Eine der ersten Amtshandlungen des zum zweiten Mal gewählten US-Präsidenten Donald Trump war ein Angriff auf die Sprache. US-Behörden wurden dazu angehalten, bestimmte Begriffe, die mit sozialen Gerechtigkeitsthemen oder wissenschaftlichen Erkenntnissen verbunden sind, nicht mehr zu verwenden. Sie wurden systematisch aus offiziellen Dokumenten und Websites entfernt. Zu den Begriffen, die nicht mehr genutzt werden dürfen, zählen etwa „Climate crisis“ (Klimakrise), „Racism“ (Rassismus), „Equality“ (Gleichheit), „Gender identity“ (Geschlechtsidentität) und „Diversity“ (Vielfalt). Insbesondere das Thema Vielfalt ist der Administration ein Dorn im Auge. Einige große Unternehmen in den USA haben inzwischen ihre Programme zur Förderung von Diversity, Equity und Inclusion (DEI) zurückgefahren oder eingestellt. Zu den prominentesten zählen etwa der Meta-Konzern unter Mark Zuckerberg und Amazon unter Jeff Bezos. Was heißt der neue Trend für deutsche Unternehmen, von denen viele ja auch in den USA aktiv sind? Wie kann sich die Rechtsabteilung hier aufstellen? Wie weit sich Unternehmen dem Druck der US-Regierung beugten, sei sehr unterschiedlich, stellt Cawa Younosi fest. Der Jurist war Personalchef bei SAP und ist seit September 2024 Geschäftsführer der Arbeitgeberinitiative Charta der Vielfalt. Kern dieser Initiative ist eine Selbstverpflichtung, Vielfalt anzuerkennen, die Potenziale wertzuschätzen und für Unternehmen oder Institutionen gewinnbringend einzusetzen. Viele Unternehmen in den USA würden ihre Diversitätsprogramme nicht abschaffen, sondern lediglich anpassen, erklärt Younosi. Manchmal seien es sprachliche Feinheiten, die Grundsätze hingegen blieben bestehen. „Da wird dann nicht mehr davon gesprochen, die Situation von schwarzen Menschen oder Hispanics zu verbessern, sondern grundsätzlich die Situation von sozial benachteiligten Menschen.“ Für viele Unternehmen bleibe das Thema mehr als nur ein Imageprojekt. „Wer die Programme ernst gemeint hat, findet einen Weg, sie auf die eine oder andere Weise fortzusetzen. Wer sie nicht ernst gemeint hat, findet Gründe, dass das nicht mehr geht“, so Younosi. Was der Druck aus den USA langfristig für deutsche Unternehmen bedeute, sei noch offen. „Es gibt eine Verunsicherung. Aber ob sich das dann auch auf das Engagement unserer Mitglieder auswirken wird, kann ich noch nicht erkennen“ sagt Younosi. „Es kann auch der gegenteilige Fall auftreten, dass eine ‚Jetzt erst recht‘-Haltung eingenommen wird“ Am Ende gehe es um mehr als nur um Programme für mehr Diversität: „Es geht es darum, wie wir zu unseren Werten stehen.“ In Deutschland existieren bis auf bestimmte Frauenquoten auf Führungsebenen keine bindenden Repräsentationsziele wie in den USA. Auch arbeitsrechtlich wären solche Zielvorgaben herausfordernd, etwa wenn es darum ginge, den Anteil von Führungskräften mit Migrationsgeschichte zu erhöhen. Da diese Information meist gar nicht offiziell erfasst werde, würde dies einen neuen rechtlichen Diskurs auslösen.

