In-house Counsel: Herr Dr. Klein, warum stehen Sie der Arbeit von außerhalb so skeptisch gegenüber?
Dr. Friedrich Klein: Darüber lässt sich viel diskutieren. Arbeit und Privates zu trennen ist für mich eine zivilisatorische Errungenschaft, für die Menschen gerade in Europa gekämpft haben. Natürlich bin ich gerne zu Hause, aber nicht mit meiner Arbeit. Der wichtigere Punkt ist aber, dass ich davon überzeugt bin, dass die eigentliche Inhouse- Arbeit nur über den persönlichen Austausch geht. Und damit meine ich nicht via Teams, auch wenn das technisch einwandfrei funktioniert. Die persönliche Begegnung in der Rechtsabteilung und mit anderen Abteilungen wie Vertrieb und Marketing bringt andere, bessere Resultate. Nur um das klarzustellen: Wir haben bei Ferrero eine Betriebsvereinbarung, nach der unsere Mitarbeiter grundsätzlich zwei Tage pro Woche remote tätig sein dürfen. Ich habe das nur insoweit konkretisiert, dass ich montags und donnerstags meine Abteilung gerne im Büro haben möchte.
In-house Counsel: Das Thema spielt eine Rolle, wenn es um die Wünsche potenzieller neuer Mitarbeiter geht. Allgemein beklagt auch die Rechtsbranche einen Fachkräftemangel. Stellen Sie diesen auch fest?
Dr. Friedrich Klein: Den kann ich definitiv bestätigen. Bei Ausschreibungen für In-house Legal erwarte ich eine deutlich größere Auswahl. In den letzten vier Jahren hatten wir drei oder vier Ausschreibungen und ich habe mit rund 90 Prozent mehr Bewerberinnen und Bewerbern gerechnet. Natürlich wirkt die Pandemie noch nach und die Risikobereitschaft im Hinblick auf einen Jobwechsel ist nicht so groß wie zu anderen Zeiten. Wir stehen außerdem in Konkurrenz zu den Sozietäten, die ganz andere Einstiegsgehälter zahlen. Ich befürchte allerdings, dass nach wie vor in der juristischen Ausbildung zu sehr auf Staatsdienst und Tätigkeit als Anwältin und Anwalt Wert gelegt wird.
In-house Counsel: Was ist so reizvoll am Beruf Unternehmensjurist?
Dr. Friedrich Klein: Ich kann mir keinen spannenderen und vielseitigeren Job als meinen aktuellen vorstellen. Es ist das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein. Stichwort Interdisziplinarität: viele verschiedene Bereiche kooperieren miteinander und wir arbeiten an den Schnittstellen. Im speziellen Fall Ferrero hat es mit der Marke und der Branche zu tun: Die Identifikation mit dem Unternehmen ist hoch, das ist eine emotionale Sache. Und wir stehen thematisch inmitten der Gesellschaft mit all ihren Fragen und Problemen, ob das nun Umwelt und ESG ist, Gesundheit, Lieferketten mit all ihren Facetten, die intensive Debatte mit dem Handel. Es ist aber eine Typfrage, auch die Tätigkeit in einer Sozietät ist sehr reizvoll. Es gibt bei uns Elemente, die fehlen. Ich wäre gerne öfter vor Gericht (lacht). Die klassische Auseinandersetzung, das Argumentieren und Streiten, das haben wir bei Ferrero eher nicht.
In-house Counsel: Welche Themen sind aktuell für einen Leiter Recht die dringlichsten?
Dr. Friedrich Klein: Die wichtigste Aufgabe ist für mich, die Position von Ferrero innerhalb der Gesellschaft zu unterstützen und zu festigen. In diesem Zusammenhang ist es essenziell, nah an den anderen Abteilungen des Unternehmens zu sein und Aufgaben immer im Dialog mit diesen zu lösen. Das geht einher mit dem Wandel der Tätigkeit der Rechtsabteilung, den ich steuern muss und möchte: Wir entfernen uns ein Stück von der reinen Beratung und vom Spezialwissen und vollziehen eine Rückkehr zum klassischen juristischen Handwerk: Es geht um analytische Fähigkeiten, das Herunterbrechen und richtige Einordnen von Sachverhalten, die Identifikation wesentlicher Punkte und den Transfer in der Weise, dass auch der Gegenüber das versteht. Statt sich von neuen Regelungen und Gesetzen eingeengt oder umzingelt zu fühlen, müssen wir die Frage stellen und beantworten, warum es diese gibt. Das führt meines Erachtens künftig zu einer starken Trennung zwischen der Arbeit eines In-house-Juristen und eines externen Beraters. Und der Leiter der Rechtsabteilung muss das Profil und Selbstverständnis der In-house-Juristen abgrenzen zu dem er externen Berater. Wir brauchen definitiv beide, dürfen uns aber nicht miteinander verwechseln.
In-house Counsel: Das leitet über zu den operativen Aufgaben der Rechtsabteilung. Mit was beschäftigen sich die Kolleginnen und Kollegen zurzeit hauptsächlich?
Dr. Friedrich Klein: Es ist sicher kein Geheimnis, dass uns das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz massiv beschäftigt. Dazu kommen Fragestellungen im Zusammenhang mit ESG, das gilt auch im Hinblick darauf, was zur Nachhaltigkeit unserer Produkte sagen. Ein Unternehmen, das über seine Produkte einen direkten Draht zu Verbraucherinnen und Verbrauchern hat, sieht sich mit vielen Themen beschäftigt, die auch die Gesellschaft insgesamt umtreiben. Dass wir mehr im Fokus der Betrachtung stehen, hat unmittelbar Folgen für unsere Compliance und speziell Dokumentationspflichten. Nicht zuletzt sind die Beziehungen zum Handel ein wichtiger Bestandteil unserer täglichen Arbeit.
