Weichenstellungen für den internationalen Erfolg

Für deutsche Unternehmen sind Niederlassungen im Ausland essenziell, um neue Märkte zu gewinnen und auch um Lieferketten zu sichern. Wie Rechtsabteilungen dabei helfen, Standorte im Ausland aufzubauen.
vom 11. November 2024
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Der Konzern Siemens Healthineers beschäftigt mehr als 71.000 Menschen in 70 Ländern weltweit und ist damit ein echter Global Player. Für den Konzern ist es wichtig, in seinen Märkten präsent zu sein. Das Geschäft verteilt sich etwa zu je einem Drittel auf Europa, Amerika und Asien. Als kommender Markt wird Afrika gesehen. Die Rechtsabteilung unterstützt das Business dabei, neue Standorte aufzubauen. „Wir entwickeln die Strategie im Dialog“, sagt Dagmar Mundani, General Counsel von Siemens Healthineers. Geht es um einen neuen Produktionsstandort oder um den Vertrieb? Soll ein bestimmter Service vor Ort erbracht werden? Braucht der Konzern einen lokalen Anteilseigner, sei es auf Grund gesetzlicher Anforderungen oder auch um sich für Ausschreibungen zu qualifizieren? „Die Strukturen müssen klar sein“, sagt Mundani. „Die Geschäftsaktivitäten müssen genau beschrieben werden.“ Deutsche Unternehmen sind überall auf der Welt aktiv. Gerade in Zeiten der Unsicherheit gewinnt der Blick ins Ausland an Attraktivität. Nach einer Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter 3600 Unternehmen beabsichtigen rund ein Drittel der Firmen in den nächsten zwölf Monaten ihre Investitionen an ihren internationalen Standorten zu erhöhen. In Deutschland hingegen erwarten rund 31 Prozent eine Reduzierung der Investitionen. Dies passt zu einer Umfrage der Wirtschaftsberatung Deloitte, nach der rund 49 Prozent der befragten Unternehmen Teile ihrer Produktion in den vergangenen Jahren ins Ausland verlagert haben oder dies zumindest planen. Als Gründe hierfür wurden unter anderem die Energiepolitik und zunehmende regulatorische Anforderungen genannt. Viele Unternehmen planen zudem, sich unabhängiger vom chinesischen Markt zu machen. Länder wie Indien, Vietnam oder Indonesien gewinnen dadurch an Bedeutung. Bevor ein Unternehmen eine Niederlassung im Ausland gründet, ist eine sorgfältige strategische Planung unerlässlich, sagt Florian Schneider, Partner bei der Kanzlei Dentons. „Zunächst müssen die wirtschaftlichen Ziele klar definiert werden.“ Auch der Zeitplan müsse klar sein. Dabei müssen lokale Gegebenheiten berücksichtigt werden. In manchen Ländern können Gesellschaften online gegründet und registriert werden. In anderen müssen Dokumente auf Papier eingereicht werden. Regelmäßig ist auch der Nachweis eines Bankkontos vor Ort nötig. Die Zeitplanung sollte realistisch sein. „Es ist wichtig, sich vorher über Fristen und Abläufe vor Ort zu informieren“, sagt Schneider. Aber auch im Mutterhaus sollte alles für eine gute Abwicklung vorbereitet sein. Zum Beispiel müsse die Verfügbarkeit von Entscheidern gewährleistet sein. „Wenn dringend eine Unterschrift gebraucht wird, sollte der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin nicht unbedingt in Indonesien auf Dienstreise sein.“ Oft sind notarielle Beglaubigungen erforderlich. Für diese Beglaubigungen wird zumeist eine Apostille für die Verwendung im Ausland notwendig. „Auch das kostet Zeit“, gibt Schneider zu Bedenken. Wichtig ist, dass es im Konzern einen Verantwortlichen gibt, der die Planung der neuen Niederlassung betreut und die Verbindung ins Ausland hält.

