Kurzarbeitergeld greift zu kurz

Der Lockdown des vergangenen Jahres mit behördlich angeordneten und vorübergehenden Betriebsschließungen ist immer noch Thema vor deutschen Gerichten. Jetzt entscheidet das Bundesarbeitsgericht, dass sich in diesen Schließungen kein im Betrieb angelegtes Risiko realisiert. Das hat fatale Folgen für den Lohnanspruch einer geringfügig Beschäftigten.
vom 1. November 2021
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Kurzarbeitergeld greift zu kurzDer Lockdown des vergangenen Jahres mit behördlich angeordneten und vorübergehenden Betriebsschließungen ist immer noch Thema vor deutschen Gerichten. Jetzt entscheidet das Bundesarbeitsgericht, dass sich in diesen Schließungen kein im Betrieb angelegtes Risiko realisiert. Das hat fatale Folgen für den Lohnanspruch einer geringfügig Beschäftigten.
23. März 2020: Die Freie Hansestadt Bremen erlässt die „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“. Geschäfte müssen im April schließen, darunter auch die Filiale eines Nähmaschinen- und Zubehörhändlers. Betroffen ist davon auch eine geringfügig Beschäftigte, die im Verkauf tätig ist. Sie kann nicht arbeiten und bekommt kein Geld. Das Monatsgehalt klagt sie aber ein und begründet das mit dem Annahmeverzug des Arbeitgebers. In den Vorinstanzen bekommt sie recht.
 

Kein Annahmeverzug des Arbeitgebers

Etwas überraschend bewertet das Bundesarbeitsgericht den Sachverhalt aber anders. Die Revision des Nähmaschinenhändlers hat Erfolg: „Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs“, heißt es im Urteilsspruch des BAG. Es unterfällt nicht dem Betriebsrisiko, wenn zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und möglicherweise tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen Behörden mittels Anordnung die sozialen Kontakte minimieren und alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen schließen.
 

„Lücke im System“

Dass die Beschäftigte nicht ihrer Arbeit nachgehen kann, ist Folge dieses hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft „insgesamt“ treffenden Gefahrenlage. Insofern realisiert sich hier kein dem Betrieb innewohnendes Risiko. Das Bundesarbeitsgericht verteilt das Risiko auf alle Teilnehmer am Arbeitsmarkt. Allerdings betont es ausdrücklich die Pflicht des Staates, in einem solchen Fall für einen Ausgleich zu sorgen. Diesen hoheitlichen Eingriff gibt es ja auch – dafür wurde das Kurzarbeitergeld eingeführt. Da hat die in dem Laden als Verkäuferin tätige Frau Pech. Die entsprechenden Regelungen greifen bei ihr als geringfügig Beschäftigte nicht. Das BAG erkennt die Lücke im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystemführt aber aus, dass sich „aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten lässt.“
(BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021, 5 AZR 211/21)
Bildnachweise: © IMAGO / Shotshop

Beitrag von Alexander Pradka

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