„Wir müssen Voraussetzungen schaffen, damit alle Menschen
die gleichen Chancen haben, ihr Potenzial zu leben.“
Cawa Younosi
Geschäftsführer,
Arbeitgeberinitiative Charta der Vielfalt
Wurzeln in der Bürgerrechtsbewegung
Rechtsabteilungen deutscher Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, zwischen internationaler Compliance, gesellschaftlicher Verantwortung und praktischen Lösungen abzuwägen. Es gehe es um die Lücke zwischen den zugesicherten Grundrechten und ihrer Umsetzung in der Realität, sagt Younosi. „Wir müssen Voraussetzungen schaffen, damit alle Menschen die gleichen Chancen haben, ihr Potenzial zu leben.“ Diversitätsprogramme in den USA haben ihre Wurzeln in der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre. Ziel war es, systematische Diskriminierung – insbesondere gegen Afroamerikaner, Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen – abzubauen. Rechtlich verankert wurde dies unter anderem durch den Civil Rights Act von 1964, der Diskriminierung am Arbeitsplatz verbietet. Für Bundesauftragnehmer galten zusätzliche Pflichten gemäß Executive Order 11246: Sie müssen Affirmative-Action-Pläne erstellen und aktiv Maßnahmen zur Förderung von Minderheiten und Frauen nachweisen. Affirmative Action Pläne (AAPs) sind strukturierte Programme, die darauf abzielen, Chancengleichheit in Unternehmen zu fördern, insbesondere bei der Einstellung und Beförderung von Frauen und Minderheiten. Ein solcher Plan enthält eine detaillierte Analyse der bestehenden Belegschaft, insbesondere in Bezug auf Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit. Dabei wird geprüft, ob bestimmte Gruppen unterrepräsentiert sind. Auf dieser Basis legt das Unternehmen konkrete Zielvorgaben und Maßnahmen fest, um mögliche Benachteiligungen abzubauen. Dazu gehören zum Beispiel die Überprüfung von Auswahlverfahren, gezielte Personalentwicklung oder Outreach-Maßnahmen. Affirmative Action Pläne enthalten zudem Kontrollmechanismen, mit denen die Umsetzung regelmäßig überprüft und dokumentiert wird. Seit spätestens 2023 ist jedoch eine Gegenbewegung erkennbar. In dieses Jahr fällt eine Entscheidung des US Supreme Courts, die Affirmative Action beim Zugang für Hochschulen stark einschränkte. Der Supreme Court entschied, dass die Berücksichtigung der ethnischen Zugehörigkeit bei Hochschulzulassungen verfassungswidrig ist.
Verstoß gegen Gleichbehandlung?
Nach Auffassung des Gerichts diskriminieren solche Zulassungsverfahren Bewerber, die nicht einer bevorzugten Minderheit angehören, insbesondere asiatischstämmige und weiße Studierende. Auch wenn das Ziel Chancengleichheit sei, dürfe die Herkunft laut Gericht nicht als ausschlaggebendes Kriterium verwendet werden. Entscheidend müsse die individuelle Leistung bleiben. Damit wurde Affirmative Action im Hochschulbereich weitgehend untersagt. Kritiker sehen darin ein Problem, weil es historische und strukturelle Nachteile ignoriert und den Zugang zu höherer Bildung für benachteiligte Gruppen weiter erschwert. Die US-Regierung unter Donald Trump hat Vorgaben zur Diversität wie die Executive Order 11246 gestrichen. Die Begründung: Unter dem Deckmantel von Vielfalt und Gleichberechtigung seien „gefährliche“ und „unmoralische“ Präferenzen übernommen worden, die gegen die US-Bürgerrechte verstoßen. In Deutschland gibt es kein direktes Pendant zur Affirmative Action wie in den USA. Viele deutsche Unternehmen implementieren Programme zur Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion, die darauf abzielen, ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen und die Chancengleichheit für alle Mitarbeitenden zu erhöhen. Diese Programme ähneln in ihren Zielen den DEI-Initiativen in den USA, berücksichtigen jedoch die spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass in den USA die ethnische Zugehörigkeit in bestimmten Kontexten explizit berücksichtigt wurde, während sie in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen gerade nicht in Entscheidungsprozesse wie Zulassungen oder Einstellungen einbezogen werden darf. Stattdessen liegt der Fokus in Deutschland stärker auf strukturellen Maßnahmen, anonymisierten Bewerbungsverfahren oder der Förderung sozial benachteiligter Gruppen unabhängig von der Herkunft.
