Sein Lebenswerk in andere Hände zu legen, fällt den meisten Unternehmern nicht leicht. Stecken darin doch Jahre oder sogar Jahrzehnte der eigenen Existenz – mit viel Arbeit, bisweilen hohem Risiko, manchem Ärger, aber auch viel Freude. Erfahrene Unternehmensrechtsanwälte wissen, dass es nicht jedem gegeben ist, freudig loszulassen. „Die Umsetzung der Unternehmensnachfolge ist sehr individuell und hängt in allererster Linie von den persönlichen Vorstellungen ab“, sagt Dr. Birgit Felden, Juristin, langjährige Nachfolgeberaterin und Professorin in Berlin. „Der eine sieht seinen 65. Geburtstag nahen und hat sich schon immer gesagt: Mit 65 will ich aufhören. Der andere hört von seinen Mitgesellschaftern: In unserem Gesellschaftsvertrag steht, dass man mit 70 aufhören soll. Der Dritte übergibt, weil er im Leben noch mal etwas anderes machen möchte. Und der Letzte merkt gar nicht, dass es schon lange Zeit ist.“ Vor diesem Hintergrund gerät die volkswirtschaftliche Dimension der Unternehmernachfolge bisweilen aus dem Blick. Nach einer Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn gehen in Deutschland in den nächsten Jahren jährlich rund 30.000 Einzel- oder Familienunternehmen in fremde Hände über – oder verschwinden vom Markt, weil die Suche nach einem Nachfolger ergebnislos endet. Weil oft niemand aus der Familie nachrücken kann oder will, werden nur noch vier von zehn Firmen innerhalb der Familie weitergegeben. Viele zum Patriarchen gereifte Gründer bleiben daher länger an Bord, als sie eigentlich geplant haben. Die Folge: Fast ein Viertel der mittelständischen Unternehmer ist heute älter als 60 Jahre. Und das Nachfolge-Problem wird eher größer, da sich viele Selbstständige aus den Boomer-Jahrgängen dem Ruhestandsalter nähern und gleichzeitig weniger externe Übernahmekandidaten nachwachsen. Ganz gleich daher, ob eine familieninterne oder eine externe Lösung angestrebt wird: Die Sache ist knifflig. „Bei Familienmitgliedern ist oft das Rollenverständnis ein Risiko“, sagt Felden und fasst die Zweifel von Sohn oder Tochter in Worte: „Wie gehe ich mit den unterschiedlichen Rollen um? Wann habe ich die Firmenbrille auf, wann die private Brille?“ Wenn ein Mitarbeiter übernehmen soll, bliebe der abgebende Unternehmer oft noch eine Weile im Betrieb. „Hier die richtige Form der Zusammenarbeit zu finden, ist oft schwierig“, sagt Felden. Und ein externer Nachfolger müsse das Unternehmen und dessen Kultur erst einmal verstehen. „Das ist für alle Beteiligten nicht leicht“, so die Professorin. „Oft kommen Mitarbeitende mit dem oder der Neuen nicht klar und verlassen das Unternehmen.“ Auch die optimale rechtliche und steuerliche Gestaltung will gut überlegt und vorbereitet sein. Und so gern der Senior das Thema auch verdrängen mag: Spätestens beim Bankenrating kommt es mit Wucht auf den Tisch. Denn hier wird nicht nur nach den kurzfristigen Geschäftsaussichten gefragt, sondern auch nach der Langfristplanung. Wenn schlüssige Antworten fehlen, wird der Zugang zu Fremdkapitel erschwert und die Kreditzinsen steigen.
„Der Unternehmer lässt sich möglicherweise eher davon überzeugen, einen COO aufzunehmen, der ihn perspektivisch ersetzen kann, als sofort die Rolle des CEO abzugeben.“
Dr. Thomas Winkemann
Rechtsanwalt, Notar, Steuerberater und Partner der Wirtschaftssozietät Görg
Der richtige Zeitpunkt
Sowohl im Interesse des Unternehmens als auch in dem des geschäftsführenden Gesellschafters möge der Rechtsbeistand das heikle Thema beizeiten zur Sprache bringen, empfiehlt Dr. Thomas Winkemann, Rechtsanwalt, Notar, Steuerberater und Partner der Wirtschaftssozietät Görg. Ob eine solche Ansprache im Einzelfall zielführend sei, hänge vom persönlichen Standing des General Counsels und von der Persönlichkeit des Unternehmers ab. „In einem eher patriarchalisch geprägten Umfeld sollte der General Counsel besondere Vorsicht walten lassen und sehr behutsam vorgehen“, sagt Winkemann. „Was den richtigen Zeitpunkt angeht, so gilt bei einem Senior über 50 Jahre: Je früher desto besser. Einen passenden Einstieg könnten etwa Medienberichte über Übergaben und Nachfolgen oder aber Krankheitsfälle im näheren Umfeld des Seniors bilden.“ Auch Dr. Axel Wenzel, Rechtsanwalt und Partner bei Oppenhoff in Köln, versichert: „Es ist nie zu früh, aber oft zu spät.“ Denn manch sinnvolle Umstrukturierungen erforderten einen Zeitraum von etlichen Jahren nach der Umsetzung, damit sie sich steuerlich voll auswirken. Andere Maßnahmen seien dagegen zu bestimmten Zeitpunkten tunlichst zu vermeiden, damit eine Nachfolgeplanung nicht torpediert werde. Damit gemeint ist beispielsweise die Aufnahme neuer Gesellschafter oder das Eingehen langfristiger Verbindlichkeiten. „Abgesehen davon ist die Nachfolge nicht immer steuerbar, diese kann ja auch plötzlich eintreten“, sagt Wenzel. „Dafür muss es Notfallpläne geben.“ Wer noch einen Anlass für das überfällige Gespräch mit dem Senior sucht: Voilà. Und wenn sich der Unternehmer dem Gespräch verweigert? Mit wie viel Nachdruck darf der Anwalt auf die Inangriffnahme des Projekts „Nachfolge“ bestehen? „Das hängt vom internen Standing des General Counsels und davon ab, wie er seine Position interpretiert“, sagt Thomas Winkemann. Es mag sinnvoll sein, weitere Personen einzubinden, die „das Ohr des Chefs haben“, der Wirtschaftsprüfer, der Steuerberater, ein Rechtsanwalt. Auch ein allmähliches Ausscheiden könne ins Gespräch gebracht werden. Winkemann: „Der geschäftsführende Gesellschafter lässt sich möglicherweise eher davon überzeugen, einen COO neu aufzunehmen, der ihn im Tagesgeschäft entlastet und ihn perspektivisch ersetzen kann, als sofort die Rolle des CEO abzugeben.“ Axel Wenzel sekundiert: „Eine geordnete Unternehmensnachfolge ist für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens von so entscheidender Bedeutung, dass auch der oder die General Counsel dieses Thema im Blick haben muss und es auch aktiv ansprechen sollte.“ Natürlich handele es sich um ein sensibles Thema, welches mit Bedacht adressiert werden sollte. „Es bleibt aber eben auch ein Business-Thema, von dem man erwarten kann, dass der Unternehmer sich damit vernünftig auseinandersetzt.“