Ein Anteil für jeden

Mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen lässt sich dem Fachkräftemangel entgegentreten – gerade für Startups und junge Unternehmen kann das attraktiv sein. Der Gesetzgeber hat hierfür jüngst die Rahmenbedingungen verbessert, die juristischen und steuerlichen Fragestellungen sind aber weiter nicht zu unterschätzen.
vom 8. Juli 2024
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Kaum etwas versetzt Personaler so sehr in Aufruhe wie das gefürchtete F-Wort: Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig, praktisch keine Branche ist davon verschont – und je besser ausgebildet die begehrten Fach- und Führungskräfte sind, desto rarer sind sie. Unternehmen müssen sich also einiges einfallen lassen, um jene begehrte Spezies davon zu überzeugen, ausgerechnet bei ihnen einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben – und selbigen nicht bei der nächstbesten sich bietenden Gelegenheit wieder zu kündigen. Das gilt vor allem für Startups und junge Unternehmen, die nicht mit dem dicksten Gehaltsscheck aufwarten können. Für jene Unternehmen hat der Gesetzgeber zu Jahresbeginn die Rahmenbedingungen verbessert: Sie können ihre Mitarbeitenden mithilfe von Kapitalbeteiligungen direkt am Erfolg des Unternehmens teilhaben lassen – und zwar steuerlich begünstigt. Die Neuregelung ist Teil des Zukunftsfinanzierungsgesetzes, das die Ampel-Regierung im Herbst vergangenen Jahres durch den Bundestag gebracht hat. „Mitarbeiterkapitalbeteiligungen verfolgen das Ziel, Mitarbeitende mittel- und langfristig zu incentivieren und am Unternehmenserfolg zu beteiligen Gerade Wachstumsunternehmen können über Mitarbeiterkapitalbeteiligungen im Wettbewerb um die besten Talente versuchen, Gehaltsunterschiede auszugleichen“, erklärt Dr. Henrik Armah, Partner und Praxisgruppenleiter Gesellschaftsrecht/M&A am Berliner Standort der Kanzlei Greenberg Traurig. „Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sind ein ganz wesentlicher Baustein im Wettbewerb um Talente und Führungskräfte. Hier hat der Standort Deutschland trotz der jüngsten Gesetzesänderungen weiter Nachholbedarf – oder positiv gesagt: eine Menge Potenzial.“ Die verbesserten Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen freuen vor allem die Startup-Szene. „Das Gesetz ist dringend notwendig, um Deutschland zum Weltmarktführer für Startups zu machen”, so Christian Miele, Kuratoriums-Vorsitzender beim Bundesverband Deutsche Startups. „Damit wird eine langjährige Forderung deutscher Startups und des Startup-Verbands erfüllt.“ Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom haben drei Viertel (73 Prozent) der Startups die verbesserte Attraktivität herbeigesehnt. Bislang beteiligen vier von zehn Startups (38 Prozent) Beschäftigte am Unternehmen – und 48 Prozent können sich das in der Zukunft vorstellen. Gerade einmal sechs Prozent der Startups lehnen Mitarbeiterbeteiligungen grundsätzlich ab. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am finanziellen Erfolg des Startups zu beteiligen ist gerade für junge und kleinere Unternehmen von entscheidender Bedeutung, um gute Leute zu gewinnen – und zu halten. Mitarbeiterbeteiligungen sind wichtig für den Erfolg des deutschen Startup-Öko-Systems“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Das Zukunftsfinanzierungsgesetz stellt wichtige Weichen.“

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„Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sind ein ganz wesentlicher Baustein
im Wettbewerb um Talente und Führungskräfte.“

Dr. Henrik Armah
Partner und Praxisgruppenleiter Gesellschaftsrecht/M&A am Berliner Standort,

