Einen Facharzttermin innerhalb von zwei Wochen, Einbettzimmer und Chefarztbehandlung im Krankenhaus, dazu Krankenhaustagegeld: Wenn es um ihre Gesundheit geht, kommen die rund 240 Mitarbeiter der Autohausgruppe Hermann aus dem niedersächsischen Northeim in den Genuss von Privilegien, die normalerweise Privatpatienten vorbehalten sind. Möglich macht das die „Hermann Clinic Card“, die alle Mitarbeitenden bekommen – eine betriebliche Krankenversicherung, die das Autohaus Hermann finanziert. Kooperationspartner ist dabei die Gothaer Versicherung, die die administrative Abwicklung übernimmt. Muss ein Autohausmitarbeiter ins Krankenhaus, rechnet die Klinik direkt mit dem Versicherer ab. Die Ausgaben für die betriebliche Krankenversicherung versteht man bei der Autohausgruppe Hermann als Investition – in die Arbeitgeberattraktivität nämlich. „Eine betriebliche Krankenversicherung ist eine wirksame und kostengünstige Maßnahme, um Fachkräfte von sich zu überzeugen“, betont Dr. Sylvia Eichelberg, Juristin und Vorstandschefin der Gothaer Krankenversicherung. Denn sie beinhaltet einen echten, sofort erlebbaren Mehrwert für die Mitarbeitenden. Ein solcher Mehrwert sorgt dafür, dass die Mitarbeiterzufriedenheit steigt – und dass sich das jeweilige Unternehmen im zunehmend schärfer werdenden Wettbewerb um Fachkräfte von der breiten Masse abheben und Menschen davon überzeugen kann, ausgerechnet dort einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Denn die langsam in Rente gehende Generation der Babyboomer sorgt dafür, dass dem Arbeitsmarkt hierzulande bis 2035 knapp 13 Millionen Menschen verloren gehen, so die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Die jüngeren Altersgruppen können diese Lücke nicht schließen, denn die derzeit 15- bis 24-Jährigen machen der Statistik nach nur rund 8,4 Millionen Erwerbstätige aus. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen müssen sich daher etwas einfallen lassen. Zusatzleistungen wie betriebliche Kranken- und Pflegeversicherungen, betriebliche Unfallversicherungen oder auch eine über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehende betriebliche Altersvorsorge erfreuen sich daher wachsender Beliebtheit. Fast zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland würden es begrüßen, wenn ihr Arbeitgeber eine betriebliche Krankenversicherung anbietet, zeigt eine aktuelle Civey-Studie im Auftrag des Verbands der Privaten Krankenversicherer (PKV-Verband). In der Gruppe der 18-29-Jährigen ist die Zustimmung mit 71,9 Prozent demnach besonders hoch. Selbst im Vergleich mit anderen Zusatzleistungen der Arbeitgeber bevorzugen die meisten Beschäftigten die betriebliche Krankenversicherung: 44,8 Prozent halten sie für wertvoller als etwa ein Diensthandy oder Tickets für den Nahverkehr – und würden sie sogar einer Gehaltserhöhung vorziehen. „Die hohe Beliebtheit der betrieblichen Krankenversicherung zeigt, wie wichtig dieses Zusatzangebot für Unternehmen im Wettbewerb um junge Fachkräfte ist“, sagt Florian Reuther, Geschäftsführer und Jurist beim PKV-Verband.