 

Die Rechtabteilung organisiert den Prozess

Katrin Sebastian ist Head of M&A und Corporate Compliance beim Pharma- und Laborzulieferer Sartorius in Göttingen. Sartorius ist in Europa, Asien und Amerika mit eigenen Produktionsstätten vertreten. Zudem gibt es Vertriebsniederlassungen in über 110 Ländern. „Der Aufbau einer Niederlassung im Ausland ist zuerst eine Entscheidung des Business“, stellt Katrin Sebastian fest. „Wenn klar ist, dass eine Gesellschaft gegründet werden soll, dann werden wir von Corporate Compliance aktiv.“ Das Team steuert den Prozess intern und extern. „Wir sind die Schnittstelle für die verschiedenen rechtlichen Themen“, sagt Sebastian. Dabei laufen die Informationen immer bei einem bestimmten Ansprechpartner innerhalb von Corporate Compliance zusammen. „Wir prüfen unter anderem die Gründungsdokumentation, erstellen Vorlagen für Gesellschafterbeschlüsse, geben Aufträge an externe Kanzleien.“ Die Kanzlei übernimmt Fragestellungen, bei denen in der Konzernrechtsabteilung weniger Know-how vorhanden ist. „Früher haben wir mehr herausgegeben, aber über die Jahre haben wir deutlich hinzugelernt“, sagt Sebastian. Zuerst sind vor allem gesellschaftsrechtliche und steuerliche Aspekte relevant. Die rechtlichen Rahmenbedingungen wären allerdings kein Grund, einen Standort nicht zu gründen, sagt Sebastian. „Sie sind, wie sie sind, und wir müssen uns an sie halten.“ Ist die Gesellschaft erst einmal gegründet, werden alle rechtlichen Fragen der Tochtergesellschaft über die Konzernrechtsabteilung geklärt. „Die Frage wird je nach Expertise zugewiesen und bearbeitet. Sollte lokal erforderliche Expertise fehlen, werden wiederum externe Berater hinzugezogen.“

Dagmar Mundani

„Wir entwickeln die Strategie im Dialog.“

Dagmar Mundani
General Counsel,
Siemens Healthineers

Offshoring, Nearshoring, Friendshoring

Bei der Gründung von Auslandsniederlassungen können verschiedene Strategien wie Offshoring, Nearshoring und Friendshoring eine zentrale Rolle einnehmen. Offshoring beschreibt die Verlagerung von Unternehmensprozessen in ein anderes Land, oft mit dem Ziel, kostengünstigere oder besser verfügbare Arbeitskräfte zu nutzen. Nearshoring konzentriert sich auf benachbarte Länder mit guter Infrastruktur. Eine jüngere Entwicklung ist das Friendshoring. Unternehmen setzen dann nicht mehr nur auf Kosteneffizienz bei der Gestaltung ihrer Lieferketten, sondern fokussieren sich auf Länder und mit denen gemeinsame Werte, Arbeits- und Umweltstandards geteilt werden. Ziel ist eine höhere Stabilität bei Lieferketten. Beim Nearshoring sind für deutsche Unternehmen insbesondere die osteuropäischen EU-Staaten interessant. Ein wesentlicher Vorteil von Niederlassungen innerhalb der EU ist eine weitgehende Harmonisierung durch gemeinsame Richtlinien und Regelungen. So ist es innerhalb der EU potenziell leichter, Mitarbeiter flexibel zu entsenden oder vor Ort anzustellen als in Nicht-EU-Ländern, wo oft zusätzliche Genehmigungen für die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften eingeholt werden müssen. Die Vorteile einer gemeinsamen Regulierung zeigen sich exemplarisch auch beim Datenschutz. Innerhalb der EU ist der Umgang mit personenbezogenen Daten klar regelt. Diese können zwischen der Niederlassung und dem Konzern auch zwischen den einzelnen Staaten unproblematisch ausgetauscht werden.

Katrin Sebastian

„Der Aufbau einer Niederlassung im Ausland ist zuerst eine
Entscheidung des Business.“