Kanzlei Greenberg Traurig

Am Erfolg beteiligen, ohne Verlustrisiken tragen zu müssen

Die Mitarbeiterbeteiligung sei ein Unternehmenskonzept, bei dem Mitarbeiter finanziell am Erfolg und den Erträgen des Unternehmens beteiligt werden, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, Jurist bei der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. „Dies kann auf verschiedene Arten geschehen, einschließlich der Bereitstellung von Gewinnbeteiligungen, Boni, Aktienoptionen oder anderen finanziellen Anreizen, die den Mitarbeitern je nach individueller Leistung, Unternehmensleistung oder anderen festgelegten Kriterien gewährt werden.“ Das Ziel bestehe darin, die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter zu fördern, indem sie direkt an den finanziellen Ergebnissen und dem Wachstum des Unternehmens teilhaben. „Dies kann nicht nur die Mitarbeiterbindung stärken, sondern auch die Produktivität und den langfristigen Erfolg des Unternehmens unterstützen“, so der Unternehmensjurist. In der Vergangenheit haben sich allerdings nicht alle Formen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung als gewinnbringend für die Mitarbeitenden herausgestellt. So hatte das schwedische Fintech-Unternehmen Klarna 2019 eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Form der international gängigen Variante eines sogenannten „Restricted Stock Unit“-Programms (RSU) ins Leben gerufen. Dabei erhalten die Mitarbeitenden nach einer bestimmten Frist echte Aktien. Das Problem: Direkt bei der Zuteilung müssen sie Lohnsteuer und Abgaben auf ihre Anteile zahlen. Konkret hieß das, dass wer beispielsweise Aktien im Wert von 3.000 Euro auf dem Papier zugeteilt bekam, je nach Steuerklasse teilweise rund die Hälfte des Geldes an Steuern und Sozialabgaben zahlen musste. Dieses Geld wurde dabei direkt vom Gehalt abgezogen. Das kann trotzdem lukrativ sein, wenn die Aktien anschließend weiter im Wert steigen. Doch die Mitarbeiter erhielten ihre Anteile zum Zeitpunkt der historisch höchsten Bewertung von Klarna: Seinerzeit wurde das Unternehmen mit 45,7 Milliarden US-Dollar bewertet – mittlerweile wird es nur noch auf rund ein Siebtel des damaligen Wertes taxiert, nämlich rund 6,5 Milliarden Dollar. Und so haben die Mitarbeitenden teilweise mehr Steuern und Abgaben gezahlt, als ihr Anteil an Klarna heute wert ist. RSU-Programme mögen somit zwar international üblich sein, sie sind in Deutschland aufgrund der hohen Steuer- und Abgabenlast jedoch unvorteilhaft – zumal im Fall von Klarna nicht nur gutbezahlte Manager, sondern vor allem auch kleine und mittlere Einkommen betroffen sind. Denn schließlich soll die Mitarbeiterbeteiligung dafür sorgen, die Mitarbeitenden am Erfolg zu beteiligen – und nicht, dass sie das Verlustrisiko tragen müssen, das sie nur bedingt beeinflussen können. 

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„Mitarbeiterbeteiligungen sind wichtig für den Erfolg des deutschen Startup-Öko-Systems.“ 

Dr. Ralf Wintergerst

Präsident, 

Digitalverband Bitkom

ESOP versus VSOP: Eine Frage der Komplexität

Möglich ist dies durch ein sogenanntes Optionsprogramm, das „Employee Stock Ownership Program“ (ESOP) heißt. ESOPs existieren in verschiedenen Varianten. Manchmal erhalten die Begünstigten die Anteile jedenfalls teilweise sofort, teilweise wird nur die Option gewährt, später einen Anteil zu einem bestimmten Preis zu kaufen. „Ein ESOP legt fest, zu welchen Konditionen die Mitarbeitenden die realen Anteile erhalten“, erklärt Greenberg Traurig-Partner Armah. „Typischerweise werden die Anteile über Zeit ansteigend ‚erdient‘ – die Beteiligten bekommen also nicht gleich die volle ihnen zugedachte Beteiligung, sondern müssen dafür über einen bestimmten Zeitraum im Unternehmen verbleiben.“ ESOPs waren hierzulande allerdings in steuerlicher Hinsicht sehr unattraktiv für die Begünstigten – zumindest bisher. „Grund dafür ist der sogenannte Dry Income-Effekt“, erläutert Armah. „Danach wird der Vorteil aus der Gewährung von echten Geschäftsanteilen in dem Moment besteuert, in dem sie dem Mitarbeitenden gewährt werden.“ Der Vorteil liegt dabei regelmäßig in einer vergünstigten oder sogar unentgeltlichen Anteilsübertragung. Begünstigten fehlte aber häufig im Moment der Anteilsgewährung die Liquidität, um die Steuerlast zu tragen – vor allem am Anfang ihrer beruflichen Karriere. „Das Gesetz sieht nun vor, die Besteuerung für diese Vorteile zeitlich aufzuschieben, etwa auf den Exit des Unternehmens oder die Kündigung des Mitarbeitenden“, sagt Armah. Der maximale zeitliche Aufschub beträgt 15 Jahre nach Anteilsgewährung. Auch hier bleibt aus Sicht der Begünstigten also das Risiko bestehen, Steuern abführen zu müssen, ohne liquide Vorteile aus den Anteilen gezogen zu haben – aber durch die zeitliche Streckung ist dies nun besser planbar. Und durch die jüngste Neuregelung im Zukunftsfinanzierungsgesetz gibt es einen Freibetrag von 2.000 Euro. Gibt es einen Wertverfall oder geht das Unternehmen gar pleite, fallen keine Steuern an. ESOPs sind allerdings in juristischer Hinsicht relativ komplex. So ist beispielsweise für jede Neuzuteilung bei der Rechtsform der GmbH ein Notartermin erforderlich. Deshalb sind sie vor allem für den inneren Führungszirkel eines Unternehmens ausgelegt. Als Alternative gibt es noch das sogenannte „Virtual Stock Option Program“ (VSOP). „Dabei werden Mitarbeitenden statt echter Geschäftsanteile virtuelle Beteiligungen gewährt, die sich am Wert des Unternehmens orientieren“, erläutert Armah. „Erst bei bestimmten Ereignissen, wie dem Verkauf des Unternehmens oder einem Börsengang, erhalten die Begünstigten einen Anspruch auf Auszahlung.“ Im Unterschied zum ESOP besteht keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung der Begünstigten, sie haben damit also weder Stimm- noch Informationsrechte. Dafür ist der administrative Aufwand deutlich geringer. „VSOPs sind grundsätzlich flexibler und für einen größeren Kreis an Begünstigten geeignet“, so Armah.