„Eine betriebliche Krankenversicherung ist eine wirksame und kostengünstige Maßnahme, um Fachkräfte von sich zu überzeugen.“
Dr. Sylvia Eichelberg
Juristin und Vorstandschefin,
Gothaer Krankenversicherung
Faktor für die Arbeitgeberattraktivität
Die Arbeitgeberattraktivität habe sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt und erstrecke sich mittlerweile über weit mehr als nur das Gehalt, sagt Reiner Huthmacher, der als zertifizierter Coach Unternehmen bei der Personalführung und Mitarbeiterbindung berät. Traditionelle Vergünstigungen wie Boni oder ein Dienstwagen seien nicht mehr allein ausschlaggebend. „Arbeitnehmer erwarten heute ein ganzheitliches Arbeitsumfeld, das ihre beruflichen und persönlichen Bedürfnisse berücksichtigt“, betont Huthmacher. „Diejenigen, die in der Lage sind, ein umfassendes und attraktives Arbeitsumfeld zu bieten, sind erfolgreicher bei der Gewinnung und Bindung hochqualifizierter Fachkräfte.“ Und neben Aspekten wie flexiblen Arbeitszeiten und einem ausgewogenen Verhältnis von Arbeit und Privatleben zählen zu einem solchen attraktiven Arbeitsumfeld mittlerweile zunehmend Vorsorgeleistungen des Arbeitgebers. „Unternehmen, die sich nicht an diese Erwartungen anpassen, riskieren im Wettbewerb um Talente den Anschluss zu verlieren“, warnt Huthmacher. Die betriebliche Krankenversicherung hat dabei in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Denn mit ihr lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das Unternehmen wird nicht nur attraktiver für Fachkräfte – die Mitarbeitenden haben auch weniger Fehlzeiten. „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen. Es kann daher nur im Interesse eines jeden Arbeitgebers sein, seine Belegschaft möglichst lange fit und gesund zu halten“, sagt Gothaer-Juristin Eichelberg. Dazu könne eine betriebliche Krankenversicherung einen Beitrag leisten. Der Vorsorge-Klassiker, den Unternehmen ihren Mitarbeitern anbieten, ist und bleibt aber die betriebliche Altersversorgung (bAV). Dabei bietet der Arbeitgeber den Mitarbeitenden finanzielle Leistungen zur Sicherung des Lebensstandards im Alter an – Ziel ist es, die gesetzliche Rente aufzustocken. Zusätzlich können durch die bAV eine Invaliditätsversorgung bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit und die Versorgung von Hinterbliebenen im Todesfall abgesichert werden. „Die gesetzlichen Verpflichtungen der Arbeitgeber in Deutschland, über die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Altersrente in der Deutschen Rentenversicherung hinaus eine betriebliche Altersversorgung anzubieten, sind sehr begrenzt“, sagt Christoph Hexel, Heuking-Partner am Standort Düsseldorf und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Betriebsverfassungsrecht, Betriebliche Altersvorsorge, Compliance und Tarifrecht. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge gemeinsam stemmen, findet das Prinzip der Entgeltumwandlung Anwendung. Dabei legt der Arbeitnehmer einen individuellen Betrag fest, der monatlich investiert werden soll – dieser wird dann direkt vom Bruttogehalt abgezogen. „Seit Anfang 2019 ist der Arbeitgeber im Falle der Entgeltumwandlung verpflichtet, 15 Prozent des umgewandelten Betrages als Arbeitgeberzuschuss zusätzlich zu leisten“, so Hexel. Der Arbeitgeber darf aber natürlich auch einen höheren, freiwilligen Zuschuss leisten und kann damit eine attraktive Zusatzleistung für die Mitarbeitenden anbieten. „In der Tat bieten viele Arbeitgeber an, im Rahmen eines Kürprogramms freiwillig weitere Beiträge zur BAV zu leisten“, erklärt Heuking-Anwalt Hexel. Neben höheren Zuschüssen bei der Entgeltumwandlung würden dabei zunehmend auch eigene Leistungen angeboten, ohne dass die Arbeitnehmer sich daran beteiligen müssen. „So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, die sonst aus dem Bereich der Bausparverträge bekannten vermögenswirksamen Leistungen zur Finanzierung von Altersvorsorgeplänen zu gewähren.“ In dem Fall haben die Arbeitnehmer dann die Möglichkeit, zusätzlich in eine private Altersvorsorge zu investieren. Vorteil für den Arbeitgeber: Für jeden Euro, den er in den bAV-Vertrag einbezahlt, spart er sich die Sozialabgaben. So kann ein höherer Zuschuss zur bAV auch eine attraktive Alternative zu einer Lohnerhöhung sein.