In-house Counsel: Wie beurteilen Sie dieses Verhältnis?
Dr. Friedrich Klein: Aktuell agieren wir da auf einem schwierigen Gelände. Wir beobachten auch, welche Unternehmen öffentlichkeitswirksam ausgelistet werden. Ich möchte aber auch betonen, dass Handel und Hersteller doch eigentlich im selben Boot sitzen, wir können nicht ohne einander. Wir müssen an einem Strang ziehen, dann meistern wir diese Krise auch gemeinsam. Was ich allerdings persönlich viel schwieriger finde, ist die Rolle der Medien, in Deutschland schlagen sich Journalistinnen und Journalisten einseitig auf die Seite des Handels und stellt ihn als Retter der Verbraucher dar. Das geht hin bis zur Aufforderung, mehr Handelsmarken anstelle von Markenprodukten von Herstellern zu kaufen. Das ist nicht nur wirtschaftlich unsinnig, sondern diese Darstellung ist außerdem extrem eindimensional. Und sie bringt uns unberechtigter Weise in eine Position, die nicht richtig ist.
In-house Counsel: Zum Abschluss noch die Frage: Was ist für Sie Erfolg?
Dr. Friedrich Klein: Erfolg ist für mich eine Mischung aus den Ergebnissen, die die Rechtsabteilung erzielt und der Anerkennung, die sie dafür bekommt.
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Persönliches
In-house Counsel: Wenn man Sie nicht bei der Arbeit trifft, wo dann? Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?
Dr. Friedrich Klein: Das ist unspektakulär, ich habe keine außergewöhnlichen Hobbys: Ich bin oft auf dem Tennisplatz oder sitze mit meinem Sohn vor der Playstation. Und ich höre sehr gerne Musik.
In-house Counsel: Welche Musik hören Sie gerne?
Dr. Friedrich Klein:Main-Stream und was Radiosender hauptsächlich spielen, interessiert mich offen gesagt nicht. Subsumieren lässt sich mein Geschmack unter Alternative und Independent Labels, dazu kommt elektronische Musik. Die Basis von alldem ist Radiohead – und Leftfield möchte ich erwähnen. Aus den beiden hat sich viel entwickelt. Das sind die Urväter meiner Lieblingsmusik.
In-house Counsel: Welches Buch lesen Sie gerade?
Dr. Friedrich Klein: Ich lese gerne, es ist manches Mal ein bisschen zäh, abends bin ich nach getaner Arbeit oft zu müde. Tatsächlich lese ich gerade nach 20 Jahren zum zweiten Mal „Die Korrekturen“ von Jonathan Frantzen. Damals habe ich versucht, das Werk auf Englisch zu lesen. Das war schon sehr schwierig zu verstehen, weil es mich in seinen Bann gezogen hat, versuche ich es jetzt noch einmal auf Deutsch.
In-house Counsel: Wie wir wissen, gibt es den perfekten Tag nicht. Wie sieht ein nahezu perfekter Tag für Sie aus?
Dr. Friedrich Klein: Dieser fängt damit an, am Morgen ins Büro zu fahren und im Kalender stehen interessante Termine, sowohl inhaltlich spannend als auch mit guten Gesprächspartnern. Zum anderen Teil empfinde ich es auch als bereichernd, nicht zu wissen, was auf mich zukommt. Dieser bunte Mix macht den Arbeitstag erlebenswert. Am Abend freue ich mich sehr zu Hause, meine Frau zu sehen – und meinen zehnjährigen Sohn, für den hoffentlich noch nicht Bettzeit ist. Zeit für die Familie zu haben, ist mir sehr wichtig.
Dr. Friedrich Klein
Eigentlich wollte Dr. Friedrich Klein Journalist werden, weil er das Schreiben und die treffende Formulierung faszinierend findet. Gekommen ist es anders, nach dem Studium der Rechtswissenschaften war die erste berufliche Station eine Anwaltskanzlei in Mailand. Der Kontakt war zu Zeiten des Referendariats entstanden, als er seine Wahlstation in der Modestadt verbrachte, wenn auch in einer anderen Kanzlei. Nach zehn Monaten war das Abenteuer im Süden aber schon wieder beendet und es zeichnete sich schon ab, dass Dr. Friedrich Klein für die Arbeit in Unternehmen gemacht ist. Es folgte eine weitere Annäherung an seine Passion: Drei Jahre wirkte Klein im Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW), genauer gesagt beim Deutschen Werberat. Dort habe er sehr viel zu Rechts- und Wirtschaftspolitik gelernt, sagt er. Er wollte dann aber nicht länger von außen über Unternehmen sprechen, sondern das Bedürfnis erfüllen, „wirklich dabei zu sein, ein Unternehmen von innen zu erleben“. Auf eine damals noch anonyme, gedruckte Stellenanzeige in der NJW bewarb er sich auf die Stelle bei einem „Lebensmittelunternehmen im Rhein-Main-Gebiet“ und landete bei Ferrero. Über 17 Jahre ist er dort nun tätig und „bereut keinen einzigen Tag“. Seit August 2019 agiert er dort als „Head of Legal Department“, das 15 Personen umfasst.
Das Gespräch führte Alexander Pradka