stolz
Ermittlung des Status quo
Den gesamten Prozess sollte der juristische Beistand begleiten, der auch sonst erster Ansprechpartner in allen Rechtsfragen ist, je nach Größe des Betriebes kann das ein Einzelrechtsanwalt oder eine Einzelrechtsanwältin sein. „Das sind in der Regel Menschen, die den Unternehmenslenker gut kennen und einschätzen können, über die Familienverhältnisse und Geschäfte des Unternehmens Bescheid wissen und großes Vertrauen genießen“, beschreibt Detlev Heinsius. Handelt es sich um eine Sozietät, hat das den Vorteil, dass die vielen verschiedenen Rechtsgebiete, auf die es rund um die Unternehmernachfolge ankommt, vertreten sind. In erster Linie sind das das Steuerrecht und das Gesellschaftsrecht. Dazu kommen aber auch Regelungen aus dem Erb-, Familien- und Vertragsrecht sowie in geringerem Umfang auch aus dem Arbeits- und Wettbewerbsrecht. In den jeweils entscheidenden Phasen kommen Steuerberater, Personen aus dem Rechnungswesen und Controlling sowie die Unternehmensjuristinnen und -juristen hinzu. „Bei einer innerfamiliären Nachfolgesituation kann es in Einzelfällen ratsam sein, eine so genannte Familienstrategieberatung mit an Bord zu nehmen“, meint Katharina Hemmen. „Die kann schon bei der Auswahl des geeigneten Nachfolgers unterstützen und in Konfliktsituationen als neutraler Dritter schlichtend eingreifen.“ Solche können beispielsweise entstehen, wenn Familienmitglieder nicht berücksichtigt werden. „Diese müssen anerkennen, dass das wesentliche Vermögen, nämlich das Betriebsvermögen, an einen anderen Nachkommen übertragen wird“, sagt sie. „Das kann unter Umständen bedeuten, dass sie Erb- oder Pflichtteilsverzichte unterschreiben müssen, nicht immer gegen eine Abfindung.“ Handelt es sich um ein wertvolles Unternehmen und es ist nicht genügend Privatvermögen für solche Abfindungen vorhanden, befindet sich die Familie in einer vertrackten Situation. „Das kann ein Grund sein, warum sich manche Nachfolgen sehr lange hinziehen“, so Katharina Hemmen. Nadja Kuner, Rechtsanwältin und Steuerberaterin sowie Partnerin bei Ebner Stolz, berichtet, dass Unternehmer, die bereits konkrete Übergabepläne haben, häufig darum bitten, beim Gespräch mit dem potenziellen Nachfolger dabei zu sein, „um über rechtliche und steuerliche Angelegenheiten direkt aufklären zu können – schließlich ist es meist eine einmalige Entscheidung, die über das weitere Leben und den zukünftigen Unternehmenserfolg mitbestimmt, aus der sich auch sehr viele Verpflichtungen ergeben, die dem Übernehmer nicht immer bewusst sind. Das vermittelt ein Gefühl von Sicherheit.“ Die Wünsche der Beteiligten aufzunehmen, gehört bereits zur Bestandsaufnahme und der Ermittlung des Status quo des Unternehmens. „Dann beginnen wir mit der Detailanalyse, zu der die Bewertung des Unternehmens gehört“, sagt Detlev Heinsius. Basis dafür sind unter anderem die letzten drei Jahresabschlüsse. Deren Ergebnis ist allerdings nur ein Vergangenheitsbericht. „Wir haben es bei der Nachfolge aber mit Schenkungen in die Zukunft zu tun. Deshalb müssen wir an dieser Stelle tiefgreifende Analysen vornehmen.“ Das kann in beide Richtungen gehen: Das Unternehmen ist zu hoch oder zu niedrig bewertet.
„Für einen optimalen Übergabeprozess braucht es eine gute Führung und eine klare Festlegung von Prioritäten, um sich bei den vielen Themen nicht zu verzetteln.“
Dr. Katharina Hemmen Rechtsanwältin und Steuerberaterin sowie Partnerin, Poellath