Höhere Rechtssicherheit, mehr Gestaltungsspielraum

Zum 1. Januar 2024 tritt in Deutschland ein zeitgemäßes Personengesellschaftsrecht in Kraft. Auch wenn sich mancher einen mutigeren Ansatz gewünscht hätte, wird die Reform doch allgemein begrüßt. Von den Änderungen betroffen sind primär die GbR. Aber auch oHG und KG sollten ihre Gesellschaftsverträge überprüfen.
vom 10. März 2023
image

Auf kaum einem Rechtsgebiet hierzulande liegen der Gesetzeswortlaut und dessen Auslegung in der die Praxis so weit auseinander wie beim Recht der Personengesellschaften. Konsequenterweise hat die Legislative es reformiert. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) treten vor allem Neuerungen für die GbR in Kraft. Zentral sind die gesetzlich normierte Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit und der Start eines eigenen Registers. Ursprünglich sollte das MoPeG bereits im laufenden Jahr gelten. Der Termin wurde jedoch auf den 1. Januar 2024 verschoben, um den Bundesländern mehr Zeit für die Einrichtung des neuen Gesellschaftsregisters zu geben. Es wird eigenständig neben Handels- und Transparenzregister treten. Für eine Außen-GbR, die nach dem Willen ihrer Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll, dürfte eine Aufnahme in das künftige Verzeichnis trotz grundsätzlicher Freiwilligkeit faktisch obligatorisch sein. Nach aktueller Rechtslage kann eine GbR im Gegensatz zur oHG oder KG in keinem Register aufgenommen werden. In der Praxis führt dies bei Verhandlungspartnern zu Unklarheiten über den Gesellschafterbestand und damit in Zusammenhang stehende Haftungsfragen. Im Zweifel fordern Dritte zu beidem umfassende Garantien ein. Das neue Register gewährt der Außen-GbR Gutglaubensschutz. Die nicht-registrierfähige Innen-GbR als Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern bleibt davon unberührt.

 

Die Eintragung in das von den Amtsgerichten zu führende neue Gesellschaftsregister steht den Außen-GbR prinzipiell frei und entscheidet nicht über ihre Rechtsfähigkeit. Nach Registrierung müssen sie jedoch den Zusatz „eGbR“ führen. „Begründet wurde nur eine Eintragungsobliegenheit für solche Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die in Objekt- und öffentlichen Registern verzeichnete Rechte erwerben wollen“, betont Dr. Lars Weber, Partner der Anwaltssozietät Görg am Standort Frankfurt/Main. Zu solchen Verzeichnissen zählen Grundbuch, GmbH-Gesellschafterliste oder das Aktienregister, aber beispielsweise auch das Markenregister. In der Praxis hat die Obliegenheit zur Voreintragung im Gesellschaftsregister durchaus Vorteile. So weist das Grundbuch künftig nicht mehr alle Gesellschafter – sie stehen bereits im neuen Register –, sondern nur noch die eGbR selbst als Eigentümerin aus. Änderungen im Gesellschafterbestand berühren somit nicht mehr den Grundbucheintrag.

Weber

„Mit dem MoPeG wird das gesetzliche Verständnis weg von einer ,Gelegenheitsgesellschaft’ und hin zu einer dauerhaften Gesellschaft verlagert.“

