Wann beginnt im Homeoffice der Unfallversicherungsschutz?Immer mehr Menschen arbeiten von zu Hause aus. Diese Tendenz hat die Corona-Pandemie verstärkt. Damit gehen einige knifflige rechtliche Fragestellungen einher. Zur Frage, ob es einen „Betriebsweg“ daheim gibt, hat sich jetzt das Bundessozialgericht geäußert. Davon hängt die wichtige Frage ab, wo der Unfallversicherungsschutz beginnt.
2,8 Millionen Menschen in Deutschland erleiden pro Jahr im eigenen Haushalt einen Unfall, so das Robert-Koch-Institut. 8.000 sterben dabei sogar. Im von vielen als gefährlicher eingestuften Straßenverkehr sind es jährlich 3.500. Hauptursache sind Stürze. So einer war auch Auslöser für einen Fall, der bis zum Bundesarbeitsgericht ging. Ein Angestellter einer GmbH arbeitete von zu Hause aus und wollte am Morgen von seinem Schlafzimmer in das Arbeitszimmer gehen. Es handelte sich um den ersten Weg an diesem Tag. In die Küche ging es nicht, der Mann pflegte ohne zu frühstücken direkt mit seiner Arbeit zu beginnen. Unterwegs geriet er auf der Wendeltreppe, die die beiden Räume verbindet ins Straucheln und stürzte. Dabei brach er sich einen Brustwirbel. Die Berufsgenossenschaft lehnte Leistungen aus Anlass dieses Unfalls ab.
Nur Vorbereitungshandlung?
Sie argumentierte, dass der Unfallversicherungsschutz im privaten Haushalt auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme erst mit dem Erreichen des dafür vorgesehenen Arbeitszimmers beginnt. Die Schritte dorthin seien als „unversicherte Vorbereitungshandlung“ einzustufen, die der versicherten Tätigkeit nur „vorausgeht“. Der Betroffene selbst sieht das naturgemäß anders und beruft sich darauf, dass im Hinblick auf den Unfallversicherungsschutz Arbeitnehmer im Homeoffice nicht schlechter gestellt werden dürften als die Kolleginnen und Kolleginnen im Betrieb.
Gesetzliche Definition des Betriebsweges
Spezielle Homeofficevorschriften gibt es nicht. Den Arbeitsunfall regelt § 8 SGB VII. Zu den versicherten Tätigkeiten gehört nach Absatz 2 der Vorschrift das „Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit“. Die Vorinstanzen waren sich uneins, das Sozialgericht bejahte den Anspruch des Verunfallten, das Landessozialgericht lehnte diesen ab.
Objektivierte Handlungstendenz
Das Bundessozialgericht ordnet das Geschehen als Arbeitsunfall ein. „Ausnahmsweise ist ein Betriebsweg auch im häuslichen Bereich denkbar, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude befinden“, heißt es in einer Stellungnahme. „Ob ein Weg als Betriebsweg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich auch im Homeoffice nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten.“ Es muss also im Einzelfall die Frage beantwortet werden, ob der oder die Angestellte bei der zum Unfall führenden Verrichtung eine – so das Gericht – „dem Unternehmen dienende Tätigkeit“ ausüben wollte. Da das Beschreiten der Treppe allein der Arbeitsaufnahme im heimischen Büro diente, ist der Anspruch zu bejahen.
(Bundessozialgericht, B 2 U 4/21 R) Bildnachweise: © Unsplash / Jake Hills