Das Geldwäsche-Bekämpfungspaket der EU

Das Geldwäschebekämpfungskarussell dreht sich weiter. Nachdem am 1. Januar 2020 Änderungen im Geldwäschegesetz auf Grund der Fünften EU-Geldwäscherichtlinie in Kraft getreten sind und der Bundestag im März dieses Jahres den Geldwäscheparagrafen im Strafgesetzbuch strukturell grundlegend geändert hat, legt jetzt die EU-nach: Mit einem umfassenden Gesetzespaket sollen die Vorschriften der EU zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gestärkt werden.
vom 1. Januar 2022
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Die jüngste in Kraft getretene nationale Änderung des Geldwäscherechtes brachte – so wird es zumindest teilweise gesehen – eine Zeitenwende: Statt des bisher geltenden Kataloges von Tatbeständen geeigneter Vortaten für eine Geldwäsche, reicht es jetzt, dass der Gegenstand der Geldwäsche aus irgendeiner, wie auch immer gearteten “rechtswidrigen Tat” herrührt. Es gilt nun ein “All-Crime-Ansatz”.

MEHR MELDUNGEN BEI DER FIU

In der Praxis bedeutet das, dass im Prinzip jeder Straftatbestand als Vortat geeignet angesehen werden muss. Im Ergebnis wirken sich diese Änderungen auch auf das Meldeaufkommen bei der Financial Intelligence Unit (FIU) aus. Bereits die Änderung des Geldwäschegesetzes zum 1. Januar 2020, mit der insbesondere erweiterte Meldevorschriften für Immobilienmakler, Notare, Goldhändler, Auktionshäuser und Kunsthändler in Kraft traten, hätten zu einer zusätzlichen Steigerung des Meldeaufkommens an die FIU geführt, teilt der Leiter der Kommunikation der FIU Dietmar Zwengel auf Anfrage mit. Gut 144.000 Verdachtsmeldungen sind 2020 eingegangen, das waren schon rund 25 Prozent mehr als im Vorjahr (2019: 115.000 Meldungen). Und auch für 2021 erwartet die FIU einen weiteren Anstieg der Meldezahlen, man rechne insgesamt mit über 200.000 Meldungen für das gesamte Jahr, heißt es aus der FIU. Nicht zuletzt auch deshalb, weil seit dem Inkrafttreten des novellierten § 261 StGB die Verpflichteten vermehrt auch Sachverhalte außerhalb des bisherigen Vortatenkataloges meldeten.

STA FRANKFURT/M: EINGÄNGE VERDOPPELT

Und auch bei den Staatsanwaltschaften ist das zu spüren. “Bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat sich die Zahl der Verdachtsmeldungen, die über die FIU reinkommen, fast verdoppelt”, berichtet Pressesprecherin Nadja Niesen. Dass das allerdings tatsächlich an den Änderungen des § 261 StGB liegt, vermag die Oberstaatsanwältin nicht zu bestätigen. “An den Vortaten der hier eingehenden Geldwäsche-Verdachtsmeldungen hat sich eigentlich nichts geändert. Hier handelt es sich nach wie vor in den meisten Fällen um gewerbsmäßigen Betrug, wie beispielsweise Ebay-Betrügereien, Love- Scamming, Ceo-Fraud”, berichtet Niesen. Sie vermutet, dass der Zuwachs der Meldungen auch darauf zurückzuführen ist, dass bei den Verpflichteten die Sensibilität für geldwäscherelevante Umstände gewachsen ist, beziehungsweise die Banken ihr Monitoring angepasst haben.

GESETZESPAKET DER EU

Die EU-Kommission hat nun Mitte des Jahres ein umfangreiches Gesetzespaket vorgeschlagen, um die Geldwäschebekämpfung weiter fortzuentwickeln. Aus insgesamt vier Rechtssetzungsakten besteht das Paket:

• eine Verordnung zur Errichtung einer neuen europäischen Aufsichtsbehörde

• einer neuen, direkt anwendbaren Verordnung zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung

• der 6. Geldwäscherichtlinie, die die 5. Geldwäscherichtline ersetzt, sowie

• die Neufassung der Verordnung über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und Transfers bestimmter Kryptowerte

Die Vorschläge werden jetzt im Parlament und im Rat beraten.

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„Würde es künftig eine übergeordnete Behörde geben, würde das hoffentlich zu einer größeren Standardisierung der Geldwäscheaufsicht führen. Damit würde sich auch die Präventionstätigkeit in den Unternehmen erleichtern.“

Dr. Falk Löffler, thyssenkrupp

AUFSICHT FÜR DIE AUFSICHT

Die neue geplante europäische Geldwäschebekämpfungsbehörde (Anti-Money Laundering Authority – AMLA) ist die Antwort auf erhebliche Defizite bei den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten, die nicht zuletzt auch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA festgestellt hat. Die Bekämpfung der Geldwäsche sei in ihrer Qualität und Wirksamkeit uneinheitlich, was auf erhebliche Unterschiede bei den Ressourcen und Praktiken in den einzelnen Mitgliedstaaten durchzuführen sei, heißt es im Vorschlagstext der Verordnung. Auch seien die nationalen, für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zuständigen Aufsichtsbehörden möglicherweise nicht immer bereit, die ihnen zur Verfügung stehenden Befugnisse voll auszuschöpfen. Deutschland könnte sich bei der Kritik besonders angesprochen fühlen, seit Jahren wird hierzulande die zersplitterte Aufsichtsstruktur insbesondere im Nichtfinanzsektor kritisiert. Die Zuständigkeit der Behörden unterscheidet sich hier nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern teilweise sogar innerhalb der Bundesländer erheblich.