Dr. Lars Weber, Partner, Görg

Größerer Gestaltungsspielraum

Eine eGbR muss sich parallel in das Transparenzregister aufnehmen lassen. „Sie hat dann Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten einzuholen und an das Register zu übermitteln“, erklärt Görg-Experte Weber, „insbesondere bei familiengeführten Unternehmen beziehungsweise bei Family Offices könnte daher die Registrierung unerwünscht sein.“ Schließlich legen diese regelmäßig keinen gesteigerten Wert auf überbordende Publizität. Dennoch gibt es gute Argumente für eine Eintragung.So wird die eGbR umwandlungsfähig im Sinne des Umwandlungsgesetzes und kann dann Teil von Spaltungen oder Verschmelzungen sein und auch den Wechsel in eine andere Rechtsform vornehmen. Das vergrößert ihren Gestaltungsspielraum deutlich und erleichtert Restrukturierungen. Für ausscheidende Gesellschafter ist ein Eintrag ins Gesellschaftsregister mit Blick auf die weiterhin geltende fünfjährige Nachhaftung ebenfalls vorteilhaft: Ihr Ausstieg ist exakt dokumentiert, die Spanne klar umrissen. „Ferner bietet die Möglichkeit der vom statutarischen Sitz abweichenden Wahl des Verwaltungssitzes für eGbR künftig interessante Optionen, etwa mit Blick auf eine Verlagerung des Verwaltungssitzes ins Ausland“, ergänzt Dr. Michael Zenker, Rechtsanwalt und Senior Manager am Kölner Standort der PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft. Für deutsche Gesellschaften werden damit Hemmnisse bei einer Expansion ihrer Geschäftstätigkeit mindestens in die EU-Mitgliedsstaaten abgebaut. Nach Interpretation von PwC-Rechtsanwalt Zenker erfolgt hiermit eine Anpassung des Personengesellschaftsrecht an das Kapitalgesellschaftsrecht. Das gilt analog für die Übernahme des Beschlussmängelrechts. Im Personengesellschaftsrecht existieren bislang keine gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit fehlerhaften Beschlüssen der Gesellschafter. Sie galten stets als nichtig – ganz gleich, wie schwerwiegend ein Verstoß gegen Vorgaben des Gesellschaftsvertrags oder geltendes Recht auch war.

 

Das MoPeG sieht dagegen ein eigenes Beschlussmängelrecht für oHG und KG vor, das an die aktienrechtliche Unterscheidung zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen angelehnt ist. Für oHG und KG gilt es automatisch, sie müssen ihre Gesellschaftsverträge nicht überarbeiten. Gesellschafter können Mängel im Wege einer Anfechtungsklage innerhalb von drei Monaten beim zuständigen Landgericht geltend machen. Für GbR gilt die Regelung nur, wenn sie sie explizit vereinbaren.

Foto_Dr. Michael Zenker[64]

„Es wäre sicherlich wünschenswert gewesen, die Digitalisierung auch im Personengesellschaftsrecht weiter voranzutreiben.“

Dr. Michael Zenker, Rechtsanwalt und Senior Manager, PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft

 

Zeitliche Verzögerungen

Für alle drei vorgenannten Rechtsformen verbindlich wird mit dem MoPeG indes die geänderte Regelung zu Stimmrechten und Gewinnanteilen. Wurde vertraglich nichts anderes bestimmt, richtete sich die Verteilung bisher nach Köpfen. Künftig orientiert sie sich an den tatsächlichen Beteiligungsverhältnissen. Hierbei können auch für die Gesellschaft erbrachte Dienste taugliche Beiträge darstellen. GbR, oHG und KG ist daher zu raten, auch verbindliche Werte für erbrachte Dienste vertraglich zu fixieren.

 

„Mit dem MoPeG wird die in der gerichtlichen Praxis anerkannte Rechtsfähigkeit der Außen-GbR nun auch gesetzlich verankert“, resümiert Jurist Weber, bei der Sozietät Görg Experte für Handels- und Gesellschaftsrecht. Damit werde „das gesetzliche Verständnis weg von einer ,Gelegenheitsgesellschaft’ und hin zu einer dauerhaften Gesellschaft verlagert“. Die persönliche, gesamtschuldnerische und unbeschränkte Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bleibt erhalten.

 

Für problematisch halten sowohl Weber als auch sein Kollege Zenker von PwC die Tatsache, dass für eine GbR keine Möglichkeit besteht, ihre Eintragung in das neue Gesellschaftsregister vor dem 1. Januar 2024 anzumelden, auch im Hinblick auf die Obliegenheiten bezüglich anderer Register. „Die zeitlichen Verzögerungen sollten die Gesellschaften bereits jetzt in die Planung von zukünftigen Erwerbsvorgängen mit einbeziehen“, empfiehlt Weber. Er rät, diese im Zweifel noch 2023 abzuschließen.

