Das bedeutet, dass in Mobbingfällen zu prüfen ist, ob der klageweise in Anspruch Genommene arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers oder ein Schutzgesetz im Rahmen der deliktischen Haftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch verletzt hat oder eine sittenwidrige Schädigung begangen hat. In dem Zusammenhang ist es möglich, dass einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen für sich allein betrachtet keine Rechtsverletzung darstellen, die Gesamtschau aber zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit führen. Dann kann es – so das LAG – aufgrund der Systematik und der Zielrichtung zu einer entsprechenden Beeinträchtigung der geschützten Rechte des Arbeitnehmers kommen. Übersetzt heißt das, dass der Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen mit unerwünschten Verhaltensweisen gerade bezwecken oder bewirken, dass die Würde des betroffenen Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld etabliert wird.
Fortdauernder Zustand erforderlich
Wie das LAG weiter ausführt, entspricht das dem in Paragraf 3 Absatz 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) definierten Begriffes der „Belästigung“, die dann auch eine Benachteiligung im Sinne des Paragrafen 1 AGG darstellt. Da ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen werde, seien alle Handlungen beziehungsweise Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Beweispflichtig ist nach den allgemeinen Grundsätzen immer derjenige, der den Anspruch stellt. Dieser muss im Rechtsstreit auch die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen, aus denen er die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet, unter Angabe des jeweiligen Zeitpunktes, hinreichend konkretisieren.
Ärztliches Attest für sich genommen kein Beweis
In dem der Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein zugrundeliegenden Fall hatte eine Arbeitnehmerin Mobbingvorwürfe gegenüber Kolleginnen erhoben, die sie angeblich aus Neid und Angst um Arbeitsplatzverlust zum Feindbild erklärt hätten. Es sei zu Lästereien und Diskriminierungen wegen ihrer Herkunft, ihres Glaubens und ihre Einstellung zu Corona und der Impfthematik gekommen, Fehler, die die Kolleginnen begangen hätten, seien zudem öffentlichkeitswirksam ihr in die Schuhe geschoben worden. Der Arbeitgeber habe seine Fürsorgepflicht verletzt, weil er die einzelnen Verhaltensweisen geduldet und sich nicht vor sie gestellt habe. Die Arbeitnehmerin meldete sich daraufhin krank und legte ärztliche Atteste vor, die eine Mobbingkonstellation indizierten. Sie begehrte Schmerzensgeld beziehungsweise eine Entschädigung. Das LAG sah wie schon die Vorinstanz keine Verletzung von Fürsorgepflichten seitens des Arbeitgebers, der Arbeitnehmerin gelang auch nicht der Beweis im Hinblick auf dessen Kenntnisstand zu den Verhaltensweisen der Kolleginnen. Auch ein ärztliches Attest mit mobbingtypischem Befund reicht laut LAG unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für sich genommen nicht aus, eine Kausalität zwischen den behaupteten Mobbinghandlungen und dem medizinischen Befund zu belegen – erst recht sei damit nicht zu beweisen, dass die sich vom Anspruchsteller behaupteten Mobbing-Handlungen tatsächlich zugetragen haben.
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