De-Risking und investitions-kontrollrechtliche Überlagerungen

Mitte des vergangenen Jahres meldete das Handelsblatt, dass die Investitionen chinesischer Unternehmen in Europa auf dem tiefsten Stand seit 13 Jahren sind. Auf 6,8 Milliarden Euro seien Direktinvestitionen im Jahr 2023 gesunken. Fusionen und Übernahmen seien gegenüber 2022 um 58 Prozent zurückgegangen.
vom 10. Januar 2025
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Die Zahlen gehen auf Analysen des Berliner Thinktanks Merics und des Analysehauses Rhodium Group zurück. Die Gründe für den Rückgang sind auf beiden Seiten zu finden. Der chinesische Staat verlangt eine stärkere Fokussierung auf einheimische Bereiche, zudem erfährt die chinesische Wirtschaft, dass die Kurve nicht ausschließlich nach oben geht. Auf der anderen Seite gibt es Skepsis gegenüber chinesischen Übernahmen. Schwierig ist die Lage im Hochtechnologiebereich. Die Nähe zur chinesischen Rüstungswirtschaft ist politisch ein No-Go. Prominentes Beispiel ist der gestoppte Verkauf der Gasturbinensparte von MAN Energy Solutions an die chinesische GSIC Longjiang, weil der Einsatz der Turbinen auf Kriegsschiffen nicht auszuschließen war. Die stärkere Regulierung spielt eine Rolle, seit Juli 2023 ist die Foreign Subsidies Regulation (FSR) in Kraft. Im April 2024 wurde bekannt, dass die EU-Kommission Ermittlungen gegen Hersteller von Windenergieanlagen aus China einleitet. Der Vorwurf: Sie sollen von ausländischen Subventionen profitiert haben, was zu einem unlauteren Wettbewerbsvorteil geführt und den Markt verfälscht habe. Protektionismus, der Schutz des Binnenmarktes ist auch in Europa ein Thema. Bei der Betrachtung, wen die durchgeführten und bereits angekündigten Untersuchungen betreffen, keimte schon der Verdacht, dass die FSR eine verkappte „Lex China“ sein könnte. Aus Furcht vor einer chinesischen Dominanz im Windkraftsektor wurden dort die Kontrollen intensiviert. Der chinesische Bahnherstellers CRRC Qingdao Sifang zog sich von einer Ausschreibung in Bulgarien zurück. „Wenn wir die ersten sechs, sieben Monate nach dem Inkrafttreten der FSR als Maßstab nehmen und die Fallbeispiele sehen, hätten Beobachter in diesem Bereich auf diese Idee kommen können“, bestätigt Christoph Barth, Partner in der Gruppe Global Antitrust & Foreign Investment bei der Sozietät Linklaters. „Dann setzte die Kommission das Ausrufezeichen im Fall PPF Telecom und heute können wir nicht mehr davon sprechen, dass sich die EU mit der FSR allein vor China schützen will.“ Die EU-Kommission genehmigte zwar den Verkauf von 50 Prozent plus einem Anteil am bulgarischen, ungarischen, slowakischen und serbischen Geschäft des in Amsterdam ansässigen Netzanbieters PPF Telecom an e& – ehemals Etisalat – aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), allerdings nur unter Auflagen. Das Unternehmen war der einzige Bieter und hatte unter anderem unbegrenzte Staatsgarantien erhalten. Kontrolliert wird e& vom staatlichen Vermögensfonds der VAE – und die Kommission untersagte unter anderem jegliche Finanzierung der Aktivitäten der PPF Telecom im europäischen Binnenmarkt. Über künftige Übernahmen im Telekommunikationssektor muss e& informieren, selbst wenn in der FSR festgelegte Meldepflichten nicht greifen.   

„Die Foreign Subsidies Regulation ist bei chinesischer Beteiligung
durchaus sehr kritisch, aber eben auch keine unüberwindbare Hürde.“ 