„Die gesetzlichen Verpflichtungen der Arbeitgeber, über die
Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Altersrente hinaus eine betriebliche Altersversorgung anzubieten, sind sehr begrenzt.“
Christoph Hexel
Partner,
Heuking
Wirtschaftliche Attraktivität
Bei der Ausgestaltung der Verträge im Bereich der bAV sollten Unternehmen darauf achten, damit die jeweils bestmöglichen Vorteile in den Bereichen Lohnsteuer und Sozialversicherung auszuschöpfen. „Naturgemäß achten letztlich alle namhaften Anbieter von BAV-Produkten darauf, dass diese Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Die auf dem Markt vorhandenen Produkte unterscheiden sich erfahrungsgemäß in diesem Bereich nicht“, so Heuking-Experte Hexel. „Rechtliche Fehler wird man somit als Arbeitgeberkunde kaum machen, wenn man sich für ein angebotenes Produkt entscheidet.“ Insoweit sollten sich Arbeitgeber bei der Auswahl des BAV-Partners in der Praxis weniger von der Frage der rechtlichen Ausgestaltung der angebotenen Produkte leiten lassen, sondern vielmehr von deren finanzieller oder wirtschaftlicher Attraktivität. „Gruppenverträge können hier Vorteile bieten, weil sie oft mit ermäßigten Beiträgen oder verringerten Gebühren verbunden sind“, erklärt Hexel. „Letztlich entscheidet das Verhältnis zwischen Beiträgen und Kosten auf der einen und der erzielbaren Rendite auf der anderen Seite.“ Die juristischen Fragen im Bereich der bAV stellen sich eher in Bezug auf die Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen Regelungen und, wenn ein Betriebsrat zuständig ist, in Bezug auf dessen Beteiligungsrechte. „Das Angebot von bAV-Leistungen ist Teil der ‚betrieblichen Lohngestaltung‘, bezüglich derer der Betriebsrat echte Mitbestimmungsrechte hat“, betont Hexel. Bislang noch etwas weniger stark verbreitet, aber ebenfalls attraktiv, sind betriebliche Pflegeversicherungen und betriebliche Unfallversicherungen. Laut Angaben des PKV-Verbandes ist die betriebliche Pflegeversicherung „ein effektives Instrument, um die Pflegeversorgung nachhaltig und generationengerecht abzusichern“ – und bietet dabei Vorteile für alle Beteiligten. Denn die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt im Pflegefall immer nur einen Teil der tatsächlichen Kosten. Die Differenz müssen die Versicherten selbst tragen. So liegt der durchschnittliche Eigenanteil bei Unterbringung in einem Pflegeheim im ersten Jahr bei durchschnittlich knapp 2.600 Euro pro Monat. Durch eine betriebliche Pflegeversicherung lässt sich dieser Eigenanteil verringern. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey wünschen sich viele Angestellte von ihren Arbeitgebern eine betriebliche Pflegeversicherung: 75 Prozent der Befragten würden dies als wertvolle Zuwendung des Arbeitgebers empfinden – und 35 Prozent halten diese Form der Absicherung sogar für wichtiger als eine Gehaltserhöhung. „Die betriebliche Vorsorge kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Pflegeversorgung unserer Gesellschaft nachhaltig abzusichern“, so Verbandsjurist Reuther. „Damit können weitaus mehr Menschen gegen das finanzielle Pflegerisiko geschützt werden, als dies mit individuellen Zusatzversicherungen allein möglich ist.“ Und zugleich würden die Arbeitgeber profitieren, weil solche Angebote die Betriebstreue von Fachkräften fördern würden. Mit einer betrieblichen Unfallversicherung können Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden wiederum gegen die finanziellen Folgen eines unfallbedingten, längerfristigen Ausfalls absichern. Sie ist eine sinnvolle Ergänzung zur gesetzlichen Unfallversicherung, die lediglich greift, wenn man sich am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin verletzt – die betriebliche Unfallversicherung schützt nämlich auch bei Unfällen im privaten Umfeld. Der Versicherungsschutz ist dabei individuell für alle Mitarbeitenden anpassbar. Er reicht von der Zahlung für geeignete Therapien wie etwa Rehamaßnahmen bis zur Auszahlung einer Kapitalleistung bei dauerhafter Invalidität von mindestens 50 Prozent. Die Police wird vom Arbeitgeber als Gruppen-Versicherung für alle Mitarbeitenden abgeschlossen – und ist als attraktive Sozialleistung ebenfalls ein wertvolles Instrument zur Mitarbeiterbindung und steigert die Arbeitgeberattraktivität.
■ Harald Czycholl