Putins Krieg: Wie reagieren Unternehmen nach dem ersten Schock?

Russland bricht mit der Anerkennung der separatistischen Volksrepubliken in Donezk und Luhansk und dem militärischen Angriff auf die Ukraine in eklatanter Weise Völkerrecht. Die UN-Charta, das Grundgesetz internationaler Beziehungen, interessiert den russischen Präsidenten Wladimir Putin ohnehin schon lange nicht mehr. Das war 2008 im Georgien-Konflikt und 2014 mit der Annexion der Krim schon erkennbar.
vom 16. März 2022
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Putins Krieg: Wie reagieren Unternehmen nach dem ersten Schock?Russland bricht mit der Anerkennung der separatistischen Volksrepubliken in Donezk und Luhansk und dem militärischen Angriff auf die Ukraine in eklatanter Weise Völkerrecht. Die UN-Charta, das Grundgesetz internationaler Beziehungen, interessiert den russischen Präsidenten Wladimir Putin ohnehin schon lange nicht mehr. Das war 2008 im Georgien-Konflikt und 2014 mit der Annexion der Krim schon erkennbar.
Bei aller Emotionalität über das Vorgehen eines Kriegsverbrechers, die einen Bogen von Fassungslosigkeit und Angst über Trauer bis bin zu Ärger und Wut spannt, ist jetzt rationales und entschlossenes Handeln gefragt. Das betrifft die Politik, aber ebenso die Wirtschaft. Ziel ist es, Russland insgesamt wirtschaftlich zu isolieren und zu schwächen. In diesem Zusammenhang herrscht aktuell ein nie da gewesener und erstaunlich breiter Konsens. Wenn sogar die traditionell auf ihre Neutralität pochende Schweiz dem Ausschluss Russlands aus dem internationalen Finanzabwicklungssystem SWIFT zustimmt, spricht das für einen historisch einmaligen Zusammenhalt.
 

Was sollen Unternehmen tun?

Fraglich bleibt nur, wie sich China künftig positioniert und ob Putins Russland die wirtschaftlichen Konsequenzen mit Hilfe des Reiches der Mitte abschwächen und hinauszögern kann. Auch wenn angesichts des Krieges fast stündlich Veränderungen eintreten können: Viele Unternehmen in Deutschland müssen sich Gedanken machen über ihre Geschäftsbeziehungen mit der russischen Wirtschaft – und das ohne Zeitverzug. Betroffen von den Sanktionen sind hauptsächlich territoriale Aspekte, Güterverkehr und Lieferketten sowie der Finanzsektor.
 

Sanktionen in bisher nicht gekannter Härte

Das Bereitstellungsverbot sieht vor, dass gelisteten Personen – und Organisationen – keine Finanzmittel oder wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen. Daneben bestehen ein Wertpapierhandelsverbot und das Verbot zur Vergabe von Krediten und Darlehen an russische Unternehmen. Die Bundesregierung will außerdem die Hermes-Bürgschaften und Investitionsgarantien für Russland zumindest vorübergehend aussetzen. Laut Angaben der Europäischen Union betreffen die Finanzsanktionen bereits jetzt 70 Prozent des russischen Bankenmarktes. Die EU hat zudem ein Waffenembargo sowie Handelsbeschränkungen für so genannte Dual-Use-Güter erlassen. Ausfuhr, Verbringung und Lieferung sind insgesamt nicht gestattet, so dass es auf die konkrete Verwendung der Güter in Russland nicht mehr ankommt.
 

Geschäftsbeziehungen noch vertretbar?

Es spielt also keine Rolle, ob diese militärischen oder zivilen Zwecken dienen. Weitere Beschränkungen sollen Russland die Ölraffination erschweren. Ferner dürfen keine Güter und Produkte mehr an den Aggressor geliefert werden, die ihm einen technologischen Fortschritt ermöglichen. Was ist jetzt oberste Pflicht für Unternehmen in Deutschland, was können sie tun? Strategisch müssen sie die grundsätzliche Frage beantworten, inwiefern Beziehungen mit Russland im Spannungsfeld zwischen ethischen Grundsätzen und wirtschaftlichen Interessen noch Sinn machen beziehungsweise vertretbar sind. Vertragsbeziehungen – bestehende und geplante – gehören auf den Prüfstand, ebenso veränderte Genehmigungsvoraussetzungen für den Gütertransport. Mögliche Alternativen für das Geschäft sind zu identifizieren.
 

Geschäftsbeziehungen noch vertretbar?

Arbeitsrechtliche Implikationen sind zu analysieren, insbesondere dann, wenn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Russland oder der Ukraine tätig sind. Empfehlenswert ist die Gründung einer Task-Force oder eines Krisenstabs mit klar festgelegten Zuständigkeiten. Mitglieder sollten jedenfalls aus der Geschäftsführung, der Rechtsabteilung, dem Compliance-Department, aus Einkauf und Vertrieb sowie aus dem Bereich Kommunikation stammen. Essenzielle Pflichten bestehen hinsichtlich des täglichen oder besser stündlichen Monitorings aktueller politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen – bei Letzteren insbesondere die Sanktionen betreffend.
 

In Zukunft mehr Prävention

Was passiert beispielsweise noch auf dem Energiesektor? Neben den Beschlüssen der EU sollten vor allem auch Maßnahmen der USA und das Verhalten der chinesischen Regierung im Fokus stehen, weil diese – unmittelbar oder mittelbar – schwerwiegende Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Beziehungen deutscher Unternehmen haben können. Der Ausgang des Krieges ist ungewiss. Eines zeigt sich aber jetzt schon: Das politische und wirtschaftliche Fundament unserer Gesellschaft ist abermals erschüttert. Vielleicht wird daraus eines klar: Künftig ist in jeder Hinsicht mehr Prävention als Reaktion gefragt.
Der Beitrag ist in der Rubrik „Recht aktuell“ im Magazin unternehmensjurist, Ausgabe 2/2022 erschienen.Bildnachweise: © IMAGO / Christian Ohde

Beitrag von Alexander Pradka

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