Das ist laut dem Urteil dann der Fall, wenn das nationale Recht keinen anderen kollektiven Rechtsbehelf zur Bündelung individueller Forderungen der durch ein Kartell Geschädigten vorsieht und sich die Erhebung einer individuellen Schadensersatzklage als unmöglich oder übermäßig schwierig erweist. In dem Rechtsstreit machen 32 Sägewerke mit Sitz in Deutschland, Belgien und Luxemburg einen Schadensersatzanspruch geltend. Das Land Nordrhein-Westfalen habe mindestens vom 28. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2019 überhöhte Preise für den Verkauf von aus dem Bundesland stammenden Rundholz an die Sägewerke in Rechnung gestellt. Die Sägewerke haben diese haben ihre Ansprüche an die Gesellschaft ASG 2 ab. Diese hat als Rechtsdienstleisterin bei Gericht eine Sammelklage gegen das Bundesland erhoben. Sie handelt gegen ein Erfolgshonorar im eigenen Namen, aber auf Rechnung der Sägewerke. Das Land ist der Ansicht, dass die ASG 2 keine Aktivlegitimation habe und führt aus, dass die deutschen Rechtsvorschriften in ihrer Auslegung durch einige Gerichte dem Dienstleister im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht kein Sammelklage-Inkasso gestatten.
Effektivitätsgrundsatz
Das Gericht ist anderer Meinung – das Sammelklage-Inkasso sei die einzige kollektive Verfahrensart, um einen Schadensersatzanspruch in Kartellangelegenheiten wirksam durchzusetzen. Es wandte sich an den EuGH mit der Frage, ob das Recht der Europäischen Union der Auslegung einer nationalen Regelung entgegensteht, die den durch ein Kartell Geschädigten eine Inanspruchnahme dieser Klageart verwehrt. Der EuGH stellt fest, dass grundsätzlich jeder Person, die durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht einen Schaden erlitten hat, das Recht zusteht, den vollständigen Ersatz dieses Schadens zu verlangen. Die Klage kann diese Person erheben oder ein Dritter, an den der Anspruch abgetreten worden ist. Nicht geregelt sind im Europäischen Recht laut EuGH die Modalitäten für die Geltendmachung des Anspruchs. Es sei daher Aufgabe der Mitgliedstaaten, diese zu regeln. Dabei sei der Effektivitätsgrundsatz zu beachten. Nun muss das deutsche Gericht entscheiden, ob die Auslegung des nationalen Rechts, die die Geltendmachung der durch ein Kartell verursachten Schäden über ein Sammelklage-Inkasso ausschließt, diesem Grundsatz entspricht. Kennt das deutsche Recht keinen anderen kollektiven Rechtsbehelf und macht eine individuelle Verfolgung der Ansprüche die Durchsetzung unmöglich beziehungsweise erschwert diese übermäßig, liegt ein Verstoß gegen Unionsrecht vor. Dann – so der EuGH – dürfte das deutsche Gericht die Regelung, die das Sammelklage-Inkasso für derartige Konstellationen ausschließt, nicht anwenden.
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