 

Das gilt analog für absehbare Änderungen im Gesellschafterbestand. „Jenseits von besonderen Einzelfällen dürften Betroffene jedoch angesichts dieser Verzögerungen keiner Existenzbedrohung unterfallen“, ist Zenker überzeugt und baut darauf, „dass die registerführenden Stellen eine zügige Durchführung von Eintragungsverfahren werden stemmen können“. Für den zu erwartenden „Stauungszeitraum“ dürften sich in der Praxis Lösungen ergeben, so der Experte für Personengesellschaftsrecht.

Bestehende GbR sollten aus Sicht von Weber in jedem Fall prüfen, ob ein konkreter Anpassungsbedarf im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Strukturen und geltende Gesellschaftsverträge besteht. „Insbesondere ist konkret herauszuarbeiten, an welchen Stellen eventuell eine Abweichung von der künftigen Rechtslage gewünscht wird“, so Weber. Statt eines Verweises auf die „gesetzlichen Bestimmungen“ sollte „klargestellt werden, welche Regelungen künftig zur Anwendung kommen sollen“.

 

Die Digitalisierung auch im Personengesellschaftsrecht über fakultative Ansätze im MoPeG weiter voranzutreiben, wäre laut Zenker „wünschenswert“ gewesen: „Hier ist das Kapitalgesellschaftsrecht weiter, bei dem nicht zuletzt die Corona-Pandemie die Digitalisierung beschleunigte – Stichwort: virtuelle Hauptversammlung. Gleichwohl ist die Unterscheidung angesichts der grundsätzlich bestehenden personalistischen Verbindung der Gesellschafter im Personengesellschaftsrecht nachvollziehbar.“

 

 

Bijan Peymani

Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler

 

Mitgliedern freier Berufe – etwa Ärzten und Apothekern, Architekten, Physiotherapeuten oder Steuerberatern – stehen oHG, KG und GmbH & Co. KG bisher nicht als Rechtsform zur Verfügung. Das ändert das MoPeG, wenn auch unter berufsrechtlichem Vorbehalt. „Für die Anwaltschaft hat der Gesetzgeber frühzeitig reagiert und in § 59b BRAO die Möglichkeit zur Wahl von Handelsgesellschaften eröffnet“, erklärt Dr. Michael Zenker, Rechtsanwalt und Senior Manager der PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft am Standort Köln. Soweit es das jeweilige Standesrecht ausdrücklich erlaubt, werden alle Freiberufler ihre Tätigkeit ab 1. Januar 2024 auch im Rahmen einer Personenhandelsgesellschaft ausüben können (§ 107 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die oHG hat hier praktisch keine Relevanz. Interessant werden dürfte indes die GmbH & Co. KG, mit einer gegenüber der Rechtsform der PartG mbB viel weitreichenderen Haftungsbegrenzung. Hinzu kommen eventuell noch steuerliche Vorteile. Das könnte vermehrt branchenfremde Gesellschafter anziehen und die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung gefährden. Bund und Länder behalten sich vor, den Zugang zu den Personenhandelsgesellschaften bei Bedarf zu beschränken.

Beitrag von Alexander Pradka

Dies könnte Sie auch interessieren

Twitter Illustrations The X app, formerly Twitter is seen on the Apple App Store is seen in this photo illustration on 1
Hätte, hätte, Lieferkette
Kinderarbeit, Ausbeutung und Naturzerstörung in der globalen Produktion von Waren 
verhindern – das ist das Ziel des EU-Lieferkettengesetzes. Ob es wirklich...
Twitter Illustrations The X app, formerly Twitter is seen on the Apple App Store is seen in this photo illustration on 1
Kräfte bündeln auf Informationsbasis
206 Milliarden Euro Schaden entstehen laut Angaben des Digitalverbandes Bitkom jährlich der 
deutschen Wirtschaft infolge von Sabotage, Spionage und Datendiebstahl....
Twitter Illustrations The X app, formerly Twitter is seen on the Apple App Store is seen in this photo illustration on 1
Ein Posting zu viel
Wenn sich Mitarbeitende in beleidigender oder politisch heikler Weise in den sozialen Netzwerken 
äußern, kann das Konflikte mit dem Arbeitgeber nach sich...