Ausgangspunkt für die Entscheidung war die Klage einer Kapitalverwertungsgesellschaft auf gegen den Insolvenzverwalter der Wirecard AG. Sie verwaltete Sondervermögen, für die sie Aktien der Wirecard ge- und verkauft hatte. Ihrer Meinung nach hat das insolvent gegangene Unternehmen Kapitalmarktinformationspflichten vorsätzlich verletzt. Wenn es dazu nicht gekommen wäre, hätte sie – die Kapitalverwertungsgesellschaft – die von ihr auf den Erwerb entsprechender Aktien ausgerichteten Transaktionsgeschäfte sämtlich nicht getätigt. In der Folge stünden ihr gegen Wirecard Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu, § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches, gestützt auf §§ 97, 98 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Die Ansprüche hat sie zur Insolvenztabelle angemeldet.
Aktionärsstellung verhindert Einordnung unter § 38 InsO
Wie das Landgericht München ausführt, musste es vorab prüfen, ob es sich bei der behaupteten Forderung um eine Insolvenzforderung handelt. § 38 InsO enthält nicht nur eine Aussage über den Zweck der Insolvenzmasse, sondern auch eine Legaldefinition des Insolvenzgläubigers und insofern die Einordnung einer Forderung als Insolvenzforderung. Und für die in Frage stehende Begehr hat dies das Gericht abgelehnt. Die Kapitalverwertungsgesellschaft mache Ansprüche geltend, die auf einer Aktionärsstellung beruhen. Und diese ließen sich nicht unter § 38 InsO subsumieren. Dass die Aktionärsstellung möglicherweise auf einer Täuschung beruhe, ändere daran nichts: Sie habe sich mit dem Aktienkauf für eine Investition in das Eigenkapital der Wirecard entschieden, über diese Investitionsform sei sie nicht getäuscht worden.
Keine Aussage zum Bestehen der Ansprüche
Im Übrigen stünden auch Kapitalschutzvorschriften der Einordnung entgegen: Das Schadensersatzverlangen sei wirtschaftlich auf die Erstattung des haftenden Eigenkapitals gerichtet. In der Rechtsprechung zum EM.TV-Fall habe der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der Vorrang einer Haftung für kapitalmarktrechtliche Informationspflichtverletzungen nur für die werbende, indes nicht für die insolvente Gesellschaft gilt. Die Einordnung der Schadensersatzansprüche der Aktionäre als Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO ginge außerdem zu Lasten der anderen Gläubiger – und dies sei nicht mit den maßgeblichen Grundwerten des Insolvenzrechts vereinbar. Das Landgericht München I betont in seiner Entscheidung, dass es nicht darüber entschieden hat, ob entsprechende Schadensersatzansprüche bestehen, sondern nur, dass diese nicht als Insolvenzforderungen im Rang des § 38 InsO zur Tabelle festgestellt werden können.
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