Es ist erst die zweite Feststellung des Bundesgerichtshofes (BGH) nach § 19a Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die erste betraf im April des vergangenen Jahres Amazon. Entscheiden musste der BGH, weil Apple Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde gegen den im April 2023 gefällten Beschluss des Bundeskartellamts erhoben hatte, mit dem die Bonner Behörde die besondere Stellung Apples festgestellt hatte. Das Bundeskartellamt habe zurecht festgestellt, dass Apple im Sinne des § 18 Abs. 3a GWB in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten tätig ist, heißt es in dem BGH-Beschluss. Mehrseitige Märkte sind laut BGH nicht nur Plattformen, auf denen Geschäftsabschlüsse zwischen verschiedenen Nutzergruppen stattfinden oder vermittelt werden. Es genüge, dass durch die Plattform die Aufmerksamkeit einiger Nutzergruppen auf die andere gelenkt oder eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen technisch ermöglicht wird. Die Erheblichkeit schließt der Senat aus den Zahlen des Konzerns: Im Geschäftsjahr 2020 seien im Apple Store rund 1,7 Millionen Apps verfügbar gewesen, die in dem Jahr auch über 30-Milliarden-mal heruntergeladen worden seien. Mehr als 640 Milliarden US-Dollar habe Apple mit den bereitgestellten Apps und Leistungen umgesetzt, im Geschäftsjahr 2021 habe der Nettoerlös allein durch den App-Store bei über 15 Milliarden US-Dollar gelegen.
Unternehmen spricht selbst vom „Apple-Ökosystem“
Der BGH führt weiter aus, dass es im Rahmen der Feststellung im Sinne des § 19a Abs. 1 GWB nicht auf darauf ankommt, ob der Wettbewerb bereits beeinträchtigt ist oder eine konkrete Gefahr besteht. Das adressierte Unternehmen muss nicht einmal sein wettbewerbliches Potenzial ausnutzen. Die Norm diene dem Bundeskartellamt dazu, eine effektivere Kontrolle derjenigen großen Digitalunternehmen zu ermöglichen, deren Ressourcen und strategische Positionierung ihnen potenziell erlauben, erheblichen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit Dritter zu nehmen, den Wettbewerbsprozess zu eigenen Vorteil zu verfälschen sowie ihre bestehende Marktmacht auf immer neue Märkte und Sektoren zu übertragen. Es genügt in dem Sinne also ein abstraktes Gefährdungspotenzial. § 19a GWB sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Nach der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens kann das Bundeskartellamt in einem zweiten Schritt bestimmte Verhaltensweisen untersagen. Produkte und Dienstleistungen, die Apple den Nutzern seiner Hardware anbietet, seien in hohem Maße vertikal integriert und untereinander so eng miteinander verbunden sowie in weiten Teilen den Nutzern von Apple-Geräten vorbehalten. Das bilde – so der Senat – die Grundlage für das vom Unternehmen selbst so bezeichnete „Apple-Ökosystem“. Zwar habe das Unternehmen laut eigenen Angaben keinen Zugang zu Nutzerdaten, die Nutzer nur auf den Geräten speichern oder verschlüsselt zwischen Geräten oder zwischen Gerät und iCloud übertragen. Im Ergebnis habe Apple aber einen breiten und tiefen Zugang zu Daten – das ergebe sich schon aus der Datenschutzrichtlinie des Konzerns. Nutzer müssen häufig der Freigabe von Daten zustimmen, wenn sie Produkte und Dienste von Apple in bestimmter Weise nutzen wollen. Und: Apples Tätigkeit habe große Bedeutung für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten. Damit verfüge das Unternehmen über einen erheblichen Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit. Externe App-Entwickler und andere Drittunternehmen seien auf Apples Unterstützung angewiesen, um Zugang zu der großen Zahl von Gerätenutzern zu erhalten. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, lobt die Entscheidung des BGH: „Wir freuen uns über die Bestätigung durch den Bundesgerichtshof. Damit ist höchstrichterlich bestätigt, dass Apple der verschärften Missbrauchsaufsicht unterliegt. Unsere bereits laufende Prüfung von Apples Tracking-Regelung für Drittanbieter-Apps steht damit auf einem soliden Fundament, wir arbeiten mit Hochdruck an diesem Fall und weiteren Fällen gegen die großen Internetkonzerne.“ Diese Machtstellung wurde bislang bereits rechtskräftig bei Alphabet/Google, Meta/Facebook, Amazon, Microsoft und Apple festgestellt. Außer Amazon und Apple hatte kein Unternehmen Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundeskartellamts eingelegt.
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