Katrin Sebastian
Head of M&A und Corporate Compliance,
Sartorius

Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft
 
Die Ziele, die mit einer Niederlassung im Ausland erreicht werden, und der tatsächliche Ort, wo dies geschehen soll, beeinflussen maßgeblich die Wahl der rechtlichen Struktur, sei es eine Betriebsstätte oder eine Tochtergesellschaft. Eine Betriebsstätte ist rechtlich keine eigenständige Einheit, sondern eine unselbstständige Außenstelle des Unternehmens. Die Muttergesellschaft trägt damit die volle Haftung, da keine rechtliche Trennung besteht. Die Tochtergesellschaft bietet der Muttergesellschaft hingegen einen gewissen Schutz. Die Auswirkungen von Rechtsstreitigkeiten oder wirtschaftlichen Problemen bleiben in der Regel auf die Tochtergesellschaft begrenzt. Allerdings entstehen durch die rechtliche Eigenständigkeit zusätzliche Aufwände, etwa bei der Prüfung und Besteuerung der Tochtergesellschaft. Die Wahl zwischen beiden Strukturen beeinflusst auch die Flexibilität und Kontrolle über die Auslandseinheit. Tochtergesellschaften haben oft mehr Autonomie und können flexibler auf lokale Marktanforderungen reagieren, während Betriebsstätten enger mit der Muttergesellschaft verbunden sind, was eine stärkere Kontrolle ermöglicht, aber gleichzeitig zu weniger operativer Flexibilität führen kann. Die Wahl zwischen Betriebsstätte und Tochtergesellschaft hängt stark von den langfristigen strategischen Zielen ab. Für kurzfristige Projekte oder geringfügige Tätigkeiten könnte eine Betriebsstätte genügen, während für eine dauerhafte Marktpräsenz oft eine Tochtergesellschaft besser geeignet ist. Die Wahl zwischen beiden Strukturen wird auch durch die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Marktes bestimmt. In manchen Ländern sind Geschäftstätigkeiten nur mit einer Tochtergesellschaft möglich, während in anderen Fällen eine Betriebsstätte ausreichen kann. Bei Auslandsniederlassungen stellt sich oft das Problem, dass lokale Gesetze und Vorschriften stark von den Standards des Mutterkonzerns abweichen können. Insbesondere in Bereichen wie Korruptionsbekämpfung, Umweltschutz oder Arbeitsrecht gibt es oft erhebliche Unterschiede zwischen Ländern. Dies führt zu einer erhöhten Komplexität für die Rechtsabteilung, da sie sicherstellen muss, dass sowohl lokale Vorschriften als auch die internen Compliance-Standards eingehalten werden. „Die wesentlichen Grundsätze und die Qualität des Konzerns müssen sich auch in den Tochtergesellschaften wiederfinden“, sagt Dagmar Mundani von Siemens Healthineers. „Wir orientieren uns bei der Implementierung von Vorgaben grundsätzlich an der Rechtsordnung mit den höchsten Anforderungen.“ Beim Datenschutz sei das zum Beispiel die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Die Vorgaben würden dann lokal in Details angepasst. Ebenso verfährt der Konzern auch im Vertragsrecht. Hier werden für den Konzern einheitliche vertragliche Bedingungen entwickelt. „So können wir die rechtlichen Themen im Unternehmen am effektivsten umsetzen“, sagt Mundani. International gibt es inzwischen sehr ähnliche Vorstellungen, was juristische Personen sind und welche Regeln für sie gelten sollen. „Das unterscheidet sich oft nur noch in Details“, sagt Florian Schneider von Dentons. „Manchmal gibt es die Möglichkeit zwei Geschäftsführer einzusetzen, manchmal aber auch nur einen Geschäftsführer.“ Regelmäßig gebe es allerdings „reserved matters“, also Entscheidungen, die einer Gesellschafterversammlung vorbehalten sind. In anderen Rechtsgebieten allerdings können die Unterschiede sehr groß sein. Zum Beispiel im Arbeitsrecht. Sind Bonus-Zahlungen erlaubt? Gibt es Praktikantenverträge? Können Compliance-Richtlinien des Konzerns auch im Ausland umgesetzt werden? „Die externe Sozietät ist der Übersetzer der lokalen Begebenheiten“, fasst Rechtsanwalt Florian Schneider zusammen. Die Kanzlei müsse deutlich machen, welche Entsprechungen es im deutschen Recht gebe und wo Unterschiede. „Der öffentliche Glaube des Grundbuchs, den wir in Deutschland kennen, den gibt es zum Beispiel nicht überall auf der Welt“, sagt Schneider. „Anstelle eines Grundbuchamtes steht dann lediglich ein Register, das aber keinen öffentlichen Glauben herstellt. Es sind also beim Grunderwerb zusätzliche Prüfungen und Sicherheiten nötig, bevor ein Grundstück erworben wird.“ Über die Unterschiede müssten sich die Entscheider in den Unternehmen bewusstwerden, sagt Schneider. „Dem Wunsch, im Ausland Geschäfte zu machen, steht manchmal die fehlende Akzeptanz entgegen, dass dort die Dinge tatsächlich anders sind als in Deutschland.“
 
■ Henning Zander
Beitrag von Alexander Pradka

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