Zum ersten Mal: EU-Kartellverbotsbeschluss wegen Beschränkung technischer Entwicklung

Das dürfte in Erinnerung bleiben und auch in künftigen Verfahren noch für Furore sorgen: Erstmals ist die EU-Kommission zu dem Schluss gelangt, dass Absprachen über die technische Entwicklung ein Kartell darstellen. Der Verbotsbeschluss bezieht sich auf die Beschränkung eben dieser technischen Entwicklung – und damit nicht wie sonst üblich auf Preisfestsetzung, Marktaufteilung oder Kundenzuteilung.
vom 13. Juli 2021
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Zum ersten Mal: EU-Kartellverbotsbeschluss wegen Beschränkung technischer Entwicklung

Das dürfte in Erinnerung bleiben und auch in künftigen Verfahren noch für Furore sorgen: Erstmals ist die EU-Kommission zu dem Schluss gelangt, dass Absprachen über die technische Entwicklung ein Kartell darstellen. Der Verbotsbeschluss bezieht sich auf die Beschränkung eben dieser technischen Entwicklung – und damit nicht wie sonst üblich auf Preisfestsetzung, Marktaufteilung oder Kundenzuteilung.

Nach Artikel 101 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens sind Kartelle und andere wettbewerbswidrige Verhaltensweisen einschließlich Einschränkungen der technischen Entwicklung verboten. Die Automobilhersteller Daimler, BMW und der VW-Konzern hatten in gemeinsamen und regelmäßig stattfindenden Fachtreffen über die Entwicklung der selektiven katalytischen Reduktion („SCR-Technologie“) gesprochen. Mit der Einspritzung von Harnstoff („AdBlue“) in den Abgasstrom lassen sich schädliche Stickstoffemissionen von Dieselfahrzeugen beseitigen. Im konkreten Fall legten Daimler, BMW und der VW-Konzern die Größen der AdBlue-Tanks sowie deren Reichweiten fest und kamen zu einem gemeinsamen Verständnis bezüglich des zu erwartenden durchschnittlichen AdBlue-Verbrauchs.
 

Vorwurf des Konkurrenzausschlusses

Für die Europäische Kommission steht damit fest, dass die drei Konzerne vereinbarten, über einen Zeitraum von fünf Jahren „nicht miteinander um eine über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Abgasreinigung zu konkurrieren, obwohl die dafür benötigte Technologie zur Verfügung stand“, so die EU-Kommission. In den Augen der Kartellrechtshüter vermieden die Automobilgiganten also einen Wettbewerb darüber, das volle Potenzial der Technologie zu nutzen.
 

Entschiedenes Vorgehen der EU-Kommission

„Das ist ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn eine eigentlich legitime technische Zusammenarbeit schiefgelaufen ist“, urteilt die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager. Der Beschluss zeige, dass die EU-Kommission „entschieden“ gegen alle Kartellrechtsvorstöße vorgehen wird, die das Ziel des „Green Deal“ gefährden. „Wettbewerb und Innovation zur Minderung der durch den Pkw-Verkehr verursachten Umweltbelastung sind von entscheidender Bedeutung“, so Vestager weiter.
 

Daimler hilft die Kronzeugenregelung

Allgemein war erwartet worden, dass die Geldbußen für die Hersteller insgesamt eine Milliarde Euro übersteigen. Dazu kam es nicht. Daimler konnte sich über die Kronzeugenregelung der Kommission ganz ohne Bußgeld aus der Affäre ziehen, grundsätzlich hätte diese bei 727 Mio. Euro gelegen. Auch dem Volkswagen-Konzern half die Kronzeugenregelung, allerdings nur im Sinne einer 45-prozentigen Ermäßigung. Auf die Wolfsburger entfallen 502 Millionen Euro Geldbuße. BMW muss knapp 373 Millionen Euro zahlen. Als nicht zweckgebundene Mittel fließen die Gelder in den Gesamthaushalt der EU ein. In der Folge sinken die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt im nächsten Jahr um den entsprechenden Betrag. Bildnachweise: © imago images /  STPP

Beitrag von Alexander Pradka

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