Ein Blick auf die Demographie genügt, um zu sehen, wie dramatisch die Situation für zahlreiche mittelständische Unternehmen bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger ist: Nach Angaben des Mittelstandspanels der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind gegenwärtig bereits ein Drittel der Unternehmerschaft 60 Jahre oder älter – das betrifft damit rund 1,2 Millionen Betriebe. „Bis zum Ende des Jahres 2023 planen rund 190.000 Inhaberinnen und Inhaber, das Unternehmen in die Hände einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers zu legen“, schreibt Dr. Michael Schwartz, der für die KfW das Mittelstandspanel erhebt. „Weitere zehn Prozent aller mittelständischen Unternehmen möchten mittelfristig, also binnen drei bis fünf Jahren, eine Nachfolge realisieren.“ Das bedeutet in absoluten Zahlen: Bis zum Ende des Jahres 2026 streben rund 560.000 der insgesamt 3,8 Millionen mittelständischen Unternehmen eine Nachfolge an. „Die nach wie vor mit Abstand größte Hürde für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge ist dabei der Mangel an geeigneten Nachfolgekandidaten“, führt Schwartz weiter aus. Doch das Problem liegt nicht allein auf der Nachfrageseite, weiß Holger Habermann von der Unternehmensnachfolgeberatung Kern in München. „Viele Unternehmer schieben das Thema vor sich her“, sagt Habermann, „und am Ende machen nicht wenige Betriebe dicht, weil sie die Nachfolge nicht rechtzeitig in die Wege geleitet haben.“ Doch selbst wenn man einen passenden Nachfolger gefunden hat und die Vertragsverhandlungen auf einem guten Weg sind, gibt es noch einiges zu tun. Wie lange sich die Verhandlungen hinziehen und wie schnell es nach dem Closing dann tatsächlich zur Übergabe kommt, hängt von vielen Faktoren ab. „Manchmal dauert es vom Letter of Intent bis zum Closing nur 20 Tage“, sagt Habermann, „doch in der Regel benötigt man allein für die Due Diligence zwei bis vier Monate.“ In den Wochen vor dem Vertragsabschluss und der Übergabe wird seiner Erfahrung nach weniger um den Kaufpreis gerungen, sondern um den sogenannten Garantiekatalog. Dieser beinhaltet Gewährleistungen, Freistellungen und sonstige Dinge, für die der Verkäufer nach Vertragsabschluss geradestehen muss, wenn im Unternehmen etwas entdeckt wird, was zum Zeitpunkt der Due Diligence und dem Signing noch nicht bekannt war. Das können Garantieleistungen aus Verträgen oder ablaufende Patente sein. Sollte der Vertrag aufschiebende Bedingungen enthalten, kann sich die Übergabe ebenfalls verzögern. „Auf Seiten der Käufer kann das beispielsweise die Finanzierung betreffen“, erläutert Habermann. „Die Zusage der Banken für eine Finanzierung dauert angesichts der gestiegenen Zinsen und des damit verbundenen Risikos länger als noch zu Zeiten der Niedrigzinsphase“, erklärt der Berater. Welche Aufgaben in den Wochen vor der Übergabe am dringendsten sind, hängt vom jeweiligen Zustand des Unternehmens und des Nachfolgeszenarios ab. Ein Dilemma, dass es in den Wochen vor der Übergabe immer zu lösen gilt, ist die Frage nach dem Zeitpunkt und der Zahl der Personen, die frühzeitig über die Übergabe und den möglichen Nachfolger informiert werden.
„Bis zum Signing ist das Unternehmen als System stabil, aber wenn
der Inhaber als Schwergewicht den Betrieb verlässt, richtet sich das
System neu aus.“
Holger Habermann
Experte für Unternehmensverkauf, Kern Unternehmensnachfolge München
Wichtige Vertrauensfragen
„Bei inhabergeführten Unternehmen sind die Geschäftsführer oder das Top Management die ersten, die von einem geplanten Deal erfahren“, sagt Dennis Tanke, Group Director bei der Executive Search Beratung Mercuri Urval in Hamburg. „Es ist aber durchaus sinnvoll, unter Absicherung der Vertraulichkeit auch wichtige Führungskräfte und Knowhow-Träger vor dem Signing über die geplante Übergabe aufzuklären“, erläutert Tanke. Wer in Entscheidungen eingebunden oder zumindest frühzeitig informiert sei, könne leichter als Fürsprecher und Multiplikator für den Deal gewonnen werden. Andererseits gilt es zu vermeiden, dass schon vor dem Vertragsabschluss etwas durchsickert. Das spricht dafür, den informierten Personenkreis möglichst gering zu halten. „Ein Kontakt zwischen den potenziellen Käufern und einzelnen Mitarbeitern des Unternehmens gibt es deshalb auch nur dann, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt“, sagt Holger Habermann. Es sei für einzelne Fach- und Führungskräfte aber ein starkes Zeichen der Wertschätzung, wenn sie vorab ins Vertrauen gezogen würden. Seiner Erfahrung nach ziehen Inhaber-Gesellschafter kleinerer Unternehmen die Nachfolge meist allein durch. Wichtige Fach- und Führungskräfte einzubinden sei nach wie vor nicht die Regel, aber es komme vor, dass Geschäftsführer oder Meister mit langjähriger Erfahrung eben doch eingebunden würden. Bei der Due Diligence wird das Unternehmen zwar meist wirtschaftlich und rechtlich gründlich durchleuchtet, aber dem Personal wird oft zu wenig Beachtung geschenkt. Dabei spielt es für den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens eine enorme Rolle. „Gerade bei kleineren mittelständischen Unternehmen konzentriert sich vieles auf den Inhaber, der seinen Laden in- und auswendig kennt“, weiß Dennis Tanke. Das könne durchaus zu einem Problem bei der Kontinuität des Unternehmens werden, wenn er nach der Übergabe weg ist. „Deshalb ist jeder Unternehmer gut beraten, eine gute zweite Führungsebene aufzubauen“, erklärt der Group Director. Dann gehe beim Abgang des Inhabers weniger Knowhow verloren, was den Wert des Unternehmens und damit dessen Kaufpreis deutlich steigere. Denn mögliche Kaufinteressenten sehen auch ohne eine HR Diligence auf den Unterbau, also jene Führungsebene, die zwar nicht die strategischen Entscheidungen trifft, aber für den reibungslosen Ablauf des Tagesgeschäfts verantwortlich ist. „Natürlich kann ein Verkäufer nicht garantieren, dass ein bestimmter Mitarbeiter nach der Übergabe bleibt“, erklärt Holger Habermann, „aber er kann zumindest garantieren, dass er von ihm bis zum Signing keine Kündigung erhalten oder ihm gegenüber ausgesprochen hat.“ Ob bei Personalfragen oder anderen wichtigen Verträgen ist es nach Ansicht von Habermann so, dass ein gut beratener Verkäufer seine „Leichen“ schon vorher aus dem Keller geholt und beseitigt habe. Das heißt, alle kritischen Punkte liegen schon bei der Due Diligence vor und spielen in den Wochen unmittelbar vor und nach der Übergabe keine Rolle mehr. Das schaffe Vertrauen und damit eine gute Basis für den Übergang.
„Es ist durchaus sinnvoll, unter Absicherung der Vertraulichkeit
auch wichtige Führungskräfte und Knowhow-Träger vor dem Signing
über die geplante Übergabe aufzuklären.“
Dennis Tanke,
Group Director, Mercuri Urval