In den USA ist die politische Auseinandersetzung rund um Diversity-Programme längst zum Kulturkampf geworden. Dabei galt noch bis vor Kurzem in vielen Branchen das Gegenteil: Wer mit US-amerikanischen Unternehmen Geschäfte machen wollte, musste sich aktiv zu Diversität und Gleichstellung bekennen. Doch dieser Trend scheint sich nun umzukehren. Die politischen Verschiebungen in den USA haben auch hierzulande Auswirkungen. „Auch bei uns gibt es viele Menschen, die solche Änderungen begrüßen“, beobachtet Elishewa Patterson-Baysal. Sie ist Senior In-house Counsel Labour Relations beim Softwareunternehmen Sage. Vereinzelt gebe es Schadenfreude über den vermeintlichen Rückzug von Diversity-Initiativen. „Wir dürfen nicht vergessen, dass eine in Teilen rechtsextreme Partei über 20 Prozent der Stimmen bei der letzten Bundestagswahl gewonnen hat.“

„Wir müssen auch im internationalen Kontext zeigen, dass wir uns
das nicht gefallen lassen.“
Elishewa Patterson-Baysal
Senior In-house Counsel Labour Relations,
Sage GmbH
Es gibt auch Widerstand
Die Strategie der US-Administration sei manipulativ: „Es wird Angst geschürt und eine ganze Flut von Dekreten losgelassen, so dass manchmal gar nicht klar ist, was gerade gilt.“ In der Praxis reagieren viele Unternehmen derzeit mit Vorsicht. „Viele Unternehmen gehen jetzt nicht mehr offensiv mit den Programmen um. Es wird damit keine Werbung mehr gemacht, man bezeichnet sich auch nicht offen als divers.“ Pflicht seien diese Programme ohnehin nicht. Dennoch beobachtet Patterson-Baysal, dass nicht alle Unternehmen zurückrudern: „Es gibt auch Widerstand.“ Aus ihrer Sicht ist es wichtig, jetzt bewusst Zeichen zu setzen – auch im Kleinen. „Das kann zum Beispiel eine genderneutrale Sprache sein. Das ist für Bewerbende ein deutliches Zeichen, wo man als Unternehmen steht und welche Werte man vertritt.“ Für Patterson-Baysal steht fest: „Wir müssen auch im internationalen Kontext zeigen, dass wir uns das nicht gefallen lassen.“ Inzwischen wirkt sich der Feldzug der US-Administration gegen Diversität auch auf die Auftragsvergabe aus. Zuerst wurden Fälle in Frankreich bekannt, bei denen die Vergabe von Aufträgen von US-Behörden oder Botschaften von der Zusage abhängig gemacht wurden, dass die Auftragnehmer kein Programm zur Diversität haben oder ein solches abschaffen. Auch in Deutschland haben nach Informationen der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Unternehmen Post von der US-Botschaft erhalten. „Nach unseren Informationen verschicken US-Botschaften in Europa entsprechende Briefe an direkte Geschäftspartner“, erklärt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der DIHK. „Inzwischen haben auch etwa zwei Dutzend in Deutschland ansässige Unternehmen solche Schreiben von der US-Botschaft in Berlin erhalten.“
Vielfalt wichtig für deutsche Unternehmen
Auch in anderen europäischen Ländern seien solche Schreiben bei Unternehmen eingegangen, die diese teilweise an ihre Zentrale nach Deutschland zur Prüfung weitergeleitet hätten. „Das sorgt in einer vom Zollstreit angeheizten schwierigen Lage zwischen den USA und Europa für zusätzliche Irritationen, die in der Praxis bislang jedoch nach unserer ersten Einschätzung wenig Auswirkungen haben“, so Treier. Vielfalt und Weltoffenheit seien für die deutsche Wirtschaft wichtige Faktoren sowohl im Geschäftsleben als auch in der betrieblichen Praxis. „Die Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung oder Lebensalter spielt eine große Rolle bei der Weiterentwicklung von Unternehmen sowie bei der Bindung von Arbeitskräften“, sagt Treier. Das gelte beispielsweise auch für verstärkte Anstrengungen, Menschen mit Handicaps den Zugang ins Erwerbsleben zu erleichtern. Ausdrücklich fühle sich die deutsche Wirtschaft zudem den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verpflichtet. „Diese sind ein Wert an sich.“ ■ Henning Zander