Der BGH stimmt dem Berufungsgericht zu, das einen vorsätzlichen Verstoß der Daimler AG gegen Art. 101 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) festgestellt hatte. Daimler war Teil des sogenannten Lkw-Kartells, dem mindestens vier weitere Hersteller, MAN, Volvo/Renault, Iveco und DAF, angehörten. Diese hatten Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lkw sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge getroffen. Die EU-Kommission hatte gegen Daimler ein Bußgeld in Höhe von einer Milliarde Euro verhängt. Dieses wettbewerbsbeschränkende war laut BGH geeignet, auf Seiten des Baustoffhändlers einen Schaden zu verursachen. Die Leasing- und Mietkaufverträge über Lkw waren sachlich und zeitlich von den Absprachen erfasst.
Erfahrungssatz kommt hohe Bedeutung zu
Wie der BGH weiter ausführt, gilt zugunsten der Abnehmer eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens der Erfahrungssatz, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Das bedeute, dass auch die von einem Leasingnehmer oder Mietkäufer an eine Finanzierungsgesellschaft zu entrichtenden Entgelte kartellbedingt überhöht sind – vorausgesetzt, dass die Leasing- oder Mietkaufverträge auf vollständige Deckung des Anschaffungspreises abzielen. Diese Voraussetzung war im zu entscheidenden Fall erfüllt. Der BGH weist dem Erfahrungssatz aufgrund der besonderen Umstände des Lkw-Kartells ein „erhebliches Gewicht“ zu: Die Marktabdeckung der am Kartell beteiligten Hersteller liege im Europäischen Wirtschaftsraum bei über 90 Prozent. Außerdem hielt es über einen Zeitraum von über 14 Jahren. Daimler habe demgegenüber im Prozess nicht dargelegt, warum die Koordinierung der Preise über so lange Zeit keine Wirkung gehabt haben soll. Warum sollte ein Konzern ein Kartell gründen, dieses lange aufrechterhalten und die damit verbundenen Risiken eingehen, wenn sich keine lohnenswerte Rendite daraus ergebe? Vergleichsmarktbetrachtungen, die zum Nachweis eines insignifikanten Kartelleffekts angeführt wurden, stehen der Annahme nicht entgegen, dass ein Schaden entstanden ist. Offen geblieben ist die Höhe des Schadensersatzanspruchs. Den muss das Landgericht Magdeburg nun in einem Betragsverfahren ermitteln. Die ursprüngliche Klage belief sich auf knapp 52.000 Euro.
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