Umstrittene Überlassungshöchstdauer für Leiharbeitnehmer bei Betriebsübergang

Bis vor das Bundesarbeitsgericht ging ein Fall, in dem ein Leiharbeitnehmer und ein Betrieb über die Überlassungshöchstdauer streiten. Kompliziert ist der Fall deshalb, weil letzterer das Produktionsunternehmen übernommen hat, mit dem das Leiharbeitsverhältnis ursprünglich bestand.
vom 8. Oktober 2024
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Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat nun den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Zentrale Frage ist, wie die Überlassungshöchstdauer unionrechtskonform zu berechnen ist, wenn auf Seiten des Entleihers ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Grundsätzlich sieht das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vor, dass zwischen dem verleihenden Unternehmen und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht, der Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung in die Arbeitsorganisation des entleihenden Unternehmens eingegliedert sind und dessen Weisungen unterliegen, § 1 Abs. 1 AÜG. Grundsätzlich darf ein Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden, § 1 Abs. 1b AÜG. Allerdings: Aufgrund eines Tarifvertrags der Einsatzbranche lässt sich eine von dieser Regelung abweichende Überlassungshöchstdauer festlegen.

 

Betriebsübergang und Tarifvertrag

In dem Fall, den das BAG zu entscheiden hat, war der Arbeitnehmer vom 16. Juni 2017 bis zum Betriebsübergang am 1. Juli 2018 in einem Produktionsunternehmen im Bereich Logistik tätig. Dieses Unternehmen war auch Entleiher im Sinne des AÜG. Der Leiharbeitnehmer war dann auch im übernehmenden Betrieb tätig, bis zum 6. April 2022. Sowohl das Produktionsunternehmen als auch das übernehmende Unternehmen sind Mitglieder des Verbands der Metall- und Elektroindustrie. Der Leiharbeitnehmer hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei zum 16. Dezember 2018 wegen Überschreitens der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Das Produktionsunternehmen als Betriebsveräußerer und die Betriebserwerberin seien im Sinne des Gesetzes als derselbe Entleiher anzusehen. Letztere vertritt die gegenteilige Auffassung. Im Fall eines Übergangs des Einsatzbetriebs auf einen anderen Inhaber beginne die Überlassungshöchstdauer neu zu laufen. Dies gelte auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer nach dem Übergang des Betriebs unverändert auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt werde. Sie beruft sich außerdem darauf, dass die gesetzlich zulässige Überlassungshöchstdauer aufgrund Tarifvertrags durch Betriebsvereinbarungen auf zuletzt 48 Monate verlängert worden sei.

 

Frage des richtigen Zeitpunkts   

Das Arbeitsgericht hatte die Klage des Leiharbeitnehmers abgewiesen, das Landesarbeitsgericht ein Arbeitsverhältnis ab dem 16. Juni 2021 angenommen. Sowohl Leiharbeitnehmer als auch übernehmender Betrieb sind in Revision gegangen. Das BAG hält es für klärungsbedürftig, ob und unter welchen Voraussetzungen bei der Berechnung der Überlassungsdauer im Fall eines Betriebsübergangs Veräußerer und Erwerber als ein „entleihendes Unternehmen“ anzusehen sind. Davon hängt es ab, ob das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten 18 Monate nach der Überlassung des Klägers zum 16. Dezember 2018 oder erst 18 Monate nach dem Betriebsteilübergang zum 1. Januar 2020 zustande gekommen ist. Auf die abweichend vom Gesetz nach dem Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens zulässige Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten konnte sich die Betriebserwerberin laut BAG nicht berufen. Sie unterhalte keinen Hilfs- oder Nebenbetrieb, der dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrags unterliegt. Die dort anfallenden Logistiktätigkeiten seien nicht Teil des Fertigungsprozesses.

 

Copyright Bild: Unsplash / Pickawood

Beitrag von Alexander Pradka

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