Datenregulierung überfordert Unternehmen europaweit

Durch die komplexen regulatorischen Vorgaben bei datengestützten Geschäftsmodellen werden Rechtsabteilungen zunehmend zum Mitgestalter des unternehmerischen Erfolgs, sowohl in Europa als auch in Deutschland, so eine kürzlich erschienene Studie von ECLA und Osborne Clarke.
vom 3. April 2022
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Die European Company Lawyers Association (ECLA) hat in Kooperation mit der internationalen Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke europaweit über 400 General Counsel zu Status-quo und Perspektiven im Umgang mit den Herausforderungen Daten-basierter Geschäftsmodelle befragt.

 

90 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland bieten entweder bereits Daten-basierte Produkte bzw. Dienste an (60 Prozent) oder befinden sich mehr oder weniger weit in der Planungsphase zur Implementierung solcher Lösungen (30 Prozent). Damit bewegen sich deutsche Unternehmen nahe am europäischen Durchschnitt, der mit 62 Prozent im Angebotsbereich leicht höher, dafür aber in der Planungsphase mit knapp 27 Prozent etwas niedriger liegt. Deutsche Unternehmen holen perspektivisch also auf.

 

Allein Unternehmen in Frankreich (mit knapp 66 Prozent) und insbesondere in Großbritannien (mit 77 Prozent) bieten im europäischen Vergleich bereits heute bedeutend häufiger Daten-basierte Produkte oder Dienste an.

BEI DER HERKUNFT DER DATEN WÄHLEN UNTERNEHMEN DEN SICHEREN WEG

 

Während sich die einen Geschäftsmodelle auf die Nutzung verfügbarer Daten konzentrieren, liegt bei anderen der Schwerpunkt auf der Versorgung mit Daten, Datenprodukten, Diensten oder Infrastrukturlösungen. Besonders hoch im Kurs stehen bei deutschen Unternehmen mit 78 Prozent lediglich rein Daten-basierte Dienstleistungen rund um die Verbesserung von Aktivitäten oder Prozessen, während in Großbritannien beispielsweise zudem bereits erheblich mehr hybride Angebote als Erweiterung bestehender Produkte oder Dienstleistungen vermarktet werden als in Deutschland. In Frankreich hingegen konzentrieren sich Unternehmen im europäischen Vergleich sehr stark auf Angebote im Bereich der Datensammlung, -analyse, -aufbereitung und -verkauf (76 Prozent). Bei der Datengenerierung drohen deutsche Unternehmen allerdings ins Hintertreffen zu geraten. So liegen deutsche Unternehmen in diesem Feld mit 45 Prozent nicht nur fast 5 Punkte unter dem europäischen Durchschnitt, sondern auch knapp 30 Prozent hinter der Konkurrenz aus Großbritannien und Belgien.

 

Mit 56 Prozent greifen deutsche Unternehmen außerdem weitaus weniger als ihre Vergleichsgruppe in anderen Ländern auf bereits existierende Daten zurück, die ursprünglich nicht zur Verwendung in Daten-basierten Geschäftsmodellen gedacht waren. In Italien beispielsweise liegt die Quote hier bei stolzen 78 Prozent. Stattdessen werden hierzulande in der Mehrheit speziell zweckgebundene neu generierte Daten verwendet.

 

Die große Masse der externen Datensätze kommt bei deutschen Unternehmen von Kunden (89 Prozent). Deutschland ist damit Vorreiter in Europa. Andere externe Datenquellen, wie beispielsweise frei verfügbare öffentliche Datensätze werden in Deutschland weitaus weniger genutzt. Insbesondere Frankreich tut sich hier im europäischen Vergleich hervor. Dort greifen laut Studie 59 Prozent der Unternehmen darauf zurück. Wahrscheinlich als Konsequenz aus der verstärkten Ausrichtung auf den Erwerb externer Daten zeigt sich in Frankreich (39 Prozent) und Großbritannien (27 Prozent) auch eine vergleichsweise erhöhte Tendenz zu Streitigkeiten um den Zugang zu externen Datensätzen. In Deutschland gaben beispielsweise nur 11 Prozent der Unternehmen an, sie seien bereits in solche Streitigkeiten involviert gewesen.

 

„Zugang zu Daten ist schon jetzt eine zentrale Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit. Das sehen wir täglich in unserer Beratungspraxis. Viele Unternehmen haben beim Zugang zu Daten aus externen Quellen erhebliche Schwierigkeiten. Gleichzeitig bleiben manche Datenquellen möglicherweise ungenutzt. Unternehmen müssen sich damit befassen, wie der Zugang zu Daten notfalls auch durchgesetzt werden kann“, so Elisabeth Macher, Counsel und IP-Expertin von Osborne Clarke.