Christoph Barth
Partner Global Antitrust & Foreign Investment Group,

Linklaters

Herausforderung Datensammlung

Barth beobachtet zudem, dass die Mehrzahl der chinesischen Investitionen, die in der Bundesrepublik unter dem Investitionsprüfungsregime zur Anmeldung kommen, durchgehen. Ein Beispiel liefere die Automobilzuliefererindustrie. Auch wenn Allgaier Werke rund ein Jahr nach dem Verkauf an die chinesische Westron Group Insolvenz anmelden musste, stand dem seinerzeitigen Verkauf nichts entgegen. „Die Chinesen haben an der Branche weiterhin Interesse und bei den Schwierigkeiten, in denen unsere Automobilwirtschaft gerade steckt, können ausländische Investitionen eine willkommene Unterstützung sein.“ Es bleibt ein schwieriges Umfeld, weil Investoren sichere Abnehmermärkte wünschen. Ein Positivbeispiel im Feld der FSR lieferte Linklaters selbst: 2024 gab die chinesische Haier Smart Home die erfolgreiche Übernahme von Carrier Commercial Refrigeration für rund 775 Millionen US-Dollar bekannt. „Nach unserem Verständnis handelt es sich um den ersten Fall mit chinesischer Beteiligung überhaupt, der unter der FSR ohne Auflagen oder Bedingungen durchgegangen ist“, sagt Barth. „Der Prozess war sehr intensiv und die Kommission hat sehr genau geprüft.“ Zu beachten sei, inwiefern es Cashflows zwischen den chinesischen und den europäischen Einheiten gibt und dass letztere nicht Nutznießer von Geldflüssen zu Vorzugskonditionen aus China sind. „Lässt sich das transparent bei der Kommission darstellen, verliert die FSR viel von ihrem Schrecken.“ Eine große Herausforderung sei die Datenschlacht, die sich Unternehmen liefern müssen. Nur wer mit der größtmöglichen Akribie und Genauigkeit ans Werk geht, hat gute Aussichten auf eine positive Entscheidung. „Dabei nützt es nichts, Informationen unter Berufung auf chinesisches Recht oder auf Staatsgeheimnisse vorzuenthalten. Das zieht bei der Kommission nicht“, so Barth. Das gelte aber etwa auch bei Übernahmen aus dem Nahen Osten. Das zu versuchen oder mit Informationssubstituten zu arbeiten, wecke schnell das Misstrauen der Kommission. Die Transparenz und die stringente Einhaltung von Offenlegungspflichten sind unter anderem deshalb wichtig, weil sich bei Ungenauigkeiten Verfahren sehr in die Länge ziehen können – ungünstig für M&A-Deals. Betroffen sind schon die Prozesse vor der förmlichen Anmeldung. „Ist diese erfolgt, gibt es eine Fristbindung. Im informellen Vorverfahren mit der Kommission gibt es aber keine solche Fristbindung und Unternehmen bestimmen mit ihrem Offenlegungsansatz letztlich selbst, wie lange sich diese Verfahrensphase ziehen mag – wir wissen von einigen FSR-Fällen in denen allein die Dauer des Vorverfahrens bei deutlich mehr als sechs Monaten lag.“ In anderen Regimen, insbesondere der Investitionskontrolle können Verfahrensdauern gegebenenfalls länger sein. „Wir haben Investitionsprüfungsfälle beobachtet, die eineinhalb Jahre gedauert haben. Das überleben die meisten Deals nicht“, berichtet Barth. Zwei weitere Komponenten sind auf Verkäuferseite unentbehrlich. Es muss sehr intensive Prüfungen geben, ob der Bieter adäquat ist und im Sinne des De-Risking sind Alternativen gefragt. Plus die möglichst lückenlose vertragliche Absicherung, inklusive Breakup Fee, also einer Vertragsstrafe für den Fall des Abbruchs, Long Stop Dates, also feste Zeitpunkte, zu denen Pflichten erfüllt sein müssen. Ein Problem ist, dass im Zusammenhang mit der FSR Präzedenzfälle erst noch geschaffen werden müssen. Alternativen? Im Trend liegen aktuell sogenannte Greenfield Investments – vorwiegend private chinesische Unternehmen bauen im Ausland Gesellschaften oder Produktionsstätten von Grund auf neu auf. Da ist die Lage unsicher, die Regierung arbeitete schon an der Erweiterung der Investitionskontrolle auf diese Fälle – dieses Reformvorhaben soll nach der Wahl wieder aufgegriffen werden. In der EU gibt es ähnliche Bestrebungen. Ein anderer Weg für ausländische Investments war bisher der Erwerb von Technologielizenzen. „Die Investitionskontrolle umfasst das bis dato nicht und die Exportkontrolle war bei der Anpassung an Zukunftstechnologien eher träge“ so Barth. Indes habe der Bund auch diese Lücke schon gesehen und es ist nicht auszuschließen, dass auch diese geschlossen wird, wobei der Linklaters-Partner die Lösung via Investitionskontrolle „systematisch für unsauber“ hält. „Es ist keine Investition, es ist eine Lizenz. Das gehört eigentlich zur Exportkontrolle.“ Wenn diese beiden Optionen, Greenfield Investments und der Lizenzerwerb erschwert werden, kann das eine zusätzlich negative Strahlungswirkung für ausländische Investitionen haben. Fraglich, ob Europa und Deutschland sich das leisten können.

Alexander Pradka

Beitrag von Alexander Pradka

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