Mitarbeiterbeteiligungen sind auch für GmbHs möglich

Daneben gibt es weitere Varianten, wie Unternehmen ihrer Mitarbeitenden am geschäftlichen Erfolg teilhaben lassen können. Für Mittelständler, die meist als GmbH oder GmbH & Co. KG firmieren und für die deshalb Aktienoptionen – in welcher Form auch immer – nicht in Frage kommen, eignen sich beispielsweise sogenannte Genussrechte oder stille Beteiligungen, erklärt Creditreform-Experte Hantzsch. Der Vorteil: Sie sind sehr flexibel und individuell gestaltbar. „Bei Genussrechten erwerben Mitarbeiter einen schuldrechtlichen Anspruch darauf, am Unternehmensgewinn beteiligt zu werden“, so der Jurist. „Sie haben aber keinerlei Mitsprachrechte.“ Laufzeit, Verzinsung, Kündigung und Verlustbeteiligung lassen sich vertraglich frei gestalten. Bei einer stillen Beteiligung wiederum leisten Angestellte eine Einlage und bekommen dafür einen Anteil am Unternehmensgewinn. „Hier sind sie allerdings auch an möglichen Verlusten in der Höhe ihrer Einlage beteiligt“, sagt Hantzsch. „Als stille Gesellschafter treten sie nicht nach außen auf und haben lediglich Einsichts- aber keine Mitspracherechte.“ Auch eine direkte Beteiligung der Belegschaft am Stammkapital einer GmbH ist denkbar. „Allerdings sollten sich Unternehmen gut überlegen, wen sie mit einem solchen Schritt zu stimmberechtigten Mitgesellschaftern machen“, warnt Hantzsch. Da eine solche Beteiligungsform notariell beurkundet werden muss, ist sie für eine größere Zahl an Mitarbeitenden wenig geeignet. Zudem erhält jeder, der GmbH-Anteile besitzt, alle damit verbundenen Rechte und Pflichten – auch wenn die Gesellschaft Insolvenz anmelden sollte. Spielart einer solchen direkten Beteiligung der Belegschaft ist eine eigenständige Beteiligungsgesellschaft für die Mitarbeitenden, der diese wiederum als Gesellschafter oder Kommanditisten beitreten können – und die dann Anteile am eigentlichen Unternehmen hält. Prominentes Beispiel dafür ist die Mitarbeiter KG des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ (offizielle Firmierung: Kommanditgesellschaft Beteiligungsgesellschaft für SPIEGEL-Mitarbeiter mbH & Co.), die Eigentümerin von 50,5 Prozent der Rudolf-Augstein GmbH und 50 Prozent der Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH ist. Die Mitarbeiter KG umfasst nicht alle Mitarbeitenden automatisch, sondern es besteht eine Beteiligungsmöglichkeit für jeden, der seit mindestens drei Jahren beim Spiegel-Verlag arbeitet. Unabhängig davon, welche Form der Mitarbeiterkapitalbeteiligung man für sein Unternehmen ins Auge fasst: „Die juristischen und steuerlichen Fragestellungen und deren Zusammenspiel sind weiterhin nicht zu unterschätzen – auch nach den jüngsten Gesetzesänderungen“, mahnt Rechtsanwalt Armah. Bei der Strukturierung sei insbesondere auf die Praxistauglichkeit zu achten, so dass Wechsel im Kreis der Begünstigten mit zumutbarem Aufwand umsetzbar sind. Die steuerlichen Unwägbarkeiten der Begünstigten müsse das Unternehmen bei der Konzeption eines Beteiligungsprogramms mitdenken, betont Armah – „um nicht ein Programm vorzuschlagen, dass gravierende steuerliche Nachteile für diejenigen mit sich bringt, die man begünstigen will“.

Harald Czycholl-Hoch

Beitrag von Alexander Pradka

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