Die neue Behörde soll deshalb jetzt zum einen bestimmte grenzüberschreitende Finanzinstitute direkt beaufsichtigen und außerdem die nationalen Finanzaufsichtsbehörden regelmäßig überprüfen. Zum anderen soll die AMLA künftig die nichtfinanziellen Aufsichtsbehörden unterstützen, beispielsweise durch vergleichende Analysen und die Koordinierung von Aufsichtsstandards und -praktiken. Das könnte dann auch zu einer dringend notwendigen Vereinheitlichung zwischen den verschiedensten Behörden führen, hofft Dr. Falk Löffler von thyssenkrupp, und damit auch zu einem erheblichen Effektivitäts- und dann auch Effizienzgewinn. Denn zurzeit handeln die einzelnen Aufsichtsbehörden weitgehend autonom, eine stringente Linie ist nicht erkennbar, kritisiert der Compliance Officer.

GÜTEHÄNDLER NICHT MEHR GWGVERPFLICHTETE?

Mit einer neuen Verordnung, die in den Mitgliedstaaten direkt anwendbar sein wird, will die Kommission ein einheitliches EU-Regelwerk für interne Richtlinien, Kontrollen und Verfahren und auch für die Sorgfaltspflichten in Bezug auf Kunden schaffen. Dabei soll auch die Liste der Verpflichteten angepasst werden: Güterhändler sollen nur noch dann geldwäscherechtlichen Pflichten unterliegen, wenn sie im Bereich des Edelmetall-, Edelstein- oder Kunsthandels tätig sind. Aus europarechtlicher Sicht ist das im Zusammenhang mit der ebenfalls vorgesehenen Bargeldobergrenze von 10.000 Euro konsequent. Denn schon die bisherige Richtlinie sieht Geldwäscheverpflichtungen für Gütehändler nur bei Bargeschäften über 10.000 Euro vor. Wenn diese nun aber grundsätzlich verboten werden, fallen damit auch die Gütehändler aus dem Katalog der Verpflichteten raus. Der deutsche Gesetzgeber hatte sich allerdings für einen Sonderweg entschieden: hier wurden Gütehändlern insgesamt bestimmte, allerdings jeweils abgestufte Pflichten auferlegt. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Rechtslage hier entwickeln wird. “Es wird hier noch erhebliche Diskussionen geben”, prophezeit Falk Löffler, “denn sollte der deutsche Gesetzgeber hier an seinem Sonderweg festhalten, wäre das ein Rückschritt auf dem Weg einer angestrebten europäischen Vereinheitlichung”.

PRIVILEGIERUNG VON RECHTSANWÄLTEN UND NOTAREN

Ebenfalls Diskussionsbedarf gibt es bei der vorgesehenen Privilegierung für Rechtsanwälte und Notare. Diese sollen nach dem Verordnungsvorschlag von einer Meldepflicht ausgenommen werden, “soweit Informationen betroffen sind, die der Berufsträger in einer Rechtssache mit Mandatsbezug von einem Klienten erhalten hat oder in Bezug auf diesen einholt”. Für Rechtsanwalt Dr. Niklas Auffermann, der viele Jahre Geldwäschebauftragter der Berliner Rechtsanwaltskammer war, ein konsequenter Vorschlag. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Staaten schütze die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und habe daher Verfassungsrang, betont er. Die deutsche Verordnung (GwGMeldV-Immobilien), die seit Oktober 2020 Rechtsanwälten, Syndikusrechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Notaren im Bereich von Immobiliengeschäften Meldepflichten auferlegt, sei insoweit ein Fremdkörper. Der Bundesrat allerdings will an dieser Ausnahme festhalten können und fordert eine Öffnungsklausel. In einer Stellungnahme vom Ende November befürchtet die Länderkammer, dass anderenfalls “der in Deutschland durch die Regelung für Rechtsanwälte und Notare auf nationaler Ebene erreichte Fortschritt bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Bereich des Nichtfinanzsektors zunichte gemacht” würde, weil “anderenfalls damit zu rechnen ist, dass kaum mehr Meldungen von Notaren, Rechtsanwälten und anderen selbständigen Angehörigen von rechtsberatenden Berufen erstattet werden dürften”.

AUSBLICK

Erste Reaktionen zeigen bereits – die Kommission hat sich hier einiges vorgenommen. Die Beratungen werden voraussichtlich lang und intensiv werden, was am Ende dabei herauskommt, weiß derzeit niemand. Inwieweit sich Brüssel gegen die nationalen Befindlichkeiten durchsetzen kann, wird man abwarten müssen. So hat beispielsweise Österreich bereits angekündigt, sich gegen eine Bargeldobergrenze zur Wehr setzen zu wollen. Unabhängig von Einzelfragen sei das Ansinnen, die Geldwäschebekämpfung europäisch stärker zu vereinheitlichen, aber grundsätzlich zu begrüßen, meint Rechtsanwalt und Compliance-Experte Niklas Auffermann. “Mit in allen Mitgliedsstaaten gleich geltenden Regeln würde endlich auch aus Wettbewerbsgesichtspunkten ein Level-Playing-Field geschaffen werden. Es kann nicht sein, dass hier weniger strenge Regeln ein Wettbewerbsvorteil sind.”

Peggy Fiebig

Beitrag von Alexander Pradka

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