Unterlassung: Zweifache Verhängung von Ordnungsmitteln?

In einem Rechtsstreit in der Kosmetikbranche stellt der BGH fest, dass die parallele Beantragung von Ordnungsmitteln aus einstweiliger Verfügung und Titel im Hauptsacheverfahren nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot verstößt – und auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip des Doppelahndungsverbots, wenn die Gegenstände der Ordnungsmittel nicht identisch sind.
vom 1. September 2022
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Unterlassung: Zweifache Verhängung von Ordnungsmitteln?

In einem Rechtsstreit in der Kosmetikbranche stellt der BGH fest, dass die parallele Beantragung von Ordnungsmitteln aus einstweiliger Verfügung und Titel im Hauptsacheverfahren nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot verstößt – und auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip des Doppelahndungsverbots, wenn die Gegenstände der Ordnungsmittel nicht identisch sind.
von Alexander PradkaEin international tätiges Kosmetikunternehmen monierte, dass eine Konkurrentin ein Antitranspirant damit bewarb, dass Körpergeruch nach Nutzung erst in 48 entstehe. Der Konzern erwirkte beim Landgericht 2015 eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Im Hauptsacheverfahren erging dann 2018 ein entsprechendes Werbeverbot. Anfang 2020 stellte er fest, dass das betroffene Produkt mit der verbotenen Aussage in verschiedenen Internetshops erhältlich war. Und ging dann doppelt gegen den Verstoß vor.
 

Zweimal Ordnungsgeld

Zum einen stützte er einen Ordnungsmittelantrag auf den im Hauptsacheverfahren ergangenen Titel, einen weiteren auf die einstweilige Verfügung, denn die Konkurrentin habe bereits vor Erlass des Titels in der Hauptsache weder das streitgegenständliche Produkt zurückgerufen, noch die Verwendung der Bewerbung untersagt. Prompt ergingen zwei Beschlüsse mit der jeweiligen Verhängung eines Ordnungsgeldes. Was den Beschluss angeht, der auf der einstweiligen Verfügung beruht, hat das Beschwerdegericht den Ordnungsmittelantrag indes zurückgewiesen.
 

Verbot der Doppelahndung?

Es liege nämlich ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Verbot der Doppelahndung vor, das auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nach § 890 der Zivilprozessordnung Anwendung finde. Ziel des zusätzlichen Antrages sei außerdem allein die Bestrafung der Konkurrentin. Und: Der Antrag sei auch wegen Rechtsmissbrauches unzulässig. Wer erst die Zwangsvollstreckung über Jahre nicht betreibe und dann mehrere Verstöße an einem Datum zum Anlass nehme, aus allen Titeln parallel vorzugehen, handele rechtsmissbräuchlich. Der Kosmetikproduzent verfolgte seine Anliegen weiter – der Fall landete vor dem Bundesgerichtshof (BGH).
 

Frage der „evidenten Ungerechtigkeit“

Dieser beurteilt den Fall anders als das Beschwerdegericht. Das Verbot der Doppelahndung im Sinne des Art. 103 Abs. 3 des Grundgesetzes stehe dem Vorgehen aus einstweiliger Verfügung und dem Titel aus dem Hauptsacheverfahren nicht entgegen. Die Festsetzung von Ordnungsmitteln unterscheide sich von der strafrechtlichen Ahndung dadurch, dass sie auch Zwangsmittel sei und zur Sicherung der Durchsetzung eines titulierten Anspruchs wiederholt vorgenommen werden kann. Es sei lediglich zu prüfen, ob die wiederholte Festsetzung als „evident ungerecht“ anzusehen ist, weil der Gegenstand einer späteren Festsetzung mit dem einer früheren identisch ist. Im vorliegenden Fall spreche dagegen der unterschiedliche Pflichteninhalt.
 

Unterschiedliche Pflichten

Die Unterlassungsverfügung verpflichtete demnach die Konkurrentin, das Produkt selbst nicht weiter zu vertreiben und zu veranlassen, dass Händler bereits ausgelieferte Ware vorläufig zurückhalten. Der Titel im Hauptsacheverfahren führt dann – weitergehend – zu einer Rückrufverpflichtung. Im Übrigen spreche gegen die Identität der Vollstreckungsmaßnahmen, dass einstweilige Verfügung und Hauptsachetitel einen unterschiedlichen zeitlichen Anwendungsbereich haben. Die Ansicht des Beschwerdegerichts, das Vorgehen wegen der einstweiligen Verfügung habe nur Bestrafungscharakter, ist laut BGH nicht zutreffend.
 

Doppelzweck der Ordnungsmittel

Ordnungsmittel im Sinne des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO haben danach einen doppelten Zweck: Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienten sie präventiv der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellten sie repressiv eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung eines gerichtlichen Verbotes dar. Schließlich schmettert der BGH auch das Argument ab, die Kosmetikproduzentin hätte jahrelang keine Vollstreckung betrieben, um jetzt plötzlich parallel vorzugehen. Nach Überzeugung des Senats hat sie erst Anfang 2020 vom beanstandeten Produktvertrieb erfahren.
BGH, I ZB 56/21Bildnachweise: © IMAGO / YAY Images ]]>

Beitrag von Alexander Pradka

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