Richtig Steuern

Mit wachsendem Kostendruck steigen die Anforderungen an Rechtsabteilungen, ihre Effizienz kontinuierlich zu verbessern. Kennzahlen können dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
vom 13. Januar 2025
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2024 hat der Informationsdienstleister Wolters Kluwer rund 350 Unternehmensjuristen in ganz Europa nach Trends in der Rechtsabteilung befragt. Ein Schwerpunkt war die Frage nach Kennzahlen. Das Ergebnis war ernüchternd: Zwei von drei Rechtsabteilungen der Umfrageteilnehmer verwenden keine. In einem Statement hierzu wundert sich Jeffrey Dekker, Marketingleiter Wolters Kluwer Legal Software: „Dabei handelt es sich um wichtige Messgrößen für die Beurteilung der allgemeinen Leistung der Rechtsabteilung.“ Werden alle geschäftlichen Anforderungen erfüllt? Sind die Teammitglieder überlastet? Wird das Budget der Abteilung eingehalten? „Das können Ihnen nur Ihre KPIs sagen“, sagt Jeffrey Dekker. Key Performance Indicators (KPIs) können ein mächtiges Werkzeug sein, um die Arbeit in der Rechtsabteilung zu verbessern. Denn nur wer seine Kennzahlen kennt und weiß, wie viele Verträge er im Monat bearbeitet, wie viel Geld er für externe Rechtsberatung ausgibt, oder wie erfolgreich er Rechtsstreitigkeiten austrägt, kann sicher sagen, ob es Verbesserungspotenzial gibt und wo nachgesteuert werden muss. Gerade für Rechtsabteilungen kann es sinnvoll sein, mit KPIs zu arbeiten, denn mit wachsendem Kostendruck steigen die Anforderungen, ihre Effizienz kontinuierlich zu verbessern. Die Rechtsabteilung der Hartmann Group nutzt KPIs, um die Effizienz und Effektivität ihrer Arbeit zu messen und kontinuierlich zu verbessern. „KPIs helfen uns, klare Ziele zu setzen und zu formulieren, Fortschritte zu überwachen und datenbasierte Entscheidungen zu treffen“, sagt Markus Warmholz, Head of Commercial Law & Legal Operations. „Sie bieten uns, und das ist entscheidend, eine objektive Grundlage, um Bereiche zu identifizieren, in denen Verbesserungen möglich sind.“ Die Leistungskennzahlen in der Rechtsabteilung umfassen zum Beispiel die Anzahl der standardisierten Vertragstemplates und deren Nutzungshäufigkeit, die durchschnittliche Bearbeitungszeit für Anfragen und die Kosten für externe Rechtsberatung. Um die KPIs zu erfassen, verwenden die Unternehmensjuristen der Hartmann Group verschiedene Methoden und Tools. „Beispielsweise nutzen wir unser Unterschriftentool DocuSign, um Daten zur Vertragsunterzeichnungsgeschwindigkeit und Vertragsanzahl zu sammeln“, sagt Warmholz. „Zudem führen wir regelmäßige manuelle Überprüfungen durch und nutzen Business-Intelligence-Dashboards, um Echtzeit-Einblicke in wichtige Kennzahlen zu erhalten.“ Die Nutzung von KPIs oder Kennzahlen fördere die Transparenz und biete eine solide Grundlage für fundierte Entscheidungen. „Durch die Identifizierung von Effizienzsteigerungspotenzialen können Kosten reduziert und die Reaktionsfähigkeit auf rechtliche Herausforderungen verbessert werden“, führt Warmholz aus. Trotz dieser Vorteile gebe es allerdings speziell bei der Implementierung von KPIs Herausforderungen. „Dazu gehören die Auswahl geeigneter KPIs und die Sicherstellung der Datenqualität“, sagt Warmholz. „Wenn die Datengrundlage nicht eine gewisse Qualität aufweist, bringen alle Kennzahlen nichts.“ Es sei wichtig, die Leistungsindikatoren immer wieder zu überprüfen und kontinuierlich an sich ändernde Anforderungen anzupassen

Romy Graske

„Als Unternehmensjurist arbeitet man sonst eher reaktiv.
Die OKRs führen aber dazu, dass man selbst mitgestaltet.“

