Der Konzern Siemens Healthineers beschäftigt mehr als 71.000 Menschen in 70 Ländern weltweit und ist damit ein echter Global Player. Für den Konzern ist es wichtig, in seinen Märkten präsent zu sein. Das Geschäft verteilt sich etwa zu je einem Drittel auf Europa, Amerika und Asien. Als kommender Markt wird Afrika gesehen. Die Rechtsabteilung unterstützt das Business dabei, neue Standorte aufzubauen. „Wir entwickeln die Strategie im Dialog“, sagt Dagmar Mundani, General Counsel von Siemens Healthineers. Geht es um einen neuen Produktionsstandort oder um den Vertrieb? Soll ein bestimmter Service vor Ort erbracht werden? Braucht der Konzern einen lokalen Anteilseigner, sei es auf Grund gesetzlicher Anforderungen oder auch um sich für Ausschreibungen zu qualifizieren? „Die Strukturen müssen klar sein“, sagt Mundani. „Die Geschäftsaktivitäten müssen genau beschrieben werden.“ Deutsche Unternehmen sind überall auf der Welt aktiv. Gerade in Zeiten der Unsicherheit gewinnt der Blick ins Ausland an Attraktivität. Nach einer Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter 3600 Unternehmen beabsichtigen rund ein Drittel der Firmen in den nächsten zwölf Monaten ihre Investitionen an ihren internationalen Standorten zu erhöhen. In Deutschland hingegen erwarten rund 31 Prozent eine Reduzierung der Investitionen. Dies passt zu einer Umfrage der Wirtschaftsberatung Deloitte, nach der rund 49 Prozent der befragten Unternehmen Teile ihrer Produktion in den vergangenen Jahren ins Ausland verlagert haben oder dies zumindest planen. Als Gründe hierfür wurden unter anderem die Energiepolitik und zunehmende regulatorische Anforderungen genannt. Viele Unternehmen planen zudem, sich unabhängiger vom chinesischen Markt zu machen. Länder wie Indien, Vietnam oder Indonesien gewinnen dadurch an Bedeutung. Bevor ein Unternehmen eine Niederlassung im Ausland gründet, ist eine sorgfältige strategische Planung unerlässlich, sagt Florian Schneider, Partner bei der Kanzlei Dentons. „Zunächst müssen die wirtschaftlichen Ziele klar definiert werden.“ Auch der Zeitplan müsse klar sein. Dabei müssen lokale Gegebenheiten berücksichtigt werden. In manchen Ländern können Gesellschaften online gegründet und registriert werden. In anderen müssen Dokumente auf Papier eingereicht werden. Regelmäßig ist auch der Nachweis eines Bankkontos vor Ort nötig. Die Zeitplanung sollte realistisch sein. „Es ist wichtig, sich vorher über Fristen und Abläufe vor Ort zu informieren“, sagt Schneider. Aber auch im Mutterhaus sollte alles für eine gute Abwicklung vorbereitet sein. Zum Beispiel müsse die Verfügbarkeit von Entscheidern gewährleistet sein. „Wenn dringend eine Unterschrift gebraucht wird, sollte der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin nicht unbedingt in Indonesien auf Dienstreise sein.“ Oft sind notarielle Beglaubigungen erforderlich. Für diese Beglaubigungen wird zumeist eine Apostille für die Verwendung im Ausland notwendig. „Auch das kostet Zeit“, gibt Schneider zu Bedenken. Wichtig ist, dass es im Konzern einen Verantwortlichen gibt, der die Planung der neuen Niederlassung betreut und die Verbindung ins Ausland hält.
Die Rechtabteilung organisiert den Prozess
Katrin Sebastian ist Head of M&A und Corporate Compliance beim Pharma- und Laborzulieferer Sartorius in Göttingen. Sartorius ist in Europa, Asien und Amerika mit eigenen Produktionsstätten vertreten. Zudem gibt es Vertriebsniederlassungen in über 110 Ländern. „Der Aufbau einer Niederlassung im Ausland ist zuerst eine Entscheidung des Business“, stellt Katrin Sebastian fest. „Wenn klar ist, dass eine Gesellschaft gegründet werden soll, dann werden wir von Corporate Compliance aktiv.“ Das Team steuert den Prozess intern und extern. „Wir sind die Schnittstelle für die verschiedenen rechtlichen Themen“, sagt Sebastian. Dabei laufen die Informationen immer bei einem bestimmten Ansprechpartner innerhalb von Corporate Compliance zusammen. „Wir prüfen unter anderem die Gründungsdokumentation, erstellen Vorlagen für Gesellschafterbeschlüsse, geben Aufträge an externe Kanzleien.“ Die Kanzlei übernimmt Fragestellungen, bei denen in der Konzernrechtsabteilung weniger Know-how vorhanden ist. „Früher haben wir mehr herausgegeben, aber über die Jahre haben wir deutlich hinzugelernt“, sagt Sebastian. Zuerst sind vor allem gesellschaftsrechtliche und steuerliche Aspekte relevant. Die rechtlichen Rahmenbedingungen wären allerdings kein Grund, einen Standort nicht zu gründen, sagt Sebastian. „Sie sind, wie sie sind, und wir müssen uns an sie halten.“ Ist die Gesellschaft erst einmal gegründet, werden alle rechtlichen Fragen der Tochtergesellschaft über die Konzernrechtsabteilung geklärt. „Die Frage wird je nach Expertise zugewiesen und bearbeitet. Sollte lokal erforderliche Expertise fehlen, werden wiederum externe Berater hinzugezogen.“
„Wir entwickeln die Strategie im Dialog.“
Dagmar Mundani
General Counsel,
Siemens Healthineers
Offshoring, Nearshoring, Friendshoring
Bei der Gründung von Auslandsniederlassungen können verschiedene Strategien wie Offshoring, Nearshoring und Friendshoring eine zentrale Rolle einnehmen. Offshoring beschreibt die Verlagerung von Unternehmensprozessen in ein anderes Land, oft mit dem Ziel, kostengünstigere oder besser verfügbare Arbeitskräfte zu nutzen. Nearshoring konzentriert sich auf benachbarte Länder mit guter Infrastruktur. Eine jüngere Entwicklung ist das Friendshoring. Unternehmen setzen dann nicht mehr nur auf Kosteneffizienz bei der Gestaltung ihrer Lieferketten, sondern fokussieren sich auf Länder und mit denen gemeinsame Werte, Arbeits- und Umweltstandards geteilt werden. Ziel ist eine höhere Stabilität bei Lieferketten. Beim Nearshoring sind für deutsche Unternehmen insbesondere die osteuropäischen EU-Staaten interessant. Ein wesentlicher Vorteil von Niederlassungen innerhalb der EU ist eine weitgehende Harmonisierung durch gemeinsame Richtlinien und Regelungen. So ist es innerhalb der EU potenziell leichter, Mitarbeiter flexibel zu entsenden oder vor Ort anzustellen als in Nicht-EU-Ländern, wo oft zusätzliche Genehmigungen für die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften eingeholt werden müssen. Die Vorteile einer gemeinsamen Regulierung zeigen sich exemplarisch auch beim Datenschutz. Innerhalb der EU ist der Umgang mit personenbezogenen Daten klar regelt. Diese können zwischen der Niederlassung und dem Konzern auch zwischen den einzelnen Staaten unproblematisch ausgetauscht werden.
„Der Aufbau einer Niederlassung im Ausland ist zuerst eine
Entscheidung des Business.“
Katrin Sebastian
Head of M&A und Corporate Compliance,
Sartorius