 

Ebenfalls in Frankreich werden mit 35 Prozent deutlich mehr Daten-basierte Geschäftsmodelle in Kooperation mit Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen entwickelt als im Rest Europas. In Deutschland verlässt man sich da eher auf komplette Eigenentwicklungen in voll integrierten Einheiten (67 Prozent) oder in eigenständigen Konzerngesellschaften (29 Prozent). Wenn man hierzulande schon mit externen Kooperationspartnern in der Entwicklung zusammenarbeitet, dann eher mit kommerziellen Partnern (46 Prozent). Spätestens beim Vertrieb Daten-basierter Geschäftsmodelle ist man sich europaweit einig: Hier wird eindeutig der Vertrieb über vollintegrierte interne Einheiten favorisiert.

 

Naturgemäß sehen die In-house Counsel in ganz Europa rechtliche und regulatorische Hindernisse als größte Herausforderungen für die Umsetzung Daten-basierter Geschäftsmodelle. In Deutschland empfinden 70 Prozent den rechtlich-regulatorischen Rahmen als zu komplex. 55 Prozent sagen sogar, der Rahmen würde die Umsetzung Daten-basierter Geschäftsmodelle behindern. Dr. Jens Schefzig, Partner bei Osborne Clarke und Experte für Datenrecht, ordnet die Ergebnisse ein: „Ein sehr gutes Verständnis der Datenregulierung ist erforderlich, um erfolgreich datengetriebene Geschäftsmodelle umzusetzen. Fehlt es, verschwenden Unternehmen im schlimmsten Fall Geld und Zeit. Die bereits geplante weitere Regulierung wird die Situation verschärfen.“

DIE HERAUSFORDERUNGEN LIEGEN IM BEREICH DER ERFAHRUNGEN UND FÄHIGKEITEN

 

In der Beurteilung deutscher Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer stechen allerdings noch weitere Herausforderungen im europäischen Vergleich hervor. So spielen beispielsweise in Deutschland scheinbar mangelnde interne Erfahrungen und Fähigkeiten im Hinblick auf Daten-basierte Geschäftsmodelle eine größere Rolle als anderswo (44 Prozent). Ebenso der Mangel an internen Ressourcen zur Umsetzung (40 Prozent) und die schlechte Einbindung neuer Geschäftsmodelle in Unternehmensstrukturen und -prozesse (39 Prozent). In Großbritannien sieht man hingegen mehr Probleme mit der Nutzung interner Daten (44 Prozent) als im europäischen Durchschnitt, während in Italien Cybersecurity mit 67 Prozent als sehr prominente Herausforderung mehr als doppelt so häufig benannt wurde wie in Deutschland.

 

In dem Maße, in dem Daten zu einem immer wertvolleren Asset für Unternehmen werden, wird eine Datenstrategie immer wichtiger. Mit dem Aufkommen von ESG-Richtlinien muss die Datenstrategie zudem den Beschaffungsprozessen und weiteren Funktionen und Prozessen im Unternehmen angepasst werden. Über eine dezidierte Datenstrategie verfügen allerdings europaweit bislang nur 36 Prozent der Unternehmen. Die große Mehrheit sieht sich da nicht so gut aufgestellt. In Deutschland ist der Vergleichswert sogar noch niedriger. Hier bescheinigen insgesamt nur 31 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer ihren Unternehmen eine solide datenstrategische Grundlage. Unternehmen in Großbritannien und Belgien (beide 46 Prozent) und insbesondere Italien (61 Prozent) sehen sich da deutlich besser aufgestellt. Nur die Franzosen zeigen sich mit 17 Prozent in dieser Hinsicht erheblich skeptischer.

 

Rechtsabteilungen rücken jetzt zunehmend in die Rolle eines Mitgestalters von Wachstum und Wandel. Sie müssen die regulatorische Nachhaltigkeit von Datenstrategien hinterfragen, die Rechtmäßigkeit der Geschäftsmodelle gewährleisten und die zentrale Ressource – Daten – beschaffen und absichern. Aktuell versucht der EU-Gesetzgeber zwar, mit verschiedenen Gesetzgebungsinitiativen wie dem Data Act, dem Data Governance Act, dem Digital Markets Act und dem Artificial Intelligence Act, das europäische Datenökosystem umzugestalten und zu öffnen, doch auch insoweit ergeben sich neue regulatorische Fragestellungen.

 

Die Studie „Data-Driven Business Models – the role of legal teams in delivering success“ liefert auf rund 200 Seiten wertvolle Analysen und Benchmarkings zu den verschiedenen Sektoren und umfasst Expertenbeiträge zu relevanten rechtlichen Fragestellungen rund um den Themenkomplex Daten-basierte Geschäftsmodelle.

Tobias Heining & Marcus M. Schmitt

Beitrag von Alexander Pradka

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