Romy Graske

Syndikusrechtsanwältin,
Vimcar / Shiftmove

Kennzahlen messen, Transparenz herstellen

KPIs können helfen, Prozesse wie Vertragsmanagement, die Einhaltung von Compliance-Vorgaben oder die Verwaltung von Rechtsstreitigkeiten transparenter zu gestalten. Die von Wolters Kluwer befragten Rechtsabteilungen, die KPIs verwenden, nutzen diese insbesondere, um interne und externe Ausgaben zu verfolgen. Die Hälfte gibt an, durch KPIs die Anzahl der bearbeiteten Verträge zu überwachen. Noch 47 Prozent sagen, sie erfassten die Anzahl der bearbeiteten Rechtsstreitigkeiten. Eine Herausforderung der Arbeit mit Kennzahlen liegt darin, dass die Qualität juristischer Beratung, die Fähigkeit, Risiken zu managen, oder der Umgang mit sensiblen rechtlichen Fragestellungen Aspekte sind, die sich kaum in Zahlen fassen lassen. Zudem muss die Rechtsabteilung Daten erheben und aufbereiten. Ein Aufwand, der insbesondere in kleineren oder weniger digitalisierten Abteilungen nicht zu unterschätzen ist. Die Auswahl und Nutzung von KPIs darf außerdem nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in einem strategischen Kontext erfolgen. KPIs formen die Kultur und Prioritäten einer Organisation, indem sie die Aufmerksamkeit und Ressourcen auf bestimmte Ziele lenken. Daher ist es entscheidend, die richtigen Kennzahlen zu wählen, die sowohl mit den langfristigen Zielen als auch den kurzfristigen Anforderungen übereinstimmen. KPIs sollten spezifisch und messbar sein, um präzise Einblicke zu ermöglichen, und gleichzeitig flexibel genug, um sich an veränderte Umstände anzupassen. Zu viele oder irrelevante KPIs können kontraproduktiv sein, wenn sie den Fokus zerstreuen und ineffizientes Verhalten fördern. KPIs sollten dazu beitragen, Verhaltensänderungen und strategische Entscheidungen zu unterstützen. Wichtig ist, dass dabei der menschliche Aspekt nicht zu kurz kommt: Wenn Mitarbeiter das Gefühl entwickeln, dass KPIs nur dazu dienen, sie zu überwachen oder zu kontrollieren, werden sie die Einführung von Kennzahlen in ihrer Rechtsabteilung sehr wahrscheinlich ablehnen. Eine offene Kommunikation, die den Zweck von KPIs erklärt und Mitarbeiter in deren Entwicklung einbindet, kann dazu beitragen, diese Vorbehalte abzubauen und die Akzeptanz zu fördern. 

Markus Warmholz

„KPIs helfen uns, klare Ziele zu setzen und zu formulieren, Fortschritte zu überwachen und datenbasierte Entscheidungen zu treffen.“

Markus Warmholz

Head of Commercial Law & Legal Operations,

HARTMANN GROUP

Wie können wir Ziele erreichen?

Während KPIs primär als Messgrößen für bestehende Prozesse dienen, liegt der Fokus bei OKRs (Objectives and Key Results) auf der Förderung von strategischer Ausrichtung und Innovation. Das Konzept geht auf Andrew S. Grove zurück. Während seiner Zeit als CEO beim IT-Konzern Intel in den 1970er Jahren nutzte er die Methode, um Teams während der Entwicklung von Mikroprozessoren effektiv zu koordinieren. Grove selbst betonte, dass es dabei nicht nur darum ging, zu messen, was erreicht wurde, sondern auch, den Fokus auf das zu lenken, was wirklich wichtig war. Grove nannte die Methode noch „Intel management by objectives“. Zur OKR-Methode wurde sie dann von seinem ehemaligen Mitarbeiter John Doerr weiterentwickelt. John Doerr brachte OKR 1999 zu Google, zu einer Zeit, als der heutige Weltkonzern gerade einmal 40 Mitarbeiter hatte. Als Partner bei Kleiner Perkins, einer renommierten Venture-Capital-Firma, investierte er frühzeitig in Google und spielte eine Schlüsselrolle dabei, das Unternehmen in seiner Wachstumsphase zu unterstützen. Doerr stellte den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin die OKR-Methode vor, die er zuvor bei Intel kennengelernt hatte. Obwohl Doerr nicht direkt bei Google angestellt war, hatte er durch seine Beratungsrolle großen Einfluss auf die Einführung von OKRs, die bis heute ein zentraler Bestandteil von Googles Managementkultur sind. Hinter OKRs steht die Frage: „Was wollen wir erreichen und wie messen wir, ob wir auf dem richtigen Weg sind?“ Die Methode basiert auf klar formulierten Zielen (Objectives), die ambitioniert, aber erreichbar sein sollen, und messbaren Ergebnissen (Key Results), die den Fortschritt hin zu diesen Zielen quantifizieren. OKRs fördern Transparenz, Ausrichtung und regelmäßige Überprüfung, da sie typischerweise in kurzen Zyklen gesetzt und evaluiert werden. KPIs hingegen sind primär darauf ausgerichtet, die Performance bestehender Prozesse und Aktivitäten zu messen. Sie sind oft statisch, spezifisch und langfristig angelegt, um die Effizienz und Zielerreichung in bestimmten Bereichen zu überwachen. John Doerr, der seine Erkenntnisse später in seinem Buch Measure What Matters zusammenfasste, betont, dass OKRs besonders geeignet sind, um Teams auf gemeinsame Prioritäten auszurichten und proaktives Handeln zu fördern, während KPIs eine zuverlässige Basis für die Bewertung operativer Leistung schaffen. 

