Pandemie bringt Homeoffice-Pflicht durch die Hintertür

Im Kampf gegen Corona will die Bundesregierung auch die „epidemiologisch relevanten Kontakte“ im beruflichen Umfeld reduzieren.
vom 26. Januar 2021
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Pandemie bringt Homeoffice-Pflicht durch die Hintertür

Im Kampf gegen Corona will die Bundesregierung auch die „epidemiologisch relevanten Kontakte“ im beruflichen Umfeld reduzieren. Eine neue Verordnung zwingt Unternehmen, ihren Beschäftigten überall dort das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen, wo es die Tätigkeiten zulassen. Auch in den Betrieben gelten künftig strengere Corona-Regeln.
Ein Ergebnis der jüngsten Bund-Länder-Konferenz zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist eine Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Sie soll mithelfen, die berufsbedingte Mobilität zu verringern. Ressortchef Hubertus Heil nimmt die Unternehmen in die Pflicht: „Wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegensprechen, müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten Homeoffice anbieten.“ Heil sieht hier „viel Luft nach oben“.
 
 

Sanktionen sollen Ausnahme bleiben

In Kraft treten soll die Corona-Arbeitsschutzverordnung Ende Januar und zunächst bis 15. März 2021 befristet sein. Bei der Kontrolle der Einhaltung will sich der Staat laut Heil eher zurückhalten. Arbeitnehmer sollten zunächst mit ihrem Arbeitgeber sprechen oder sich im Zweifel an den Betriebsrat und im „äußeren Konfliktfall“ an die Arbeitsschutzbehörden der Länder wenden. Im „allergrößten Notfall“ (Heil) seien dann auch Bußgelder möglich.
 

Kein Zwang, von zuhause zu arbeiten

Auf einem anderen Blatt steht, ob überhaupt und wie viele Beschäftigte das Angebot ihres Unternehmens zum Arbeiten von zuhause aus annehmen. Gezwungen werden können sie dazu nicht. Wer sich dafür entscheidet, der muss den Anspruch unter Umständen vor dem Arbeitsgericht durchfechten. Denn was genau ein „zwingender betrieblicher Grund“ ist, um Mitarbeitern das Homeoffice zu verweigern, bleibt aus Expertensicht schwammig.
 

Arbeitsschutz noch einmal verschärft

Mit der neuen Verordnung sind für Betriebe auch die Arbeitsschutzregeln für Abstände und Mund-Nasen-Schutz strenger. Wenn Räume von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden, müssen pro Person zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen. Bei Belegschaften ab zehn Mitarbeitern müssen diese in kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden. Sind die Vorgaben nicht einzuhalten, müssen Arbeitgeber medizinische Gesichtsmasken stiften.
 

Heftige Kritik von Unternehmerseite

Nach Überzeugung von Bundesarbeitsminister Heil sind die Maßnahmen „notwendig und deutlich weniger restriktiv als in anderen Bereichen der Gesellschaft“. Dennoch regt sich Unmut insbesondere von Unternehmensseite. Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, hält die neuen Vorgaben für „inakzeptabel“. Auch der Verband der Familienunternehmen kritisiert die jüngsten Beschlüsse zum Homeoffice.
 

„Enorme Dokumentationspflichten“

Anlass ist der bürokratische Aufwand: „Um für Kontrollen durch die Arbeitsschutzbehörden vorbereitet zu sein, müssen die Betriebe enormen Dokumentationspflichten nachkommen, um für jede Person, die nicht mobil arbeiten kann, die betriebliche Präsenznotwendigkeit nachzuweisen”, erklärt der in Berlin ansässige Verband. Nach eigenen Angaben vertritt er die wirtschaftspolitischen Interessen von bundesweit über 180.000 Familienunternehmen.
 

Keine Auskunftspflicht bezüglich Impfstatus

Mit Blick auf Corona darf ein Unternehmen damit etwa Fiebermessungen vor Betreten des Betriebsgeländes anordnen oder Mitarbeiter bei Urlaubsrückkehr nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet befragen. Eine Grundlage zum Oktroyieren von Impfungen indes stellt das Direktionsrecht nicht dar. Der Arbeitnehmer ist in seinem außerdienstlichen Verhalten frei. Laut DGB schuldet er dem Arbeitgeber auch keine Auskunft über seinen Impfstatus.
 

Anordnung regelmäßiger Tests rechtens 

Trotz der besonderen Gefährdungssituation in diesen Berufsgruppen – für Mitarbeiter und Patienten – gibt es auch für medizinisches oder Pflegepersonal prinzipiell keine Corona-Impfpflicht. Der Arbeitgeber kann jedoch die regelmäßige Testung verlangen, der Folge zu leisten ist. Und wenn Patienten, Heimbewohner oder deren Angehörige den Einsatz allein von gegen das Coronavirus geimpften Mitarbeitern fordern, hat dies Konsequenzen.
 

Gefahr der personenbedingten Kündigung 

Ähnlich dem Berufskraftfahrer, der seinen Führerschein verliert, können alle Arbeitnehmer ohne Corona-Schutzimpfung im betreffenden Bereich dann nicht mehr beschäftigt werden. Ihnen droht schlimmstenfalls eine personenbedingte ordentliche Kündigung. Zuvor jedoch muss der Arbeitgeber prüfen, ob die jeweiligen Mitarbeiter nicht mit einer anderen Tätigkeit betraut werden können, bei der das Bestehen eines Impfschutzes nicht zwingend ist.Bildnachweise: © imago images / Christian Ohde

Beitrag von Alexander Pradka

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