Sozialversicherungspflicht in einer Rechtsanwalts-GmbH

Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, die als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind, können als abhängig beschäftigt eingestuft sein. Sie sind dann auch sozialversicherungspflichtig. Bei der Beurteilung entscheiden die Umstände des Einzelfalls. Das geht aus einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG) hervor.
vom 4. Juli 2022
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Geklagt hatten fünf Mitglieder einer Rechtsanwalts-GmbH. Jeder von ihnen hatte einen Geschäftsanteil von 20 Prozent. Nach dem Ausscheiden eines Kollegen erhöhte sich dieser für die übrigen vier auf jeweils 25 Prozent. Geschäftsgegenstand der GmbH ist das übliche Anwaltsgeschäft: Übernahme von Aufträgen, Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten. Die damit in Zusammenhang stehenden Aufgaben bewältigen die Beteiligten unabhängig, weisungsfrei und eigenverantwortlich. 

 

Angestellte Rechtsanwältinnen und -anwälte

Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte die Versicherungspflicht der fünf Gesellschafter-Geschäftsführer fest. Dagegen richteten sich die Rechtsanwälte auf dem Klageweg – indes ohne Erfolg. Sie unterlagen in allen Instanzen. Das Bundessozialgericht stellt innerhalb des Revisionsverfahrens fest, dass die Sozialversicherungspflicht von Rechtsanwältinnen und -anwälten in dieser Konstellation nicht per se aufgrund ihrer Stellung als unabhängige Organe der Rechtspflege ausgeschlossen ist. Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) definiert diese zwar als solche, gestattet aber dennoch das Angestelltenverhältnis in der GmbH (§ 46 Abs. 1 BRAO). 

 

Gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht

Um die Frage nach der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer beantworten zu können, kommt es laut BSG auf die Umstände des Einzelfalles an. Das heißt in diesem Zusammenhang konkret: verfügen sie über gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, um die Geschicke des Unternehmens zu bestimmen? Oder ergeben sich aus der Gesamtbetrachtung eher Merkmale einer abhängigen Beschäftigung? Selbst als Geschäftsführer können sie in das Unternehmen eingegliedert sein und Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen. Diese bestimmt letztlich die Unternehmenspolitik. 

 

Blick auf die Anteile

Im vorliegenden Fall reichten den Vorinstanzen und dem BSG die Anteile nicht aus, um die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht zu bejahen. Diese sei erst bei einem Anteil von mehr als 50 Prozent anzunehmen. Außerdem hat laut Gericht die Gesamtschau der Arbeitsverträge der Gesellschafter-Geschäftsführer typische Merkmale einer abhängigen Beschäftigung ergeben.
BSG, Az. B 12 R 4/20 R

 

Bildnachweise: © Unsplash / Rodeo Project Management Software

Beitrag von Alexander Pradka

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