Beide Systeme ergänzen sich gut: KPIs liefern die nötigen Daten, um Fortschritte zu quantifizieren, während OKRs dazu motivieren sollen, strategische Innovationen voranzutreiben. Das können sich auch Rechtsabteilungen zu Nutze machen.

Ausrichtung an den Zielen des Unternehmens 

Bei der OKR-Methode werde zuerst ein Ziel für das Unternehmen formuliert, erklärt Romy Graske, Syndikusrechtsanwältin bei Vimcar / Shiftmove, einem Anbieter von Software für das Fuhrparkmanagement. Jede Abteilung müsse nun erarbeiten, wie sie dazu beitragen kann, das Unternehmensziel zu erreichen – auch die Rechtsabteilung. „Ein Beitrag könnte etwa ein rechtskonformer Bestellprozess auf der Webseite sein“, sagt Graske. Dadurch wird das Vertrauen des Kunden in das Unternehmen gestützt, die Reputation wächst, was eventuell zu mehr Kunden führt. Schwierig ist es, für die Unternehmensjuristen Keyresults zu definieren. „Diese sollen zählbar sein. Das ist nicht immer einfach in der Rechtsabteilung. Aber natürlich hat zum Beispiel so ein Webseitenprojekt bestimmte Aspekte, die abgehakt werden müssen, etwa Einwilligungen, die Widerrufsbelehrung oder AGB.“ Die Ziele werden gemeinsam mit der Geschäftsführung oder einem OKR-Beauftragten von den Abteilungen erarbeitet. Diese machen Vorschläge für OKRs, die sie erreichen wollen. Diese OKRs sind öffentlich innerhalb des Unternehmens zugänglich. Jeder weiß, woran eine Abteilung gerade arbeitet. Nach einem bestimmten Zeitraum, zum Beispiel alle vier Monate, wird geschaut, ob die Ziele erreicht wurden. Immer dann, wenn ein Projekt ins Stocken gerät, helfe ein Blick auf die OKRs, meint Graske. „Es geht bei den OKRs nicht unbedingt darum, alles immer zu 100 Prozent umzusetzen, sondern viel mehr, sich zu vergegenwärtigen, wo das Unternehmen hinwill und wie man selbst dazu beitragen kann.“ Das System helfe auch dabei, im stressigen Arbeitsalltag zu priorisieren: Worauf konzentriere ich mich, wie investiere ich meine Arbeitszeit am besten? „Als Unternehmensjurist arbeitet man sonst eher reaktiv. Die OKRs führen aber dazu, dass man selbst mitgestaltet.“ Auch kleinere oder weniger digitalisierte Rechtsabteilungen können von KPIs und OKRs profitieren, wenn diese pragmatisch und auf die spezifischen Bedürfnisse der Abteilung zugeschnitten eingesetzt werden. Statt aufwendige technische Lösungen einzuführen, können einfache, manuelle Methoden wie Excel-Tabellen oder regelmäßige Team-Meetings genutzt werden, um wichtige Kennzahlen zu erfassen und zu diskutieren. Ein KPI kann zum Beispiel sein, wie lange es durchschnittlich dauert, einen Vertrag zu bearbeiten. Diese Zahl zeigt, wie effizient die Abteilung arbeitet. Ein OKR könnte dagegen ein Ziel festlegen, etwa die Beschleunigung der Vertragsbearbeitung. Zu diesem Ziel können konkrete Ergebnisse gehören, wie die Bearbeitungszeit von zehn auf sieben Tage zu verkürzen, ein neues Vertragsmanagement-Tool einzuführen und das Team darin zu schulen. Der KPI misst, wie es läuft, das OKR hilft dabei, etwas zu verbessern. Romy Graske hat neben der Arbeit in der Rechtsabteilung auch noch eine eigene Kanzlei, in der sie sich auf das grenzüberschreitende mobile Arbeiten und die Künstlersozialkasse spezialisiert hat. „In der Kanzlei setze ich mir ebenfalls OKRs“, sagt die Rechtsanwältin. „OKRs gewährleisten, dass man im Arbeitsalltag gerade nicht den Fokus verliert, sondern die Maßnahmen endlich umsetzt, die geeignet sind, die persönlichen Ziele zu erreichen.“

Henning Zander

Beitrag von Alexander Pradka

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