Keine Eile bei der Suche nach einem neuen Job

Eine Arbeitgeberin kündigt einem Angestellten ordentlich und stellt ihn frei. Handelt es sich seinerseits um böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes, wenn er sich vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht um ein neues Arbeitsverhältnis bemüht? Nein, sagt das Bundesarbeitsgericht.
vom 18. Februar 2025
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Seit November 2019 war der betroffene Arbeitnehmer bei seinem Unternehmen angestellt, zuletzt als Senior Consultant mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 6.440 Euro. Mit Schreiben vom 29. März 2023 kündigte die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag ordentlich zum 30. Juni 2023. Unter Anrechung des noch vorhandenen Resturlaubs stellte sie ihn unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung frei. Er erhob Kündigungsschutzklage, dieser gab das zuständige Arbeitsgericht am 29. Juni statt, die Berufung der Arbeitgeberin vor dem Landesarbeitsgericht blieb erfolglos. Der gekündigte Arbeitnehmer meldete sich Anfang April 2023 bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend. Er bekam Anfang Juli erstmals Vermittlungsvorschläge. Die Arbeitgeberin selbst zeigte sich allerdings auch sehr bemüht und schickte dem Betroffenen bereits im Mai und Juni insgesamt 43 auf Jobportalen und Unternehmensseiten online gestellte Stellenausschreibungen, die ihrer Einschätzung nach für ihn in Betracht gekommen wären. Tatsächlich bewarb er sich auf sieben von ihnen – allerdings erst ab Ende Juni. Die Arbeitgeberin zahlte für Juni 2023 kein Gehalt mehr und vertrat die Ansicht, er hätte sich zeitnah auf die ihm überlassenen Jobangebote bewerben müssen. Weil er das nicht gemacht habe, müsse er sich für den im Streit stehenden Monat im Sinne des § 615 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe seines Bruttogehalts anrechnen lassen.

 

Kein Verstoß gegen Treu und Glauben   

Der gekündigte Angestellte ging auf dem Klageweg gegen seine ehemalige Arbeitgeberin vor. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht gab ihr hingegen statt. Mit der Revision gegen das Urteil scheiterte nun die Arbeitgeberin beim Bundesarbeitsgericht. Dieses führt aus, dass sie sich aufgrund der einseitig von ihr erklärten Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug befand und dem Arbeitnehmer gemäß § 615 Satz 1 in Verbindung mit 611a Absatz 2 BGB die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist schuldet. Die Anrechnung nicht erzielten anderweitigen Verdienstes kommt hier nicht in Betracht, so das BAG. Die Anrechnung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der gekündigte und freigestellte Arbeitnehmer wider Treu und Glauben untätig geblieben ist. Außerdem enthalte § 615 Satz 2 BGB eine Billigkeitsregelung und der Umfang der Obliegenheitspflicht des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb könne nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin beurteilt werden. Diese habe aber nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs des Angestellten unzumutbar gewesen wäre. Davon ausgehend bestand seinerseits keine Verpflichtung, bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Arbeitgeberin ein neues Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu beziehen.   

 

Foto: Thanks to getty images on Unsplash

Beitrag von Alexander Pradka

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